Mörderische Ostsee. Claudia Schmid

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Mörderische Ostsee - Claudia Schmid

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hast nicht viele Hemden dabei«, empörte sich Edelgard. »Sollen wir gleich zu Beginn einen Waschsalon aufsuchen?« Sie selbst trug eine leichte Baumwollhose und eine Bluse aus Leinen, die perfekt mit ihrer Haarfarbe harmonierte. Unmittelbar vor ihrer Reise war sie bei ihrer Friseurin gewesen und hatte sich einen neuen Haarschnitt gegönnt. Ihr kinnlanges Haar war frisch durchgestuft, was ihm deutlich mehr Fülle verlieh. Die leichten Strähnchen, die je nach Lichteinfall farblich changierten, waren ein Vorschlag von Sandra gewesen, der sie seit Jahren in diesen Dingen bedingungslos vertraute. Ein frisches Make-up, abgestimmt auf die Bedürfnisse nicht mehr ganz junger Haut, komplettierte ihren Auftritt.

      »Julian wird ja wohl eine Waschmaschine haben.«

      »Lieber Himmel! Wir wollen dem Bub nicht zur Last fallen.«

      »Weshalb dem Bub? Du wirst sie doch auch einschalten können. Oder hast du das verlernt?«

      »Papperlapapp. Ich habe Urlaub! Schon vergessen? Wo ist Julian überhaupt? Er will uns doch hier in Arlanda abholen.«

      »Ich hätte nichts gegen frische Luft einzuwenden. Lass uns nach draußen gehen. Womöglich wartet er dort auf uns.« Norberts Blick verweilte trotzdem kurz an der einladenden Theke eines Fastfood-Restaurants, das auf einem großen Plakat einen Bio-Burger anpries. »Guck, die Burger sehen richtig gut aus.«

      »Mom! Paps! Hej!«

      »Hej, Julian!« Edelgard ließ ihren Koffer stehen und umarmte ihren Sohn, der auf sie zugestürmt war.

      »Edelgard! Soll dir der Koffer wieder geklaut werden? So wie damals in Berlin, als wir deine Großtante auf diesem Kreuzfahrtschiff besuchten? Willst du nicht besser auf ihn achten?«

      Seine Frau ignorierte den Einwand und konzentrierte sich stattdessen auf ihren Sohn. »Gut siehst du aus, Julian. Ich bin so neugierig auf die Stadt. Und auf deine Wohnung! Meine Güte, ich war noch nie in Skandinavien. Das ist wirklich aufregend! Wer hätte gedacht, dass wir einmal hierherreisen?«

      Nachdem Norbert Julian, der ihn beinahe um Haupteslänge überragte, ausgiebig auf die Schulter geklopft hatte, nahm Edelgard den Griff ihres Koffers wieder auf.

      »Wir fahren mit dem Zug in die Stadt. Das ist sogar relativ preiswert. Die Station erreichen wir von hier aus zu Fuß.«

      »Verstehe. Du hattest die ganze Zeit über schon am Telefon gesagt, dass hier alles so teuer ist.« Edelgard nickte ihrem Sohn wissend zu.

      »Für Urlauber beispielsweise aus Deutschland. Für die Stockholmer nicht so sehr, die verdienen entsprechend. Was wirklich teuer ist, sind Wohnungen. Ich selbst bin richtig gut dran, weil ich von meiner Firma eine zur Verfügung gestellt bekommen habe.«

      »Auf die bin ich echt gespannt, Julian.« Edelgard strahlte ihn an.

      »Außerdem ist es toll, dass wir nicht in ein teures Hotel müssen, sondern auf deiner Gästecouch übernachten dürfen«, ergänzte Norbert.

      »Alter Geizhals. Von dem gesparten Geld können wir toll mit Julian essen gehen.«

      »Kommt, der nächste Zug fährt bald. Ich habe für euch Wochenkarten besorgt.« Julian zog zwei aufladbare Plastikkarten aus seiner Jackentasche. »Die müsst ihr bei jedem Betreten einer Station am Eingang ans Lesegerät halten.«

      Julian war ihr einziges Kind. Als er klein war, hatte Edelgard sogar ein paar Jahre auf eine eigene Berufstätigkeit verzichtet und ganz für ihre Familie gelebt. Später, als Julian aufs Gymnasium kam, hatte es sich ergeben, dass die Pfarrerin in ihrem Ort eine Sekretärin suchte. Für Edelgard war es der perfekte Job.

      Während sie ihren Sohn anhimmelte, freute sie sich wie schon so oft darüber, dass Julian vom Aussehen her nach ihrer Verwandtschaft kam und keine Ähnlichkeit mit seinem sehr rundlich gewordenen, nicht allzu hoch gewachsenen Vater aufwies. Julian war größer als seine Eltern und schlank wie seine Mutter. Sein dichtes Haar war wie Edelgards dunkelblond, die Augen braun. Ihre Schwiegermutter hatte früher wegen der mangelnden Ähnlichkeit Julians mit seinem Vater öfter spitze Bemerkungen gemacht. Als sie Norbert unverhohlen einen Vaterschaftstest empfahl, verbot ihr dieser empört, jemals wieder einen solchen Verdacht zu äußern. Auch wenn die Ehe mit Norbert aus Edelgards Sicht nicht immer ein Grund zum Jubeln war und sie früher das eine oder andere Mal tief in sich den Wunsch verspürt hatte, etwas nachzuhelfen, um endlich Witwe zu werden, so gestand sie sich inzwischen ein, dass Norbert durchaus seine guten Seiten hatte.

      Zu Edelgards Bedauern war die Schwiegermutter damals jedoch nicht lange gekränkt gewesen und setzte ihre ausgiebigen Besuche bei ihnen unverdrossen fort. Nachdem im Anschluss an Julians Konfirmation nach ihrer Abreise Julians Zahnbürste auf unerklärliche Weise verschwunden war, setzte die Schwiegermutter wenig später völlig überraschend ihren Enkel im Testament sogar als Alleinerben ein. Norbert hatte ihr bereits mehrfach vergeblich dazu geraten, um eine Generation mit der Erbschaftssteuer zu überspringen. Da er selbst als Jurist im Finanzamt tätig war, kannte er sich aus mit solchen Dingen.

      Norbert und Julian saßen ihr im Zug gegenüber. Der Vater befragte den Sohn zu seiner Arbeit bei einer großen Versicherungsgesellschaft. Aber darüber war Edelgard bereits hervorragend informiert, da sie selbst regelmäßig mit Julian telefonierte. Sie blickte aus dem Fenster, als sie durch die Vororte Stockholms fuhren. Leider hatte sie Julian zu der Zeit, als er auf Malta arbeitete, nicht besucht. Diesen Fehler wollte sie während seines Aufenthaltes in Schweden nicht wiederholen.

      Sie spürte eine Hand auf ihrem Arm.

      »Mom, wir müssen umsteigen. Wir sind an der Centralstation angekommen. Wir müssen in die grüne Linie.«

      »Grüne Linie?«

      »Jede Linie der U-Bahn hat eine andere Farbe, so kann man sie leicht auseinanderhalten. Wir müssen in Richtung ›Hässelby strand‹ fahren. Wir steigen in Bromma aus. Das ist der Vorort, in dem ich wohne.«

      Nachdem sie die S-Bahn-Haltestelle verlassen hatten, folgten sie der Straße, die zur linken Seite leicht bergauf führte. Zu ihrer Überraschung stellte Edelgard fest, dass viele Fenster der Häuser, an denen sie vorbeigingen, nicht mit Gardinen verhangen waren, so, wie sie es von zu Hause her kannte.

      »Die Fenster, ich weiß nicht. Das sieht irgendwie nackig aus. Gar nicht gemütlich.«

      »Die Schweden wollen vermutlich das wenige Licht während des dunklen Halbjahres nicht aussperren und haben deshalb keine Gardinen.«

      »Da kann doch jeder reingucken! Außerdem ist es jetzt Sommer. Da wird es doch kaum dunkel.«

      »Mom, in Schweden guckt man fremden Leuten nicht durchs Fenster in die Wohnung.«

      Edelgard schüttelte den Kopf. »Wieso denn nicht? Ich finde es großartig, im Winter spazieren zu gehen und durch Fenster in beleuchtete Wohnzimmer zu linsen. Das ist so heimelig. All die mit Lichterketten geschmückten Räume. Also wirklich! Wenn jemand nicht will, dass man bei ihm hineinguckt, muss er halt die Vorhänge zuziehen!«

      Julian lächelte nachsichtig. Die sprichwörtliche Neugierde seiner Mutter war ihm bewusst. »Die Leute hier sind eben anders. Zurückhaltender als in Deutschland. Wer sein Fenster trotzdem blickdicht machen will, kann die Jalousie herunterlassen. Dazu muss man doch keine Staubfänger aus Stoff ans Fenster hängen.«

      Norbert blieb nach ein paar Metern schwer atmend stehen.

      »Paps, soll ich deinen Koffer nehmen?« Julian wandte sich besorgt

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