EXIT NOW!. Teri Terry
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»Ich auch nicht. Lass uns noch ein bisschen reden.« Wir gehen in ihr Zimmer. Auf dem Tisch neben dem Sofa steht ein Tablett mit Popcorn- und Chipstüten und Getränken. Und ein paar Stücke von dem Schokoladenkuchen.
»Mmh. Ein Mitternachtsimbiss!«, ruft Sam. »Unsere Köchin kann Gedanken lesen.«
Sie schüttet das Popcorn in eine Schale und bedeutet mir, mich neben sie zu setzen.
»Was für ein Tag«, sagt sie.
»Ja.«
»Meinst du, das mit Lucas’ Freund stimmt?«
»Überraschen würde es mich nicht. Fehler passieren doch ständig, aber das ist schon heftig.« Ich schaudere. »Die Verantwortlichen sollten richtig Ärger bekommen und sich nicht hinter Lügen verstecken können.« Ich runzle die Stirn. »Aber schon seltsam.«
»Was denn?«
»Wenn es Lucas’ Freund war, auf den geschossen wurde, warum ist er denn auf die Party gekommen?«
Sam legt den Kopf schief. »Weiß ich auch nicht«, sagt sie schließlich. »Anfangs wirkte er auch noch nicht aufgebracht. Vielleicht hat er nur versucht, sich abzulenken.«
»Vielleicht.« Dafür habe ich Verständnis. Dinge, die mich am meisten belasten, vergrabe ich auch am tiefsten in mir. Nur warum hat er das Thema denn überhaupt angeschnitten? Irgendwas stimmt da nicht.
Eine Weile sagen wir beide nichts und kauen gedankenverloren vor uns hin. Aber das macht nichts, ich fühle mich wohl – irgendwie geborgen, hier bei Sam und in den schönen geliehenen Klamotten.
»Deine Mutter ist so hübsch«, sage ich schließlich.
»Hhmm. Sollte sie auch. Schönsein ist ihre Lebensaufgabe.«
»Sam!«
»Ist doch wahr. Das ist das Wichtigste für sie.«
»So solltest du nicht über deine Mutter sprechen.«
»Du kennst sie doch gar nicht. Ich schon.«
»Stimmt. Aber ich bin überzeugt, dass sie dich gernhat. Wenigstens hast du eine Mutter.«
Es dauert eine Weile, bis Sam begreift. »Tut mir leid«, sagt sie. »Das wusste ich nicht. Was ist denn mit deiner Mutter passiert?«
»Sie hat uns verlassen. Vor sechs Jahren, als die Grenzen dichtgemacht wurden. Sie kam aus Schweden und ging dann lieber zurück, als hier festzusitzen. Sie hat uns einfach zurückzulassen.«
»Das ist ja furchtbar. Tut mir echt leid. Hat sie sich nie gemeldet?«
»Nein. Gar nicht. Nicht mal eine E-Mail.«
»Oh, Ava.« Mitfühlend sieht sie mich an, greift nach meiner Hand.
»Am schlimmsten ist die Ungewissheit. Geht es ihr gut? Meldet sie sich nicht, weil ihr was zugestoßen ist?« Ich zucke die Achseln. »Manchmal wünsche ich mir das regelrecht. Wenigstens gäbe es so einen Grund dafür, dass sie nichts von sich hören lässt. Und dann fühle ich mich schrecklich, dass ich so denke.«
»Ich erinnere mich noch daran. Der Tag der Entscheidung, da hieß es: Geh oder bleib! Es muss für so viele Menschen schrecklich gewesen sein.«
»Es hat Familien zerrissen. Aber meine Mutter hätte nicht gehen müssen, niemand hat sie gezwungen, wegen mangelnder Sprachkenntnisse das Land zu verlassen. Sie sprach perfekt Englisch. Am Ende hat sie sich bewusst dafür entschieden, meinen Vater und mich zu verlassen.«
»Wie war sie so?«
»Wundervoll. Deshalb verstehe ich es auch nicht. Wenn ich an meine Mutter denke, sehe ich diese warmherzige, tolle Frau vor mir, die für mich da war, mir vorgesungen hat und sich in jeder Hinsicht gut um mich gekümmert hat. Ich habe nie begriffen, warum sie fort ist. Begreife es heute noch nicht.« Ich schaue Sam an, die noch immer meine Hand hält. »Normalerweise rede ich nicht über meine Mutter.« Und das stimmt auch. Ich rede nie über sie, warum bin ich Sam gegenüber so offen?
In vielerlei Hinsicht ist Sam nicht, wie ich es erwartet habe. So gar nicht. Am Anfang habe ich mich in ihrer Gegenwart total unwohl gefühlt, aber sie ist so viel mehr, als man zunächst sehen kann: lustig, talentiert, liebenswürdig.
Jetzt lässt sie meine Hand los. Rückt ein wenig von mir ab, als sie nach einem Stück Schokokuchen greift. Plötzlich ist da eine Distanz, vielleicht sind es nur Zentimeter, dennoch kommt es mir unüberbrückbar vor.
Und nun hoffe ich, dass sie nicht gesehen hat, dass ich ihr nah und auch wieder nicht nah sein wollte. Dass ich insgeheim gehofft hatte, dass sie jemand wäre, den ich verachten könnte. Aber das ist sie nicht und das macht es schwerer.
Sam fängt an, über Lucas zu sprechen, gibt zu, dass sie ihn ins Englischheft gezeichnet hat.
»Ist er denn dein Romeo?« Ich necke sie ein wenig, doch es interessiert mich auch. Sam schüttelt den Kopf, aber so ganz kaufe ich es ihr nicht ab. Da scheint mehr zu sein.
Und dann lächle ich, bin glücklich und traurig zugleich. Glücklich über Sams Vertrauen und ihre Freundschaft. Ich fühle mich nicht mehr ganz so einsam wie zuvor. Aber dennoch bin auch traurig.
SAM
Am nächsten Tag stehe ich nachmittags am Fenster und schaue Avas Taxi hinterher. Die Polizei hat die Lage so weit beruhigt, dass die Straßen wieder freigegeben werden konnten. Ava fährt nach Hause.
Gestern Nacht haben wir stundenlang geredet. Fast hätten wir noch das Mittagessen verschlafen.
Auch wenn wir uns noch nicht lange kennen, vertraue ich ihr. Und ich war ich selbst. Ich habe gesagt, was ich denke und fühle, ohne mir einen Kopf zu machen, ob ich es sagen darf oder nicht. Richtig befreit habe ich mich gefühlt! Ich hoffe, dass wir bald wieder so miteinander reden können.
Die Geschichte mit ihrer Mutter ist so traurig. Vielleicht kann ich da was für sie tun.
Abends klopfe ich an Dads Tür.
»Komm rein«, sagt er.
Ich stecke den Kopf in die Tür.
»Hi, Samantha.« Mit hochgezogenen Schultern und einer tiefen Falte zwischen den Brauen sitzt er am Schreibtisch. Er ist müde und gestresst. Kein guter Moment, ihn um einen Gefallen zu bitten. Ich will schon den Rückzug antreten.
»Komm ruhig rein«, sagt er. »Ich muss mal eine Pause machen.«
»Wenn du meinst. Lust auf einen Tee?«
»Gute Idee.«
»Kommen lassen oder selbst kochen?«
»Lass uns selbst kochen.« Zusammen gehen wir in die kleine Büroküche am Ende des Flurs und ich fülle den Kessel.
»Gibt es Probleme, Dad?«
»Wann