Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Cäsars Pupillen erweiterten sich dermaßen, daß er nur noch eine rote Flamme sah.
»Ihre hunderttausend Franken von der Bank, meine hunderttausend Franken für sein Notariat, Claparons hunderttausend Franken, das macht dreihunderttausend Franken Unterschlagungen, ohne die, die noch nicht bekannt sind«, fuhr der junge Notar fort. »Man ist in großer Sorge wegen Frau Roguin. Herr du Tillet ist noch gut davongekommen! Roguin hat ihm einen Monat lang zugesetzt, um ihn mit in das Terraingeschäft zu verwickeln, aber zum Glück für ihn war sein ganzes Geld in einer Spekulation, die er mit der Firma Nucingen macht, festgelegt. Roguin hat seiner Frau einen entsetzlichen Brief hinterlassen, ich habe ihn eben gelesen. Seit fünf Jahren veruntreute er das Vermögen seiner Klienten, und für wen? Für eine Mätresse, für die schöne Holländerin; erst vierzehn Tage, bevor es zum Klappen kam, hat er sie verlassen. Diese Verschwenderin saß da ohne einen Heller, ihre Möbel sind verkauft worden, weil sie Wechsel ausgestellt hatte. Um sich der Verfolgung zu entziehen, war sie in eine Wohnung im Palais Royal geflüchtet, und hier ist sie gestern abend von einem Kapitän ermordet worden. Sie, die sicherlich Roguins Vermögen verschlungen hat, hat schnell ihre Strafe vom Himmel empfangen. Weiber gibt es, denen gar nichts heilig ist; die ein ganzes Notariat verschlingen! Frau Roguin ist auf ihre gesetzliche Hypothek angewiesen, sein übriges Vermögen ist über seinen Wert belastet. Das Notariat hat er für dreihunderttausend Franken verkauft! Ich glaubte, ich hätte ein gutes Geschäft gemacht, und der Anfang ist, daß ich dafür noch hunderttausend Franken mehr bezahlen muß; eine Quittung habe ich nicht: es können Umstände hierbei eintreten, die mich das Notariat und die Kaution kosten können, denn die Gläubiger werden denken, daß ich mit ihm unter einer Decke stecke, wenn ich von meinen hunderttausend Franken rede, und wenn man ein Anfänger ist, muß man um seine Reputation besorgt sein. Es werden kaum dreißig Prozent herauskommen. Das ist eine bittere Pille für einen Mann in meinen Jahren! Ein Mensch von neunundfünfzig Jahren, und gibt das Geld für ein Frauenzimmer aus! … Dieser alte Narr! Schon vor drei Wochen hat er zu mir gesagt, ich solle Cäsarine nicht heiraten, denn Sie würden nichts mehr zu essen haben; solch ein Scheusal!«
Alexander hätte noch lange so reden können, Birotteau war wie versteinert. So viele Worte, so viele Keulenschläge. Er hörte nur den Klang der Sterbeglocke, wie er zu Anfang nur die Brandflammen seiner Vernichtung gesehen hatte. Alexander Crottat, der den würdigen Parfümhändler für stark und vermögend gehalten hatte, war entsetzt über seine Blässe und seine Starrheit. Roguins Nachfolger ahnte nicht, daß der Notar Cäsar mehr als das Vermögen geraubt hatte. Dem tief religiösen Kaufmann schoß der Gedanke an Selbstmord durch den Kopf. In einem Falle, wie dieser, ist Selbstmord das Mittel, um tausend Toden zu entgehen, es ist logisch, daß man den einen vorzieht. Alexander Crottat faßte Cäsar unter den Arm und wollte ihn mit fortziehen, aber das war unmöglich: seine Beine gehorchten ihm nicht, wie wenn er betrunken wäre.
»Was ist Ihnen denn?« sagte Crottat. »Ein bißchen Mut, mein guter Herr Cäsar! So etwas bringt einen Menschen noch nicht um. Vierzigtausend Franken werden Sie übrigens wiederbekommen, der Darlehnsgeber hatte den Betrag nicht flüssig, er ist Ihnen nicht ausgehändigt worden, Sie können auf Ungültigkeitserklärung des Vertrages klagen.«
»Der Ball, der Orden, zweihunderttausend Franken Platzwechsel und nichts in der Kasse. Die Ragons – Pillerault … Und meine Frau, die das geahnt hat!«
Ein Strom unzusammenhängender Worte, die die Fülle niederschmetternder Gedanken und fürchterlicher Schmerzen verrieten, ergoß sich wie ein Hagelschauer, der alle Blüten dar Rosenkönigin vernichtete.
»Ich wollte, man schlüge mir den Kopf ab,« sagte Birotteau endlich, »er ist mir so schwer und zu nichts mehr nütze …«
»Armer Vater Birotteau,« sagte Alexander, »steht es denn so gefährlich um Sie?«
»Gefährlich!«
»Fassen Sie nur Mut und nehmen Sie den Kampf auf.«
»Kampf!«
»Du Tillet ist doch Ihr Angestellter gewesen, das ist ein kluger Kopf, er wird Ihnen helfen.«
»Du Tillet?«
»Vorwärts, kommen Sie nur!«
»Ach Gott, in diesem Zustand kann ich nicht nach Hause gehen«, sagte Birotteau. »Sie sind doch mein Freund, wenn es überhaupt noch Freunde gibt, ich habe mich für Sie interessiert, und Sie haben an meinem Tische gegessen – Xandrot, im Namen meiner Frau bitte ich Sie, nehmen Sie einen Wagen und bringen Sie mich nach Hause!« Der junge Notar setzte eine fast leblose Masse, die den Namen Cäsar führte, mit großer Mühe in den Wagen. »Xandrot,« sagte der Parfümhändler mit tränenerstickter Stimme, denn jetzt endlich flossen ihm die Tränen und lockerten ein wenig das eiserne Band, das ihm den Kopf zusammenpreßte, »lassen Sie bei mir halten und sprechen Sie statt meiner mit Cölestin. Sagen Sie ihm, lieber Freund, daß es sich um mein und meiner Frau Leben handelt. Unter keiner Bedingung darf jemand über Roguins Verschwinden ein Wort fallen lassen. Rufen Sie Cäsarine herunter und bitten Sie sie, aufzupassen, daß ihre Mutter nichts von der Sache erfährt. Sie soll auf unsre besten Freunde, Pillerault, die Ragons, auf jeden einzigen achtgeben.«
Die Veränderung in Birotteaus Stimme ging Grottat nahe, der die Wichtigkeit dieses Auftrags einsah. Die