Das kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun: Reclam Lektüreschlüssel XL. Wilhelm Borcherding

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Das kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun: Reclam Lektüreschlüssel XL - Wilhelm Borcherding Reclam Lektüreschlüssel XL

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»mein runder kleiner Edamer« (S. 123) nennt. Sie schätzt seinen Reichtum, der ihr das ersehnte Luxusleben ermöglicht, von dem sie immer geträumt hat. Als er sie fragt, ob sie nicht nur sein Geld, sondern auch ihn ein bisschen liebhabe, rührt sie das so sehr, dass sie zugibt, ihn wirklich ein bisschen liebzuhaben. Sie kann Wünsche werden erfülltkonsumieren, sich bedienen lassen, in einer Zimmerflucht am Kurfürstendamm wohnen und vieles mehr. Sie kann ihrer Mutter Wünsche erfüllen und ihre Schulden bei Therese begleichen. Obwohl sie sich selbst Schönheit attestiert, weiß sie nichts mit der Schönheit anzufangen und fragt sich zweimal, für wen sie eigentlich schön sei. Und so glaubt Doris wieder an ihre Karriere beim Film. Bei Alexander kann es Doris gut aushalten, auch wenn sie sich stundenlang seine Schilderungen aus Kindertagen anhören muss. Sie fasst ihre augenblickliche Stimmung so zusammen: »So ein Leben, so ein Leben.« (S. 125) So hat sie es sich seit dem Beginn der Niederschrift ihres ›Drehbuches‹ schon immer vorgestellt.

      Obwohl Doris weiß, dass sie nur vorübergehend Alexanders Geliebte sein kann, genießt sie es, ein Glanz zu sein. Sie kann es sich leisten, mit dem Taxi durch Berlin zu fahren. Dabei nimmt sie die Straßen wie durch eine Filmkamera wahr. So, stellt sie sich vor, muss es sein, wenn sie in einem Film der Wochenschau vorkommt. Eines Tages kehrt Alexanders Frau unerwartet zurück, und Doris muss die Wohnung verlassen. Alexander, so erfährt sie, ist verhaftet worden. Doris steht Doris verliert ihren Glanz wieder auf der Straße.

      Tillis Mann Albert ist mittlerweile nach Berlin zurückgekehrt; er hat in Essen gearbeitet und ist nun arbeitslos. Doris kann dennoch für ein paar Tage bei ihnen wohnen, bis sich Albert zu sehr für sie zu interessieren beginnt. Um Konflikte mit Tilli zu vermeiden und auch aus Entsetzen darüber, dass Hulla, eine der Prostituierten im Haus, aus Angst vor dem Zuhälter Rannowsky aus dem Fenster gesprungen ist, verlässt sie die Wohnung und mietet sich ein möbliertes Zimmer. Doris beginnt zu begreifen, dass die Verwirklichung ihres Lebensentwurfes in weite Ferne gerückt ist. Resigniert überlegt sie, ob sie sich durch die Beziehung zu einem Mann über Wasser halten, es noch einmal beim Film versuchen oder als Bardame arbeiten soll. Sie entscheidet sich für Ersteres und zieht zu Lippi Wiesel, den sie zwar auch nicht liebt, aber der ihr das Alleinsein erspart. Es plagt sie nicht nur das Heimweh, sondern auch die Sehnsucht nach einem Ort, an dem sie sich wirklich zu Hause fühlen kann. Wieder stellt sie sich die Frage, was sie in ihrem Leben falsch macht, warum es ihr nicht gelingt, einen Mann zu finden und mit ihm glücklich zu werden. Als Lippi am Heiligabend ihre Vorstellungen von einem gemeinsamen Weihnachtsfest nicht erfüllt, sondern sie angetrunken sexuell bedrängt, packt sie ihren Koffer, verlässt seine Wohnung und übernachtet im Tiergarten auf einer Parkbank.

      Dritter Teil: Sehr viel Winter und ein Wartesaal (S. 143–219)

      Doris verbringt in den nächsten Tagen einen Großteil ihrer Zeit im Wartesaal des Bahnhofs Zoo. Sie weiß genau, was sie nicht will, aber fragt sich andererseits, was sie will. Damit wird deutlich, dass sie rat- und orientierungslos ist. Sie findet kaum noch Gefallen an ihrer Vorstellung, ein Glanz zu werden. Auch Gespräche über Erotik langweilen sie oder ekeln sie an. Von den Männern wird sie häufiger für eine Prostituierte gehalten, was sie weit von sich weist. Doris ist an einem Am Tiefpunkt Tiefpunkt angekommen.

      Im Wartesaal lernt sie den arbeitslosen Karl Karl kennen. Er wohnt in einer Laubenkolonie und hält sich mit Gelegenheitsarbeiten und dem Verkauf von selbst angebautem Gemüse über Wasser. Er bietet ihr an, mit ihm zusammenzuarbeiten, damit sie nicht – wie sehr viele andere Frauen – auf der Straße ihr Geld verdienen muss. Als Karl später noch einmal nachfragt, weist sie erneut sein Angebot zurück, da sie noch Ehrgeiz habe. Silvester 1931 scheint Doris völlig am Ende zu sein. Sie beschließt, in Zukunft Blumen zu verkaufen, um ihr Überleben zu sichern. Dafür muss sie erst einmal über Geld verfügen, mit dem sie die Blumen erwerben kann, die sie später teurer verkaufen will. Sie ist bereit, ihr Startkapital durch den einmaligen Einsatz ihres Körpers zu verdienen.

      In den Morgenstunden des Neujahrstages 1932 lernt Doris einen Mann ( Herr Ernst Herrn Ernst) kennen, dessen Frau mit einem anderen durchgebrannt ist. Auf seine Frage, ob sie mitkommen will, antwortet Doris ohne zu zögern mit einem »Ja« (S. 153). Sie hofft, von ihm das benötigte Geld zu bekommen. Gemeinsam fahren sie mit dem Omnibus zur Wohnung des Mannes. Doris weicht einer Unterhaltung mit ihm aus, weil sie ihn unsympathisch findet. Er schlägt ihr vor, erst einmal schlafen zu gehen. Im Badezimmer betrachtet sich Doris im Spiegel und ist so entsetzt über ihr neuerdings erbärmliches Aussehen, dass sie Zweifel daran hegt, noch ein Glanz werden zu können. Die Neue Hoffnungen Aussicht, zehn Mark verdienen zu können, lässt Doris ins Wohnzimmer zurückkehren, wo der Mann ein Bett für sie vorbereitet hat. Als sie ihn auf ihre Müdigkeit hinweist, verschwindet der Mann im Schlafzimmer. Doris ist zwar überrascht, aber zu müde, um sich weitere Gedanken zu machen. Sie fällt in einen langen Tiefschlaf.

      Als sie wieder erwacht, trifft der Mann Vorbereitungen, um zur Arbeit zu gehen. Er weist Doris darauf hin, dass er ihr Kaffee gekocht hat und dass sie sich in der Speisekammer bedienen soll. Nachdem er zurückgekehrt ist, erfährt Doris, dass er Werbezeichner und 37 Jahre alt ist und sich vor dem Alleinsein fürchtet. Die nächsten Tage verlaufen nahezu gleich. Doris schläft sich weiter aus, während der Mann die Wohnung in Ordnung hält, Essen besorgt und seiner Arbeit nachgeht. Seine fürsorgliche und andauernd freundliche Art irritiert Doris, so dass sie sich schon fragt, ob sie ihm nicht attraktiv genug ist.

      Doris bleibt weiter in der Wohnung. Sie Zunehmendes Vertrauen unterhalten sich viel über seine Frau, weil der Mann sie nach wie vor liebt und sich häufig wehmütig an die gemeinsame Vergangenheit erinnert. Doris beginnt sich nützlich zu machen. Sie kauft ein, bereitet das Essen zu und hält die Wohnung in Ordnung. Es geht ihr langsam besser, auch wenn sie sich noch nicht nähergekommen sind.

      Sie will ihm ihre Aufzeichnungen zum Lesen geben, damit er sie besser kennenlernen kann. Während er Doris’ Drehbuch liest, ergreift sie eine innere Unruhe. Sie überlegt angespannt, wie er auf ihre Erfahrungen und Geständnisse reagieren wird. Doch sie hat sich vergebens aufgeregt. Er antwortet auf ihre Bemerkungen lediglich mit dem nüchternen Vorschlag, den wertvollen Pelzmantel zurückzuschicken, damit sie ihre Papiere bekommt und sich Arbeit suchen kann. Sie lehnt den Vorschlag vehement ab, da der Pelz mit ihrer Persönlichkeit ›verwachsen‹ sei. Er gibt ihr das Gefühl, dass er sie nicht nur schützt, sondern ihr auch die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen sichert. Doris begründet ihre Weigerung, sich eine Arbeit zu suchen, mit den Rückschlüssen, die sie aus Thereses Erfahrungen gezogen hat. Sie will von niemandem abhängig sein und sie will nicht immer in Sorge sein müssen, entlassen zu werden. Die Einwände und das gute Zureden von Herrn Ernst prallen an ihr ab. Sie will nicht arbeiten, den Pelz will sie weiterhin für sich behalten.

      Nach und nach richten sich Doris und Herr Ernst in ihrem gemeinsamen Leben ein. Doris gelangt immer mehr zu der Überzeugung, dass sie ihn sogar lieben könnte, wobei es sie allerdings stört, dass er nach wie vor viel von seiner Frau erzählt und zu wenig Interesse für Doris zeigt. Nach einer gewissen Zeit kann sich Doris sogar an die Vorstellung gewöhnen, nicht mehr allein zu schlafen. Sie will ihm dieses Annäherungsversuche Angebot notfalls unterbreiten, damit sie nicht arbeiten muss. Sie geht davon aus, dass sie durch Arbeit nicht weiterkommt, weil es ihr an entsprechender Bildung mangelt. Sie ist sicher, dass sie immer auf einen Mann angewiesen sein wird, wenn sie sich etwas Kleidsames oder Schönes kaufen will. Dabei gehen ihr dann wieder die Risiken und Chancen durch den Sinn, die die Prostitution mit sich bringt. Da sie bei Herrn Ernst keine erotischen Ambitionen wahrnimmt, glaubt sie schließlich, dass sie »häßlich« (S. 186) sei. Doch die gierigen Blicke der anderen Männer und deren Annäherungsversuche lassen Doris zu anderen Rückschlüssen gelangen.

      Dann bringt der Briefträger einen an Herrn Ernst adressierten, handgeschriebenen Hannes Brief an ihren Mann Brief, der bei Doris Verdacht erregt. Sie öffnet ihn und liest den Inhalt. Es handelt sich um einen langen Brief von Hanne, Herrn Ernsts Ehefrau. Sie bittet ihn darin um Verzeihung und deutet vorsichtig ihre Bereitschaft zur Rückkehr an. Doris versteckt den Brief und bekundet in einem Selbstgespräch ihre Absicht, bei Herrn Ernst zu bleiben und

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