Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek

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      »Ich will meinen Körper in seiner natürlichen Form behalten«, erwiderte er. »Aber meine Urgroßeltern waren auch noch gegen genetische Aufwertung und heute gehört das zum Alltag. Die Gesellschaft verändert sich.«

      »Das tut sie. Und urplötzlich gehört man zum alten Eisen.« Ishida lächelte bitter.

      Das Schott rollte zur Seite und gab den Weg ins Zentrum des Interlink-Kreuzers frei.

      *

      »… werden wir gemeinsam die Herausforderung meistern.«

      Jayden atmete auf, als die Brückencrew applaudierte und sich alle nach und nach wieder ihren Konsolen widmeten. Er war kein guter Redner, doch diese war ihm scheinbar gelungen, obwohl er sie aus dem Stegreif gehalten hatte. Damit war zumindest das erste Eis zwischen ihm und seinen Offizieren gebrochen. In den folgenden Tagen würde er natürlich mit jedem ein ausführliches Gespräch führen. Aber einstweilen galt es, sein neues Schiff kennenzulernen.

      Die Kommandobrücke glich in ihrer Form einem abgeflachten Ei. Die HYPERION besaß als eines der ersten Raumschiffe einen Holotank, genau in der Mitte der Zentrale. Das Ganze sah aus, als hätte jemand einen Quader an die Decke geklebt, an dessen unterem Ende eine Tischplatte befestigt war. Das Gegenstück stand auf dem Boden. Zwischen den beiden Platten konnte ein Feld aus gerichteten Gravitations-Ebenen aufgebaut werden, in dem die entsprechenden Pixel projiziert wurden.

      Die Primärkonsolen der Senioroffiziere waren ringsherum angeordnet. Jeder von ihnen musste nur den Kopf heben, um auf den Holotank sehen zu können.

      Der Kommandosessel des Captains – und damit sein neues zweites Zuhause – stand neben dem von Commander Ishida auf einem leicht erhobenen Podest gegenüber des Brückenschotts.

      Wie Perlen einer Kette reihten sich zudem ringsum an der Wand die Sekundärstationen auf. Hier arbeiteten Wissenschaftler, Astrogatoren und Taktiker, um die Primärstationen mit Daten zu versorgen.

      »Sir, die Orbitalwerft wünscht einen guten Flug«, meldete Lieutenant Sarah McCall von der Kommunikationskonsole. Jayden fühlte bei ihrem Anblick sofort eine Art Beschützerinstinkt aufwallen. Die junge Offizierin wirkte wie ein Hundewelpe, den man ins kalte Wasser geworfen hatte.

      »Richten Sie meinen Dank aus«, sagte Jayden.

      Während McCall in ihr Headset sprach, wandte er sich an Lieutenant Peter Task, den Navigator. »Also gut, Mister Task, bringen Sie uns raus.«

      Der bullige Mann mit dem roten Stoppelhaar nickte behäbig. Nach außen wirkte es, als sei Peter Task ständig in Gedanken versunken und fände nur kurz in die Wirklichkeit zurück, um seinen Pflichten als Navigator nachzukommen.

      Neben Jayden streckte seine I.O. die Beine aus und loggte sich in ihren Kommandoaccount ein. Er tat es ihr gleich und wurde prompt mit einer Flut an Nachrichten in seinem persönlichen Speicher begrüßt. Admiral Sjöberg wünschte einen guten Flug, die Raumkontrolle sendete ihren Abschlussbericht, die Sicherheit und das Technikteam meldeten den aktuellen Status. Der »Papierkram« begann bereits vor dem Start. Mit einer Wischbewegung schob er das Nachrichteninterface zur Seite und öffnete die Dateien, die die technischen Spezifikationen des Schiffes enthielten.

      Die HYPERION beschleunigte und ließ den Mars weiter hinter sich. Der Interlink-Kreuzer brachte es auf 3700 m/s² und würde damit in etwa zehn Stunden 0,45 LG erreicht haben. An diesem Punkt wechselten gewöhnliche Schiffe in den Phasenraum, da der Fusionsfluss zur Energiegewinnung aus bisher ungeklärten Gründen bei dieser Geschwindigkeit zusammenbrach, worauf die Raumer nicht weiter beschleunigen konnten.

      Die HYPERION würde dies als erstes reguläres Raumschiff nicht tun. Natürlich hatte es bereits Testsonden und –Raumer gegeben, doch das war einfach etwas anderes. Sie waren das erste Schiff im aktiven Dienst, das den Interlink-Antrieb einsetzte.

      »Commander Ishida, kommen Sie bitte mit in meinen Bereitschaftsraum«, bat Jayden. »Commander Akoskin, Sie haben das Kommando.«

      Er gedachte, die verbleibenden Stunden auf sinnvolle Art zu nutzen und damit zugleich seine Nervosität loszuwerden. Immerhin bot der neue Antrieb noch immer etliche Risiken. Und die Gemütlichkeit von Lieutenant Task war nicht dazu angetan, ihn zu beruhigen.

      *

      Noriko betrat den Bereitschaftsraum von Captain Cross. Während ihr kommandierender Offizier hinter seinem Schreibtisch Platz nahm, sah sie sich ein wenig um. Auf die Wände wurden die Standardbilder von Wäldern und Landschaften projiziert; aus transparenten Deckenplatten leuchtete warmes Licht; der Schreibtisch war leer. Dem Raum fehlte bisher noch jede persönliche Note. Noriko roch Plastik, frisch entpackte Formmöbel und verschweißte Nähte.

      »Nehmen Sie Platz, I.O.« Captain Cross deutete auf den Besuchersessel vor seinem Schreibtisch.

      Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander. Ihr neuer Captain war ganz anders, als sie es erwartet hatte. Statt eines souveränen Alpha-Tiers hatten die Admiräle das Schiff diesem unscheinbaren Mann gegeben. Laut seiner Akte war Captain Cross 33 Jahre alt – und damit für ein solch wichtiges Kommando noch verdammt jung. Sein braunes Haar war sauber nach hinten gekämmt, die Zähne blitzten beim Lachen schneeweiß und die Gesichtszüge waren ebenmäßig. Vermutlich hatten seine Eltern eine mittlere Genskulpturierung springen lassen.

      »Wie Sie wissen, wurde unser Start vorverlegt«, begann Cross. »Das hat mir leider jede Möglichkeit genommen, die Crew vor dem Start kennenzulernen. Wie lange befinden Sie sich bereits auf der HYPERION?«

      Der Captain saß entspannt in seinem Konturensessel und blickte sie offen an. Keine Spur von Abneigung oder Vorbehalten. Doch auch ihm mussten die Gerüchte über sie zu Ohren gekommen sein. Verbarg er es nur gut? »Seit vier Wochen, Sir.«

      »Ihr bisheriger Eindruck?«

      »Bis letzte Woche war das gesamte Schiff eine einzige große Baustelle. Es wird noch einige Zeit dauern, bis alle Kinderkrankheiten beseitigt sind und die Crew sich aufeinander eingespielt hat.«

      »Das dachte ich mir. Was mich zu meinem nächsten Punkt bringt.« Cross machte einige Tippbewegungen auf der Touch-Oberfläche seines Schreibtischs, worauf mehrere Gesichter holografisch in den Raum zwischen der Decke und dem Tisch projiziert wurden. »Erzählen Sie mir etwas über meine Crew.«

      Noriko räusperte sich. »Ich hatte die Möglichkeit, mit allen ein erstes Gespräch zu führen.« Und Ihre Vorbehalte mir gegenüber deutlich zu spüren.

      Jayden berührte das Konterfei eines Mannes, das daraufhin vergrößert wurde. Das Label am unteren Rand wies ihn als Lieutenant Commander Lukas Akoskin aus.

      »Da hätten wir Ihren Waffen- und Taktikoffizier, Commander Akoskin. Er ist 26 Jahre alt und entstammt der Kolonie Comienzo. Deren Bewohner bestehen zu 80 Prozent aus den Nachkommen von Siedlern aus dem spanischen Sektor. Die Admiralität war der Meinung, dass seine Jugend kein Hindernis darstellt. Er hat bei der Ausarbeitung der neuen Waffendoktrin für den Interlink-Kreuzer mitgearbeitet. Messerscharfer Verstand, Bester seines Jahrgangs.«

      Als sie schwieg, sagte der Captain: »Die Fakten aus der Akte sind ja ganz nett, aber was halten Sie von ihm?«

      Noriko begriff, dass Cross ihr diese Frage primär stellte, um seine I.O. einschätzen zu können. Zweifellos würde er mit jedem Kommandobrückenoffizier im Verlauf der

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