Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz

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Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz

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wußte er es nicht, aber er hatte gehört, daß von Ragneta, einer Burg, die Rede war, welche nicht fern von der litauischen oder samogitischen Grenze liegt.«

      »Und was sagte Macko dazu?«

      »Am Morgen, nachdem Herr Macko dies vernommen hatte, sagte er zu mir: ›Wenn dem so ist, werden wir sie vielleicht finden; doch ich muß unverzüglich zu Zbyszko eilen, damit sie ihn nicht in eine Falle locken, wie sie Jurand in eine Falle gelockt haben. Sofern sie sagen, sie wollten ihm Danusia ausliefern, falls er selbst komme, wird er es thun, und dann wird der alte Zygfryd um Rotgiers willen Rache an ihm nehmen, eine so furchtbare Rache, wie kein menschliches Auge sie noch erschaut hat.‹«

      »Das ist wahr! Das ist wahr!« rief Jagienka ängstlich aus. »Wenn er sich darum sputete, fortzukommen, so hat er wohl daran gethan.«

      Nach einer Weile fügte sie hinzu: »Darin nur hat er einen Irrtum begangen, daß er Euch hierhergeschickt hat. Wozu brauchen wir hier in Spychow Schutz? Der alte Tolima wird uns schützen, und Ihr könntet Zbyszko von Nutzen sein, denn Ihr seid stark und klug.«

      »Und wer wird Euch nach Zgorzelic geleiten, wenn es nötig sein sollte, gnädige Herrin?«

      »Wenn es nötig sein sollte, mögt Ihr vor ihnen hierherkommen. Durch irgend jemand müssen sie Kunde schicken, laßt Euch dann schicken und geleitet uns nach Zgorzelic.«

      Der Böhme küßte ihr die Hand und fragte in bewegtem Tone: »Und während dieser Zeit werdet Ihr hier bleiben?«

      »Gott wacht über die Waisen! Wir bleiben hier.«

      »Und werdet Ihr Euch nicht allzusehr härmen? Was wollt Ihr thun?«

      »Unsern Herrn Jesus bitten, er möge Zbyszko wieder glücklich machen und Euch alle gesund erhalten!«

      Bei diesen Worten brach sie in lautes Weinen aus.

      Und der Knappe beugte abermals die Knie vor ihr: »Einem Engel im Himmel bist Du zu vergleichen,« sagte er.

      Siebentes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Aber sie trocknete ihre Thränen und forderte den Böhmen auf, ihr zu Jurand zu folgen und ihm die neue Kunde mitzuteilen. Sie trafen ihn in einer großen Stube, wo er aufrecht dasaß; Pater Kaleb, Anielka und der alte Tolima befanden sich bei ihm, eine zahme Wölfin lagerte zu seinen Füßen. Der Meßmer des Ortes, welcher zugleich Psalmist war, spielte auf der Laute und trug ihnen Gesänge von den ehemaligen Kämpfen Jurands mit den Kreuzrittern vor, und, den Kopf in die Hand gestützt, lauschten alle, in tiefe Betrachtungen und Trauer versenkt. Das Gemach war hell vom Monde beleuchtet. Einem beinahe schwülen Tage war ein stiller, warmer Abend gefolgt, die Fenster standen offen und im Scheine des Mondes waren die in der Stube umherschwirrenden Maikäfer zu sehen, welche von den Lindenbäumen draußen hereinkamen. Auf dem Herde glimmten noch einige Holzscheite, auf denen ein Knecht einen aus Honig, stärkendem Wein und duftenden Kräutern gemischten Trank wärmte.

      Der Psalmist, oder vielmehr der Meßmer und Diener des Pater Kaleb, stimmte gerade einen neuen Gesang an von einem siegreichen Treffen: »Es reitet Jurand, er reitet dahin, unter ihm sein braunes Roß«, als Jagienka eintrat und sagte: »Gelobt sei Jesus Christus!«

      »Von Ewigkeit zu Ewigkeit!« antwortete Pater Kaleb.

      Jurand saß auf einer Bank, die Arme auf die Lehne gestützt; als er Jagienkas Stimme hörte, wendete er sich sogleich zu ihr und grüßte sie mit einem Neigen seines Hauptes, das ganz weiß geworden war.

      »Zbyszkos Knappe ist von Szczytno zurückgekehrt,« begann das Mägdlein, »und neue Kunde bringt er von dem Kaplane. Macko wird nicht hierher zurückkehren, zu Knäs Witold hat er sich aufgemacht.«

      »Wie, er wird nicht zurückkehren?« fragte Pater Kaleb.

      Nun erzählte sie alles, was sie aus Hlawas Munde vernommen hatte.

      Sie erzählte von Zygfryd, wie er sich für den Tod Rotgiers rächte, von Danusia, welche der alte Komtur zu Rotgier bringen wollte, damit dieser das Blut der Unschuldigen trinke, und davon, wie Jurands Tochter unerwarteterweise durch den Henker beschützt worden war. Sie verschwieg auch nicht, daß Macko jetzt die Hoffnung hege, im Verein mit Zbyszko könne er Danusia finden, sie befreien und nach Spychow bringen. Aus diesem Grunde habe er sich sofort zu Zbyszko begeben und ihnen befohlen, in Spychow zu bleiben.

      Während sie sprach, bebte ihre Stimme wie vor Traurigkeit und Kummer, und als sie geendigt hatte, herrschte eine Weile tiefes Schweigen in dem Gemache. Nur in den Lindenbäumen draußen im Hofe erscholl der Schlag der Nachtigallen, der durch die offenen Fenster in die Stube drang und sie mit süßem Klang erfüllte.

      Aller Augen richteten sich auf Jurand, der mit gesenkten Lidern und gebeugtem Haupte dasaß und nicht das geringste Lebenszeichen von sich gab.

      »Habt Ihr gehört?« fragte ihn schließlich Pater Kaleb.

      Und er senkte den Kopf noch tiefer herab, erhob den linken Arm und deutete mit der Hand gen Himmel.

      Das Licht des Mondes fiel auf sein Gesicht, auf seine weißen Haare, seine geschlossenen Augenlider, und aus diesem Gesichte sprach ein solches Martyrium, doch zugleich auch solch eine unendliche Ergebung in den Willen Gottes, daß allen dünkte, sie sähen nur eine von irdischen Banden befreite Seele vor sich, welche sich jetzt und für immer vom Leben losgelöst hatte, nichts mehr erwartete und nichts mehr erhoffte.

      Wieder folgte tiefes Schweigen und wieder war nichts zu hören, als der Gesang der Nachtigallen, der den Hof und das Gemach erfüllte.

      Da überkam Jagienka plötzlich großes Mitleid, etwas wie kindliche Liebe rührte sich in ihrem Herzen für den unglücklichen alten Mann, und unwillkürlich ihrem Impulse folgend, eilte sie auf ihn zu, ergriff seine Hand, küßte sie und benetzte sie mit ihren Thränen.

      »Ich bin eine Waise!« rief sie aus der Tiefe ihres überströmenden Herzens, »ich bin kein Jüngling, sondern Jagienka aus Zgorzelic. Macko hat mich mitgenommen, um mich vor schlechten Menschen zu schützen, aber nun bleibe ich bei Euch, bis Gott Danusia zu Euch zurückführt.«

      Jurand zeigte nicht die geringste Verwunderung, gerade wie wenn er geahnt hätte, daß er ein Mägdlein vor sich habe, er zog sie an seine Brust, während sie, unaufhörlich seine Hand küssend, in abgebrochenen Lauten mit thränenerfüllter Stimme fortfuhr: »Ich bleibe bei Euch, und Danusia wird zurückkehren. Dann werde ich nach Zgorzelic gehen … Gott wacht über die Waisen! – Mir haben die Räuber den Vater erschlagen, aber Euer Liebling ist am Leben und kehrt zurück. Gebe dies Gott der Allbarmherzige, gebe dies die heilige Gottesmutter, die Erbarmungsreiche!«

      Nun kniete Pater Kaleb nieder und rief in feierlichem Tone: » Kyrie eleison!«

      » Christe eleison!« antworteten der Böhme und Tolima im Verein.

      Alle warfen sich auf die Knie nieder, denn alle sagten sich, diese Litanei werde nicht beim Herannahen des Todes, sondern zur Errettung geliebter Wesen aus Todesgefahr gesprochen. Auch Jagienka kniete nieder, Jurand glitt von der Bank herab auf die Knie und im Chore riefen sie: » Kyrie eleison! Christe eleison! Gott, Vater vom Himmel – erbarme Dich unser. Gott, Sohn, Erlöser der Welt – erbarme Dich unser!«

      Die

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