Gesammelte Werke von Kleist. Heinrich von Kleist
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Kleist - Heinrich von Kleist страница 56
Den andern Morgen in aller Frühe machten Mutter und Sohn gehörig zum Graben gerüstet sich auf und gingen dem Felde zu, wo der Geist sich hatte sehn lassen; kaum waren sie vor das Dorf gekommen, als Joseph sagte: »Ei seht doch Mutter, da ist der Herr schon.« – »Wo?« rief die Mutter erblassend und schlug ein Kreuz über ihren ganzen Leib. »Hier dicht vor uns,« antwortete Joseph, »er hat mir aber gesagt, er komme, uns zu führen.« Die Mutter sahe nichts; der Geist, nur dem auserwählten Joseph sichtbar, zog still vor ihnen her. Die Reise ging querfeldein, einer Heide zu, die an einem Feldwege hinlief; dort steht Joseph still und sagt zur Mutter: »Hier Mutter, hier sollen wir graben, spricht der Herr.« Die Mutter, den Angstschweiß auf der Stirn, setzt den Spaten an und gräbt hastig darauf los. Sie mochte ungefähr zwei Schuh tief gegraben haben, als sie auf Totengebeine stößt; der Herr sehe dem Dinge sehr freundlich zu, versichert Joseph der Mutter, die für die Freundlichkeit des fünfhundertjährigen Herrn wenig Sinn hat, und geistliche Lieder und Ave's und Beschwörungsformeln bunt durcheinander sich immer lauter in Gedanken zuschreit. Der Gebeine wurden immer mehrere, sie waren mit einem gewöhnlichen Schimmel überzogen und zerfielen an der Luft in Asche, um beiden Arm- und Beinröhren, dicht über den Hand- und Fußgelenken, lagen starke eiserne Bänder. Auf einmal ruft Joseph in die Grube hinein: »Mutter, der Herr will, daß ihr dort mehr rechts grabet; dort, wo er mit dem Degen hinzeigt, da liege sein Kopf, spricht er.« Die Mutter gehorcht und nach einigen Spatenstichen hebt sie einen Totenkopf heraus, dessen Stirn ein großer eiserner Ring umgibt. Nun war's mit der Mutter am Ende; mit jedem Knochen, den sie herausgegraben, hatte die Angst und das innere Lärmen sich gemehrt; halb in Verzweiflung hatte sie nach dem Schädel gesucht, sein Anblick gab ihr den Rest, sie warf den Spaten hin, und floh laut schreiend dem Dorfe zu. Joseph begriff die Mutter nicht, ihm war nie so wohl in seiner Haut gewesen. Als er den fremden Herrn fragen wollte, was denn das bedeute, war dieser verschwunden; kopfschüttelnd nahm Joseph seine fünf Ringe um den Spaten, spielte noch ein wenig mit der Knochenasche, und ging dann jubelnd dem Dorfe zu. Die fünf Ringe wurden später bei den Gerichten deponiert, wo sie noch jetzt zu sehen sind.
Als die Kommission die Untersuchung dieser Geschichte geendigt hatte, ohne die Sache selbst ins reine gebracht zu haben, entschloß sich eine hohe Amtsobrigkeit, durch die fünf Ringe aufgemuntert, den verheißenen fünf Truhen nachzuspüren: es ward von Amts wegen weiter nachgegraben. Im November 1809, wo Erzähler die Grube selbst gesehn, war man schon zu einer beträchtlichen Tiefe gelangt. Da die weitere Fortsetzung der Arbeit die Kräfte gewöhnlicher Tagelöhner überstieg, so ließ man, um nicht den Vorwurf halber Maßregeln auf sich zu laden, endlich gar Bergleute kommen. Diese erweiterten den Bau und trieben Gänge rechts und links; nicht lange, so wollte man es haben hohl klingen hören, man grub und grub; umsonst, die Truhen zeigten sich nicht; man kam auf Schutt, die Hoffnung wuchs; der Schutt wurde durchwühlt, er verlor sich, die Hoffnung sank. In der Verlegenheit, worin man sich befand, fiel es einem gescheiten Kopfe ein, daß Schätze ihre Kaprizen haben, die respektiert sein wollen, daß sie nicht jeder rohen Faust in die Hände laufen, sondern sich nur von sympathetischen Fingern berühren lassen, und tat daher den Vorschlag, den Joseph kommen zu lassen, um künftig bei der Arbeit gegenwärtig zu sein.
Da man schon im Dezember ziemlich weit vorgerückt war, so packte man den armen Jungen warm ein, gab ihm einen kleinen Spaten in die Hand, und hieß ihm hin und her ein Schaufelchen Erde herausheben. Man versprach sich sehr viel von dieser List, doch es schien, als wäre es dem Geiste mehr um seine Knochen als um die Truhen zu tun gewesen, denn auch die Gegenwart unsers Josephs verfing nichts. Der zunehmende Frost machte endlich dem Suchen ein Ende; im Frühjahr, beschloß man, sollte die Arbeit fortgesetzt werden, hat es jedoch unterlassen. Übrigens hat der Geist gegen Joseph nicht ganz undankbar gehandelt, als es auf den ersten Anblick scheinen möchte; denn wenn er ihm auch den gehofften Schatz, den er ihm übrigens nie versprach, entrückte, so hatte er doch wahrscheinlich veranstaltet, daß die Leute von nah und von fern herbeiströmten, um den kleinen Geisterseher zu sehn und reichlich zu beschenken.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.