Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles страница 94
Wir haben nun zu sehen, wie das Nothwendige sich verhält. Offenbar nicht so, wie die bisherigen Bestimmungen; sondern hier tauschen sich die Gegentheile aus und die einander widersprechenden Bestimmungen nicht. Denn von dem Nothwendig nicht – sein ist die Verneinung nicht: Nicht-nothwendig sein, da beides für denselben Gegenstand wahr sein kann; denn was nothwendig nicht-ist, muss auch nicht-nothwendig sein.
Der Grund, weshalb bei dem Nothwendigen das Austauschen sich nicht ebenso, wie bei den vorigen Bestimmungen vollzieht, ist, weil das Unmögliche dem Nothwendigen entgegengestellt wird, obgleich sie beide ein Nothwendiges bezeichnen; denn wenn etwas unmöglich ist, so ist nothwendig, zwar nicht, dass es ist, aber nothwendig, dass es nicht-ist und wenn von etwas unmöglich ist, dass es nicht-ist, so muss es nothwendig sein. Wenn also bei den vorigen Bestimmungen sowohl für das Mögliche, wie das Nicht-mögliche die also austauschbaren Bestimmungen sich in gleicher Weise ergaben, so tauschen sich hier die entgegengesetzten Bestimmungen aus, weil das Nothwendige und das Unmögliche nicht dasselbe bedeuten, aber wie gesagt, wenn sie entgegengesetzt ausgedrückt werden, sich austauschen lassen.
Oder sollte es etwa unmöglich sein, dass die Verneinung des Nothwendigen sich so verhalte? Denn es muss ja das Nothwendige auch möglich sein; denn wenn dies nicht der Fall wäre, so müsste die Verneinung des Möglichen sich mit dem Nothwendigen austauschen, da entweder die Bejahung oder die Verneinung des Möglichen sich mit dem Nothwendigen austauschen muss. Dann wäre also das Nothwendige nicht – möglich, also unmöglich. Allein dass das Nothwendige nicht-möglich sei, ist widersinnig. Nun tauscht sich aber das Möglich sein mit dem Nicht-unmöglich sein aus und mit diesem das Nicht-nothwendig sein und somit ergäbe sich, dass das Nothwendig sein nicht nothwendig wäre, was widersinnig ist. Indess tauscht sich weder das Nothwendig-sein noch das Nothwendig nicht-sein mit dem Möglich-sein aus; denn bei dem Möglichen ist beides, das Sein und das Nicht-sein statthaft; aber wenn das eine z.B. das Sein bei einem von jenen beiden wahr ist, so kann es nicht auch das andere z.B. das Nicht-sein sein. Das Mögliche kann nämlich sowohl sein, wie nicht-sein; wenn aber Etwas nothwendig sein oder nicht – sein muss, so kann es nicht dies beides sein. Sonach bleibt also nur übrig, dass das: Nicht-nothwendig nicht-sein sich mit dem Möglich-sein austauscht, denn dies Austauschen mit dem Möglichen ist auch für das Nothwendig-sein richtig. Diese Bestimmung: Nicht-nothwendig nicht-sein ist auch der Gegensatz zu dem Nothwendig nicht-sein, welcher sich mit dem Nicht-möglich sein austauscht; den mit dem Nicht-möglich sein tauscht sich das Unmöglich-sein und das Nothwendig nicht-sein aus, dessen Verneinung das Nicht-nothwendig nicht-sein ist. Hiernach tauschen sich also diese Gegensätze in der angegebenen Weise aus und wenn sie so gestellt werden, ergiebt sich nichts unmögliches.
Man könnte vielleicht zweifeln, ob das Nothwendig sein sich mit dem Möglich sein austausche; allein wenn dies nicht der Fall wäre, so würde die Verneinung, also das Nicht-mögliche sich mit dem Nothwendigen austauschen; und wenn man dies nicht als die Verneinung von Nothwendig-sein gelten lassen wollte, so müsste man das Möglich nicht-sein als die Verneinung von Nothwendig-sein anerkennen; allein beides sind falsche Gegensätze von Nothwendig sein. Indess scheint doch wieder bei ein und demselben Gegenstande als möglich, dass er geschnitten und nicht geschnitten werde und dass er ist und nicht-ist, so dass mithin das Nothwendig sein, wenn es sich mit dem Möglich-sein austauschte, auch fähig wäre nicht zu sein, was doch falsch ist. Es ist demnach klar, dass nicht alles Mögliche sein und gehen auch nicht sein und nicht gehen kann, sondern es giebt Mögliches, wo dies nicht richtig ist. Zunächst gehören hierher die Gegenstände, deren Vermögen kein Vernünftiges ist; so ist z.B. das Feuer vermögend zu erwärmen, aber sein Vermögen ist unvernünftig. Die vernünftigen Vermögen sind dagegen zu Mehrerern und zu dem Entgegengesetzten vermögend; von den unvernünftigen aber nicht alle, sondern das Feuer z.B. ist, wie gesagt, nicht vermögend zu wärmen und auch nicht zu wärmen und eben dies gilt von allen Anderm, was immer wirkend ist. Indess kann auch Einiges mit unvernünftigem Vermögen das Entgegengesetzte erfassen. Dies wird indess nur deshalb hier bemerkt, weil nicht jedes Vermögen das Entgegengesetzte bewirken kann, selbst wenn sie auch zu derselben Art gehören.
Manche Vermögen sind jedoch zweideutiger Natur und das Mögliche hat nicht immer dieselbe Bedeutung. Manches heisst so, weil es wirklich und thätig ist; so ist bei Jemand das Gehen möglich, weil er geht und überhaupt heisst etwas möglich, weil es schon wirklich das ist, wozu es möglich genannt wird; anderes nennt man so, weil es in Wirklichkeit treten könnte; so nennt man bei Jemand das Gehen möglich, weil er gehen könnte. Diese letztere Möglichkeit kommt nur bei den veränderlichen Dingen vor; jene dagegen bei den unveränderlichen. Für beide Fälle, sowohl wenn Jemand geht und thätig ist, als wenn er blos fähig ist zu gehen, kann man in Wahrheit sagen, dass das gehen oder sein nicht unmöglich sei. Die letztere Art von Möglichkeit kann man dem schlechthin Notwendigen nicht beilegen, wohl aber die andere. So wie nun dem Besonderen das Allgemeine zukommt, so kommt auch dem Nothwendigen das Mögliche zu; indess gilt dies nicht allgemein. Auch ist wohl das Nothwendige und das Nicht-Nothwendige der Anfang von allem Sein und Nicht-Sein und man muss deshalb das Uebrige als diesem Nothwendigen und Nicht-nothwendigen folgend ansehen.
Es ist somit nach dem Gesagten klar, dass das Nothwendig-Seiende es in Bezug auf seine Wirklichkeit ist und wenn die ewigen Dinge die früheren sind, so ist auch die Wirklichkeit früher als die Möglichkeit. Manches ist wirklich, ohne die Möglichkeit, wie die höchsten und obersten Dinge; anderes ist wirklich und auch möglich, wie das von Natur Frühere, aber der Zeit nach Spätere; Anderes endlich ist niemals wirklich, sondern blos möglich.
Vierzehntes Kapitel
Es fragt sich, ob die Bejahung das Gegentheil der Verneinung sei, oder ob eine andere Bejahung das Gegentheil der Bejahung sei, und ob die Aussage, dass jeder Mensch gerecht ist, das Gegentheil sei von der Aussage, dass kein Mensch gerecht ist; oder ob die Aussage, dass jeder Mensch gerecht ist, das Gegentheil von der sei, dass jeder Mensch ungerecht ist; wie z.B. Kallias ist gerecht; Nicht-Kallias ist gerecht – Kallias ist ungerecht.
Wenn nun die gesprochenen Worte den Gedanken folgen und die Vorstellungen, welche das Gegentheilige vorstellen, selbst gegentheilig wären, wenn z.B. das: Jeder Mensch ist gerecht, das Gegentheil wäre von: Jeder Mensch ist ungerecht, so müsste es auch bei den ausgesprochenen Bejahungen sich so verhalten. Wenn aber hier die Vorstellung des Gegentheiligen nicht selbst gegentheilig ist, so wird auch die Bejahung nicht das Gegentheil der andern Bejahung sein, sondern das Gegentheil derselben ist dann die erwähnte Verneinung.
Man muss deshalb untersuchen, welche falsche Vorstellung das Gegentheil von der wahren ist, ob dies die Vorstellung der Verneinung ist oder die Vorstellung des gegentheilig-Seienden. Ich meine dies so: Die Vorstellung vom Guten, dass es gut ist, ist wahr und die andere dass es nicht gut ist, ist falsch; eine dritte Vorstellung ist die, dass es schlecht ist. Welche von diesen beiden letzteren ist nun das Gegentheil von der wahren Vorstellung? und wenn nur eine von ihnen die gegentheilige ist, in Bezug auf was ist sie die gegentheilige?
Wenn man nun meint, dass man die gegentheiligen Vorstellungen dadurch kennzeichnen könne, dass sie die Vorstellungen des gegentheiligen Seienden seien, so ist dies falsch; denn die Vorstellung des Guten, dass es gut ist und die Vorstellung des Schlechten, dass es schlecht ist, sind wohl beide dieselben und wahren Vorstellungen, mögen sie nun mehrere oder nur eine Vorstellung sein, und doch sind das Gute und das Schlechte Gegentheile. Die