Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz

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Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz

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So hielt er denn schließlich sein Pferd an und sagte: »Hier ist unsere Grenze, und Ihr habt nun nicht mehr weit in Eure Heimat. Ihr seid frei, zieht dahin! Wenn Dich das eigene Gewissen nicht verdammt, wenn unser Herrgott Dich nicht durch einen Donnerschlag darniederschmettern läßt, dann ist’s gut, denn von den Menschen hast Du nichts mehr zu fürchten.«

      So sprechend, wendete Tolima sein Roß, während Zygfryd ohne ein Wort der Erwiderung, gerade als ob er nichts gehört habe, den Weg fortsetzte und dabei so starr aussah, daß er einem Bilde von Stein glich.

      Und weiter und weiter ritt er auf dem allmählich breiter gewordenen Pfade dahin. Die Pause, die in dem Sturme eingetreten war, hielt jedoch nicht lange an, die lichten Wölkchen an dem Firmamente verschwanden bald wieder. Aufs neue wurde es so finster, daß man hätte glauben können, die ganze Welt sei in Dunkelheit gehüllt. Die Wolken wurden schwerer und schwerer und senkten sich nahezu auf den Wald herab. Aus der Höhe aber ertönte ein dumpfes Getöse, das teils wie ein unheilverkündendes Zischen, teils wie das Grollen eines nahenden, von dem Engel des Sturmes mit Gewalt zurückgehaltenen Ungewitters klang. In immer kürzeren Zwischenräumen fuhren zackige Blitze am Himmel dahin, und wenn sie die erschreckte Erde erhellten, dann wurde ein einsamer Reiter sichtbar, welcher den breiten, zwei dichte Wälder trennenden Pfad verfolgte. Von Fieber verzehrt, befand sich Zygfryd nicht mehr recht bei Bewußtsein. Seit Rotgiers Tod fraß ihm ein nagender Kummer am Herzen, die Missethaten, welche er aus Rache begangen, die Gewissensbisse darüber, die entsetzlichen Gesichte, die Seelenqualen hatten seinen Geist seit geraumer Zeit in solcher Weise gestört, daß er nur mit Aufbietung all seiner Kräfte den Wahnsinn von sich fern hielt, ja, daß er zeitweise demselben völlig verfiel. Nun waren auch noch die Beschwerden der unter Hlawas strenger Hand zurückgelegten Reise, die in dem Kerker von Spychow verbrachte Nacht, die Ungewißheit über sein Geschick, vor allem aber jene unerhörte, fast übermenschliche und deshalb ihn geradezu erschreckende That von Barmherzigkeit und Mitleid hinzugekommen – was Wunder also, daß dies zusammen ihn ins tiefste Innere traf? Häufig verwirrten sich seine Gedanken in solchem Maße, daß er nicht mehr wußte, was mit ihm vorging, sobald sich indessen das Fieber steigerte, regte sich in ihm ein unbestimmtes Gefühl von Verzweiflung, das Ahnen einer Gefahr, des vollständigen Unterganges – die Empfindung, daß nun alles vorüber, verloren, zu Ende sei, daß er die ihm gesteckte Grenze erreicht habe, und daß er einem Abgrunde zugetrieben werde, dem er nicht mehr entrinnen konnte.

      »Vorwärts, vorwärts!« flüsterte ihm plötzlich eine seltsame Stimme ins Ohr.

      Und er blickte umher, und er erschaute den Tod. Der bleiche Knochenmann aber, der auf dem Gerippe eines Pferdes saß, kam, mit den Gebeinen klappernd, dicht zu ihm heran.

      »Bist Du es?« fragte der Komtur.

      »Ich bin es. Vorwärts! Vorwärts!«

      In diesem Augenblick war es Zygfryd, als ob sich ihm auf der andern Seite ein zweiter Gefährte zugesellt habe. Steigbügel an Steigbügel mit ihm ritt irgend ein Wesen, das wohl einen menschenähnlichen Körper aber kein menschliches Gesicht besaß, denn das Geschöpf hatte einen Tierkopf, dessen lange, spitze, aufrechtstehende Ohren mit schwarzen, rauhen Haaren bedeckt waren.

      »Wer bist Du?« schrie Zygfryd auf.

      Doch der neue Begleiter erteilte keine Antwort, sondern knurrte, die Zähne fletschend, wild und drohend.

      Unwillkürlich schloß der Kreuzritter die Augen, da ward abermals ein lautes Geklapper hörbar und eine Stimme rief ihm deutlich zu: »Es ist Zeit, es ist Zeit! Beeile Dich! Vorwärts!« – Und Zygfryd antwortete: »Ich komme!«

      Doch diese Antwort entrang sich seiner Brust, als ob sie ihm von jemand anderm eingeflüstert worden sei.

      Dann stieg er, wie von einer unbezwinglichen äußeren Gewalt getrieben, von seinem Rosse und nahm diesem den bei den Rittern gebräuchlichen hohen Sattel, sowie die Zügel ab. Seine Begleiter glitten nun auch langsam von ihren Pferden. Sich dicht an seine Fersen haltend, geleiteten sie ihn hierauf von der Mitte des Weges an den Waldessaum. Dort bog der fürchterliche Vampyr einen Ast herab und half dem Komtur die Riemen der Zügel daran zu befestigen.

      »Beeile Dich!« flüsterte der Tod.

      »Beeile Dich!« flüsterten verschiedene Stimmen aus den Wipfeln der Bäume herab.

      Wie in einem Traume befangen, zog Zygfryd den zweiten Riemen durch die Schnalle, machte eine Schlinge und legte dieselbe, sich auf den unter den Bäumen befindlichen Sattel stellend, um seinen Hals.

      »Stoße den Sattel hinweg! So ist’s recht! A-a-ah!«

      Der mit dem Fuße fortgestoßene Sattel rollte einige Schritt weit – der Körper des unglückseligen Kreuzritters aber hing schwer herab.

      Einige Sekunden dünkte es dem Komtur, er höre ein halb ersticktes, heiseres Geheul, ihm schien, jener grauenhafte Vampyr stürze sich auf ihn und reiße mit den Zähnen seine Brust auf, um ihm das Herz zu zerfleischen. Gleich darauf erschauten jedoch seine fast schon gebrochenen Augen etwas ganz anderes: der Tod löste sich gleichsam in eine weiße Wolke auf, die auf ihn zuschwebte, ihn umgab, umfaßte, einhüllte und schließlich all das Schreckenerregende mit einem undurchdringlichen Schleier bedeckte.

      Jetzt mit einem Male brach der Sturm mit erneuter Gewalt los. Blitze fuhren darnieder, ein Donnerschlag folgte dem andern, die Bäume des Waldes bogen sich unter dem Wirbelwinde, das Heulen, das Sausen, das Gezische des Unwetters, das Krachen der berstenden Stämme, der geknickten Aeste, all dies Getöse erfüllte den ganzen Wald. Dichte, vom Winde gepeitschte Regengüsse verminderten die Helle noch mehr, und nur wenn ein blutigroter Blitz ausleuchtete, wurde der vom Sturme wild hin und her bewegte Leichnam Zygfryds sichtbar.

      – – – – – –

      Am nächsten Morgen zog eine namhafte Schar den gleichen Weg entlang. An ihrer Spitze ritt Jagienka mit der Tochter der Sieciechowa und mit dem Böhmen, hinter ihr kamen die Wagen, von vier mit Schwertern und Bogen bewaffneten Knechten bewacht. Selbst ein jeder der Wagenlenker hatte einen Speer und eine Streitaxt neben sich, ganz abgesehen von den eisernen Heugabeln und andern für eine solche Fahrt tauglichen Waffen. Derartige Vorsichtsmaßregeln waren durchaus nötig, sowohl zum Schutze vor wilden Tieren, wie auch zur Verteidigung gegen die Räuberbanden, welche sich beständig an der Grenze des Ordenslandes umhertrieben, ein Unwesen, gegen das Jagiello bei dem Großmeister nicht nur in Briefen, sondern auch bei einer persönlichen Zusammenkunft in Naciaz ernstliche Beschwerde eingelegt hatte.

      Mit tüchtigen, wohlausgerüsteten Mannen konnte man indessen getrost der Gefahr trotzen, und so zog denn auch die Schar voll Selbstvertrauen und furchtlos dahin. Nach dem Sturme war ein herrlicher, prächtiger Tag angebrochen, so licht und klar, daß an schattenlosen Stellen die Augen der Reisenden von der glänzenden Helle geblendet wurden. Kein Blatt rührte sich an den Zweigen, auf allen Blättern aber hingen große Regentropfen, die, von der Sonne bestrahlt, in den Regenbogenfarben glitzerten. Auf den Fichtennadeln jedoch glänzten die Tropfen gleich funkelnden Diamanten. Infolge der Regengüsse schossen allenthalben Bächlein hervor, die, in fröhlichem Gemurmel dahinfließend, an den niedrig gelegenen Stellen kleine Seen bildeten. Allein trotz Feuchte und Nässe blickte die ganze Erde lachend dem klaren Morgen entgegen. Von Freude und Lust wird in solchen Stunden auch das Menschenherz ergriffen, und so sangen denn Wagenlenker und Knechte leise vor sich hin, indem sie sich über die Stille wunderten, die unter den vor ihnen Reitenden herrschte.

      Und in der That, schweigsam ritten diese weiter, denn schwerer Schmerz bedrückte Jagienka. Eine tiefgreifende Aenderung hatte sich in ihrem Leben vollzogen, eine Saite war zerrissen, und die Maid, der es stets fern gelegen, sich in Betrachtungen zu ergehen und die es sich nicht klar zum Bewußtsein bringen konnte, was in ihr vorging, was sie bewegte, empfand doch, daß

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