Alfred Komareks Weihnachtsgeschichten. Alfred Komarek

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Alfred Komareks Weihnachtsgeschichten - Alfred Komarek

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      Alfred Komareks Weihnachtsgeschichten

       Mit Illustrationen von Eva Kellner

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      Es begab sich, dass zwei einander aus den Augen und aus den Händen verloren. Aber sie wohnten noch zusammen. Es war Ende November. Die Welt schaute grau und traurig drein.

      „Morgen ist der erste Sonntag im Advent.“ In ihrer Stimme klangen silberne Glöckchen. „Ich geh einkaufen. Soll ich dir was mitbringen?“

      „Ich habe alles.“

      „Ja?“

      „Ja.“ Er seufzte behaglich, schloss die Augen und dachte sich ein paar Träume.

      Sie trat vor das Haus, als käme sie nach Hause. Es hatte geschneit. Die kleine Stadt war in Zuckerwatte eingesponnen.

      Jetzt aber langsam, Schritt für Schritt, nur keine Eile, trotz aller Ungeduld.

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      Ein paar Gassen weiter leuchtete der Stern der Verheißung im Schaufenster jener Konditorei, die sie seit Kindertagen kannte: Es war so schön wie immer. Die Heiligen Drei Könige neigten im Stall zu Bethlehem die Häupter vor dem Kinde. Drei Generationen Zuckerbäcker hatten die kleine Porzellanfigur unbeschädigt bewahrt. Alle Jahre wieder wurde sie in eine Krippe aus Lebkuchen gelegt, auf essbares Gras gebettet. Das lag später dann auch in den Osternestern. Aber jetzt war das Heil der Welt erst einmal hier zu finden und nicht am Kreuz. Die Hirten standen fromm und ergriffen da, kleine, dicke Marzipanengel jubilierten.

      Da galt es nicht lange zu zögern. Beschwingt schlug auch sie die Flügel, flatterte durch die Himmelstür und ließ sich an einem der kleinen Marmortische nieder. Ein rosa Servierengel lächelte fragend und wissend. Sie nickte selig und versank in holder Erwartung.

      Und dann: auf schneeweißem Porzellan mit fein durchbrochenem Rand ein süßer Berg Sinai. Das gelobte Land lag nahe.

      Eine rasch verwehte Ewigkeit verharrte sie. Das silberne Löffelchen schwebte über dem Gipfel, auf dem sich Gelee von Himbeeren und Brombeeren mit schneeweißem Schlagobers vermählte, senkte sich, tauchte ein, berührte die Lippen, füllte den Mund. Sie grub tiefer, durchstieß eine Schicht aus Kastanienreis, erreichte die dunkle Kuchenmasse und hielt erst inne, als ein heißer Strom flüssiger Schokolade, durchsetzt mit dunkel glühenden Rumkirschen, ans Licht trat, sich träge den Weg talwärts bahnte und in ein sanftes Meer aus Erdbeerschaum und Schokoladensplittern mündete.

      Innige Gier ließ sie löffeln, bis alles verzehrt war. Alles? Nein! Da galt es noch einen Hauch von Zimt mit der Fingerkuppe aufzunehmen. Sie züngelte, leckte, schluckte und wusste: Zimt passte eigentlich nicht so recht dazu, doch diese kulinarische Sünde nahm der Konditor nur ihretwegen auf sich. So teilten die beiden ein kleines Geheimnis.

      Jetzt aber einkaufen! Einen sehr, sehr langen Schal, um ihre Langeweile einzuwickeln, und eine Decke aus zärtlichem Ziegenhaar, sollte es wieder einmal kalt werden neben ihrem Mann. Nein, er wollte das nicht, ließ es aber geschehen, weil er nichts davon wusste. Dann noch Wunderkerzen und Lichterketten, damit der Advent so richtig leuchtete und funkelte und sprühte. Nicht zu vergessen bunte, gläserne Engel für die Fenster, und ein Mistelzweig für die Haustür, sollte ja doch jemand auf die Idee kommen, sie zu küssen. Endlich der Weihnachtsmarkt, so viele liebe, kleine Dinge, die still dalagen, sich nicht aufdrängten, aber mitgenommen werden wollten. Es war Abend geworden, Wind kam auf, drängte sich schwarz und mürrisch zwischen die Lichter.

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      Aber es gab ja Bertis Punschhütte.

      „Wie immer?“

      „Wie immer!“

      Der heiße Becher wärmte die Hände, der Geruch von Rum, Orangen und Zimt wärmte das Gemüt. Sie trank einen kleinen Schluck, lächelte getröstet, trank noch einmal und gebot sich dann, innezuhalten. Jetzt nahm sie auch die Menschen um sich wahr: viele vertraut, aus den Jahren zuvor. Gespräche flackerten auf, verloschen in sanfter Unverbindlichkeit. Nach einer guten Weile stellte sie den leeren Becher ab.

      „Noch einen?“

      „Überredet.“

      Advent also. Wie schön. Und er? Wartete wohl nicht einmal auf sie, saß in sich ruhend da, ein glücksgeschwollener Kröterich. Irgendwie mochte sie das Bild, weil sie ihn ja auch mochte. Doch manchmal dachte sie schon daran, wie das wäre: ihm einen golden schimmernden Zapfhahn in den Leib schrauben, diese unverschämt wohlige Innerlichkeit ausrinnen lassen, auffangen, austrinken bis zur Neige und den leeren Becher lachend über die Schulter werfen.

      Ringsum löschten die Buden allmählich ihre Lichter. Höchste Zeit, auch noch einen Adventkranz zu kaufen.

      Als sie wieder vor dem Haus stand, das ihm und ihr gehörte, oder ihr und ihm, wer wusste das schon, waren alle Fenster dunkel. Sie trat leise ein, stellte Schachteln und Taschen in die Besen-kammer, wo schon sehr viele Schachteln und Taschen standen, und schloss dann im ersten Stock die Tür hinter sich. Die beiden hatten getrennte Schlafzimmer, weil er schnarchte und sie lange wach blieb. Das lag an diesen amerikanischen Fernsehserien, voller Ideen, die sie gerne selbst gehabt hätte.

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      Der Sonntag kam, dehnte sich träge, und als es Abend wurde, trug sie den Adventkranz ins Wohnzimmer.

      „Hier, mein Lieber! So wie du ihn magst: keine Bänder, kein Dekor, nur grün, mit dicken roten Kerzen.“

      „Danke, lieb von dir. Aber warum so groß?“

      „Gerade groß genug, um die Welt zu umarmen.“

      „Und wenn ich das nicht will?“

      „Wird auch die Welt nichts von dir wollen.“

      „Sehr schön.“

      Sie schwieg, weil ihr nichts Besseres einfiel.

      Er schwieg, weil alles gesagt war.

      Sie stand auf, stellte einen bunten Teller mit Weihnachtsgebäck auf den Tisch und legte eine Zündholzschachtel vor seine Hände.

      „Und jetzt bist du dran, Zeremonienmeister!“

      „Ganz wie du meinst.“

      „Recht so? Der erste Advent, die erste Kerze, Besinnung allenthalben.“ Er strich bedächtig mit dem Zeigefinger durch die Flamme.

      „Was machst du da?“

      „Ich spiele mit dem Feuer.“

      „Du wirst dir wehtun!“

      „Besser als erfrieren. Nicht wahr?“

      „Ich dreh die Heizung höher.“

      „Lass es bleiben.“

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