Nachbarn. Nele Sickel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nachbarn - Nele Sickel страница 2

Nachbarn - Nele Sickel

Скачать книгу

dass es väterlich aussehen sollte.

      »Ihr schuldet mir was«, knurrte sie. »Ich hab das für alle getan, ihr schuldet mir was!«

      Darauf änderte sich Riks Miene. Die geduldige Herablassung verschwand und machte einem Anflug von Ärger Platz. Rik richtete sich in seinem Stuhl zu voller Größe auf. Er straffte seine Schultern, legte beide Handflächen vor sich auf der Tischplatte ab und sah Bren direkt in die Augen.

      »Du vergisst wohl, dass wir dich genau dafür bezahlen. Der Weltraum ist gefährlich, Liebes, und deshalb muss jeder, ich wiederhole: jeder, der hier oben arbeitet, auch ganz besondere Risiken eingehen. Für nichts anderes verdient ihr euch hier eine goldene Nase, von der jeder Erntehelfer unten in der guten alten Heimat nicht einmal zu träumen wagt. Wir schulden dir gar nichts, Bren. Du hast getan, wofür du bezahlt wirst. Gut gemacht! Jetzt geh nach Hause und komm zurück, wenn du wieder arbeiten kannst.«

      Bren holte tief Luft. Ihr war danach, ihren Frust herauszuschreien, doch sie war nicht dumm genug, es tatsächlich zu tun. Sie öffnete den Mund, wollte diskutieren, doch es kam nichts heraus. Die Argumente waren ausgetauscht, die Standpunkte waren klar. Und sie konnte nicht gewinnen.

      »Dein letztes Wort?«, fragte sie bloß. Anspannung und Ärger schwangen deutlich in ihrer Stimme mit.

      Rik lehnte sich zurück und nickte. »Mein letztes Wort. Es tut mir leid, dass du verletzt wurdest, Bren, aber ich bin froh, dass du getan hast, was du getan hast, und du solltest froh sein, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist. Wir sehen uns in neun Wochen.«

      Einen letzten Moment lang starrte Bren ihren Supervisor zornig an, dann drehte sie sich um und hastete durch die Bürotür nach draußen, ehe sie etwas sagen oder tun konnte, das ihre Rückkehr zum Mars gefährdet hätte. Es half nichts. Auch wenn Rik ein Arsch sein konnte, sie durfte es sich unter keinen Umständen mit ihm verscherzen. Sie brauchte diesen Job.

      Wenig später kniete Bren in ihrer Schlafnische und sammelte, so gut es ohne die rechte Hand ging, ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Etwas Unterwäsche und ihr Personal-Pad. Mehr war es nicht. Das alles verschwand in einer kompakten Umhängetasche.

      Kaum war das erledigt, rollte Bren sich auf den Rücken. Sie nestelte mit der linken Hand am Reißverschluss ihres Arbeitsoveralls und ärgerte sich darüber, wie furchtbar kompliziert ihre Verletzung selbst die einfachsten Dinge machte. Drei Anläufe brauchte sie, ehe sie den Reißverschluss ganz geöffnet hatte und damit beginnen konnte, sich ungeschickt aus den Stoffschichten zu befreien.

      Nach einer Weile fiel der Overall endlich von ihr ab. Sie öffnete ihre Schuhe und schlüpfte gänzlich aus ihrer Kleidung. Dann trat sie den Overall mit den Füßen aus der viel zu engen Schlafkoje und zog umständlich ihre Reisekleidung über. Als sie fertig war, legte Bren sich den Riemen ihrer Tasche über die Schulter und kletterte, so vorsichtig es ging, aus ihrer Nische heraus.

      Von ihrem Bett aus ging es etwa einen Meter in die Tiefe. Sie ließ die Beine über den Rand baumeln, richtete sich auf – wobei sie den Kopf einziehen musste, um aufrecht in der Nische Platz zu haben – und stieß sich ab. Die Landung war nicht graziös, aber sie gelang. Bren wandte sich um und sah noch einmal die Wand entlang und hinauf, in die mehrere hundert Schlafnischen eingelassen waren. Sie konnte von Glück sagen, dass sie eine der tieferen abbekommen hatte und jetzt nicht auf die Leiter angewiesen war.

      Glück … Na ja, was man so Glück nannte … Bren beugte sich nach unten und hob ihren Overall auf. Sie wollte ihn schon in den Wäscheschacht am Ende des Raums werfen, hielt jedoch inne. Er war zu schwer.

      Rasch ließ sie ihn wieder auf den Boden fallen und kontrollierte seine Taschen. Tatsächlich: In der linken Beintasche war noch etwas. Sie zog das Ding heraus und es entpuppte sich als handliche Laser-Hacke. Es war das Werkzeug, mit der sie auf dem Feld letzte Steine beseitigt hatte, die dem Pflug entgangen waren. Sie hätte das Ding nach Abschluss ihrer Arbeit wieder abgeben sollen, aber das war in dem Tumult dieses Tages schlicht untergegangen. Jetzt, da sie es gefunden hatte, sollte sie es zu Rik zurückbringen.

      Sollte … Bren zögerte. Sie hob den Kopf und vergewisserte sich, dass sie allein auf dem Gang war, dann ließ sie die Laser-Hacke in ihre Umhängetasche gleiten. Der Tag hatte ihr so viel Unglück eingebracht, dass sie jetzt durchaus einen kleinen Bonus einstreichen konnte. Sie musste immerhin Geld verdienen und vielleicht ließ sich auf der Erde eher jemand davon überzeugen, sie trotz ihres Arms einzustellen, wenn sie ihr eigenes Werkzeug mitbrachte. Egal wie Rik dazu stand: Wenigstens das war man ihr hier schuldig.

      Die Türen des Transport-Rovers schlossen sich zischend. Bren festigte den Griff um den Riemen ihrer Tasche und blickte hinauf zu dem Kuppeldach über ihr. Irgendwo da oben musste sie sein, die Erde. Doch die umliegenden Scheinwerfer leuchteten zu hell, um im Himmel irgendetwas anderes auszumachen als Schwärze.

      Bren richtete ihre Aufmerksamkeit auf die graue Linie, die sich einmal von links nach rechts komplett über den Himmel zog. Nach über einem Jahr des Pendelns zwischen Mars und Erde hatte sie sich immer noch nicht an den Anblick gewöhnt. Kuppeln, die aufklappen konnten, machten ihr Angst. Natürlich waren sie notwendig, das war ihr klar. Wäre die Kuppel dauerhaft verschlossen, hätte das Spaceshuttle, das nun auf sie wartete, schwerlich landen und wieder starten können.

      Trotzdem war es unheimlich.

      Langsam setzte Bren sich in Bewegung. Trockener Stein knarzte leise unter ihren Füßen. Vor ihr hatten ihre Mitreisenden bereits die Türen des Shuttles erreicht und kletterten einer nach dem anderen in sein Inneres. Bren wusste, sie sollte sich beeilen, wenn sie noch einen der unteren Schlafplätze abbekommen wollte. Dennoch behielt sie ihr Tempo bei und wandte den Kopf im Laufen nach links, wo sie das ferne Licht der ersten Stadt auf dem roten Planeten erahnen konnte. Tradition war Tradition.

      Sie schaute dem Lichtfleck entgegen und flüsterte: »Ich komme wieder. Noch drei Schichten. Dann bringe ich Cay mit und wir erobern dich!«

      Der Lichtfleck nahm ihre Worte wie immer kommentarlos entgegen. Bren lächelte. Dann wandte sie den Blick wieder nach vorn und eilte zum Shuttle.

      Ausgestreckt auf ihrer Liege in der wenig beliebten zugigen Ecke direkt neben der Toilette starrte Bren auf ihr Personal-Pad. Jeden Moment war es so weit. Sie würden endlich in Empfangsreichweite kommen. Der äußerste Deep-Space-Satellit war nicht mehr weit von ihrer Position entfernt und sobald sie nah genug herangeflogen waren, würde sie endlich wieder von Cay hören.

      Es hatte ein paar Tage gedauert, aber nun, da sie den Weg zur Erde bereits halb hinter sich gebracht hatten, hatte Bren ihre schlechte Laune abgelegt. Ja, sie waren in finanziellen Schwierigkeiten. Ja, Bren würde zusehen müssen, so schnell wie möglich einen Übergangsjob zu bekommen. Doch dafür würde sie Cay wiedersehen und ganze fünf Wochen mit ihr haben. So lange hatte Bren ihre kleine Schwester nicht mehr an einem Stück gesehen, seit sie den Job auf den Marsfeldern angenommen hatte.

      Drei kurze Pieptöne kündeten davon, dass das P-Pad Kontakt zum irdischen Mailsystem aufgenommen hatte. Aufgeregt betätigte Bren das Nachrichtensymbol auf dem Bildschirm. Dreizehn ungelesene Nachrichten. Alle von Cay. Bren grinste. Bevor sie sich aber an die Lektüre machte, schickte sie zuerst ihre eigene Nachricht ab:

      Besorg Limonade! Schmeiß sämtliche ätzenden Typen aus der Wohnung! In einer Woche bin ich zu Hause, Schwesterchen!

Скачать книгу