Mach dir Umsatz auf!. Hubertus Kuhnt
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Dann kam der Krieg – und mit ihm ein Produktionsstopp in Deutschland. Mitarbeiter wurden eingezogen, Firmenanlagen bei Bombenangriffen zerstört. Die Rohstoffe, die für die Produktion benötigt wurden, waren nicht mehr verfügbar. Zudem wurde die Einfuhr des Coca-Cola-Sirups verboten – Hitlerdeutschland und Mussolinis Italien hatten den USA am 11. Dezember 1941 den Krieg erklärt. Max Keith musste etwas tun, wenn die Coca-Cola-Organisation in Deutschland nicht untergehen sollte. Er sprach mit seinem Chef-Chemiker Dr. Schetelig und beauftragte ihn, ein neues Erfrischungsgetränk zu entwickeln, das aus verfügbaren Zutaten hergestellt werden konnte. Und Dr. Schetelig gelang es tatsächlich, eine neue Limonade zu schaffen. Sie bestand aus Molke und Apfelfruchtfleisch – Fanta war geboren und sicherte das Überleben der Coca-Cola-Organisation in der Kriegs- wie auch in der Nachkriegszeit.
Nach dem Krieg dauerte es noch vier Jahre, bis die ersten Coca-Cola-Lieferwagen wieder vom Essener Fabrikgelände rollen – dafür gab es dann aber auch im Oktober 1949 extra Plakate: »Coca-Cola ist wieder da!« verkündeten sie. Max Keith sorgte mit dem ihm eigenen Elan und seiner Überzeugungskraft dafür, dass es bald mehr Abfüllfabriken und Konzessionäre gab als zuvor. 1954 hatte er es geschafft: Die Produktion in Deutschland brummte wieder wie vor dem Krieg.
Ein Symbol für die Freiheit
Zu den Konzessionären zählten viele kleine Familienunternehmen. In Spitzenzeiten trafen sich zur jährlichen Konferenz in Essen Vertreter von 126 verschiedenen Gesellschaften aus ganz Deutschland. Zu diesen Gesellschaftern gehörte beispielsweise auch Max Schmeling. Er wurde 1957 Konzessionär, als er nach seinem Karriereende als Boxer eine Abfüllungsfirma in Hamburg übernommen hatte. Unsere fiktive Fichthoff & Co. KG in Greventrop ist ein zwar konstruiertes, aber typisches Beispiel für das international gültige Konzessionärssystem von The Coca-Cola Company. Diese Kleinteiligkeit war so gewollt. Schließlich sollte Coca-Cola nie mehr als eine Armeslänge von den Konsumenten entfernt sein. Und dank der vielen Konzessionäre gab es in Deutschland quasi flächendeckend Betriebe, die Coca-Cola herstellten und es in die Läden und Gastwirtschaften brachten.
Die Fünfzigerjahre – es war die Zeit des Wirtschaftswunders. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und dem Elend der Nachkriegszeit entwickelte sich ein Wirtschaftsboom und daraus resultierend ein neues Selbstbewusstsein in der Bevölkerung – gepaart mit neu entdeckter Lebenslust und Konsumfreude. Bis 1960 stiegen die Investitionen in der Bundesrepublik um 120 Prozent, das Bruttosozialprodukt um 80 Prozent. Deutschland fand den Weg zurück in die Völkergemeinschaft. Der Wiederaufbau ging in einem atemberaubenden Tempo vor sich und übertraf selbst die Erwartungen von Experten – die damit gerechnet hatten, dass der Aufbau der zerstörten Städte 40 bis 50 Jahre dauern würde. Schon 1954 war der Wohnungsbestand in der Bundesrepublik wieder genauso hoch wie vor Kriegsausbruch. Am 5. August lief der millionste VW Käfer vom Band. Vielleicht geriet kein anderes Produkt zu einem so starken Symbol für das Wirtschaftswunder wie dieses kleine Auto. Für wie viele Menschen war er das erste eigene Auto, mit dem sie in den Fünfzigerjahren das erste Mal über die Alpen in ihr Sehnsuchtsland Italien fuhren!
»Mach mal Pause – trink Coca-Cola« – mit diesem Slogan traf Coca-Cola damals sicherlich mitten ins Herz der deutschen Arbeitsgesellschaft. Auch das Erfrischungsgetränk mauserte sich zu einem wichtigen Symbol für das Wirtschaftswunder, überhaupt für einen westlichen Lebensstil. Sichtbare Zeichen dieses Aufstiegs: Neuentwicklungen wie Kühlautomaten für die Cola-Flaschen, Thekenzapfgeräte, neue Flaschengrößen – und die Dose. Dieser Aufstieg ist sicherlich auch ein Verdienst des starken Marketings von Coca-Cola. Schon Asa Criggs Candler hatte erkannt, welche wichtige Rolle die Vermarktung für den Erfolg eines Produkts spielt, und investierte bereits 1912 eine Million US-Dollar ins Marketing. Ob in Fernseh- oder Kinospots, mit seinen Weihnachtstrucks oder durch die unzähligen Streuartikel – Coca-Cola betreibt schon seit Jahrzehnten ein außergewöhnliches Marketing, über das es seine Kunden und Fans auf unterschiedlichen Ebenen erreicht.
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Dieses Marketing transportiert die Vision von Coca-Cola: die Welt zu einem besseren Ort zu machen. |
Es ging dem Unternehmen immer um deutlich mehr, als die Konsumenten nur zu erfrischen: Es will die Menschen inspirieren und bleibende Werte schaffen. Das gelang Coca-Cola auch – nur die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang mussten ein bisschen länger warten, bis sie ebenfalls in den Genuss des Lifestyle-Getränks kamen.
Der Aufstieg von Coca-Cola in Deutschland schritt auch in den Sechzigerjahren unaufhaltsam voran: 1967 verkaufte das Unternehmen in einem Jahr mehr als 100 Millionen Kisten. In den Siebzigerjahren fand in Deutschland eine Umorientierung statt: Das Wirtschaftswunder war definitiv vorbei, die junge Generation setzte sich ganz neu und sehr kritisch mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs und mit Deutschlands Rolle darin auseinander – und auch mit der Haltung der eigenen Eltern und Großeltern in der NS- und Kriegszeit. Sie wandte sich vom ungebremsten Konsumismus ab. Coca-Cola reagierte darauf 1976 mit seinem Slogan »Coke macht mehr draus« und gestaltete Werbung und Markenauftritt zeitgemäß.
Die Achtzigerjahre brachten die Fitness-Welle – The Coca-Cola Company schuf mit der Coca-Cola light eine kalorienreduzierte Variante ihres Produkts, die dazu passte. 1989 erreichten die deutschen Coca-Cola-Unternehmen einen weiteren wichtigen Meilenstein: Am 9. November fiel die Mauer – und direkt am selben Abend nutzten die Vertriebsmitarbeiter vor Ort die Gelegenheit, um kostenlos die Coca-Cola-Produkte zu verteilen. Coca-Cola inszenierte sich ein weiteres Mal als Symbol für Freiheit, Demokratie und einen westlichen Lebensstil. Der 9. November 1989 bildete gleichzeitig den Auftakt für die Erschließung des ostdeutschen Marktes.
Geschäftsführer der Coca-Cola GmbH war damals Heinz Wiezorek. Der Diplomkaufmann war 1966 als Trainee ins Unternehmen gekommen und hatte schnell Karriere gemacht. 1982 war er Geschäftsführer geworden, 1989 dann President of the German Division und Senior Vice President of Coca-Cola International. Der Weitsicht des altehrwürdigen Kaufmanns und der Respektsperson Heinz Wiezorek – dem es keiner der Mitarbeiter neidete, dass er morgens immer in seinem roten Ferrari in die Firma kam – verdankt das Unternehmen den schnellen Aufbau der Produktionsanlagen und des Vertriebsnetzes in den neuen Bundesländern. Heinz Wiezorek war es auch, der entschied, eigens für die neuen Produktionsanlagen eine weitere Verpackungseinheit zu schaffen: die 1,5-Liter-PET-Mehrwegflasche, leicht und vollständig recycelbar. Diese Flasche setzte Maßstäbe in Deutschland und wurde sogar zur Standardverpackung für alkoholfreie Getränke. 2003 verlegte Coca-Cola Deutschland GmbH dann seinen Hauptsitz von Essen nach Berlin – das in den Jahren nach dem Mauerfall zum Zentrum der Aktivitäten in den neuen Bundesländern geworden war.
Wenn Erfolg selbstverständlich wird
Dieser Blick in die Geschichte bis zum Jahr 2003 zeigt: Das Unternehmen Coca-Cola Deutschland GmbH war lange erfolgsverwöhnt. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg, und erst recht danach, zeigte die Umsatzkurve immer nur in eine Richtung: steil nach oben. Besonders nach der deutschen Wiedervereinigung gab es einen deutlichen Umsatzaufschwung. »Ich kenne es nicht, dass wir nicht zweistellig wachsen«, sagte einer der deutschen Verkaufsleiter einmal. Das war im Jahr 2000. Alle im Unternehmen hatten sich daran gewöhnt, nichts Außergewöhnliches tun zu müssen, um weiter zu wachsen. Der Erfolg kam quasi von allein. Das führte vor allem zu einem: Stillstand. Innerbetriebliche Veränderungen gab es nicht. Prozesse, Arbeitsweisen, Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter – alles blieb immer gleich. Denn der Laden lief ja. Warum sollte dann jemand irgendetwas