Die gelbe Tapete. Charlotte Perkins Gilman
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Von Alfred Goubran zuletzt bei Braumüller erschienen:
„Ort“, Wien 2010
„AUS.“, Wien 2010
„Kleine Landeskunde“, Wien 2012
„Dergelernte Österreicher“, Wien 2013
„Durch die Zeit in meinem Zimmer“, Wien 2014
„Das letzte Journal“, Wien 2016
„Herz“, Wien 2017
„Schmerz und Gegenwart“, Wien 2019
Charlotte Perkins Gilman
Die gelbe Tapete
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Alfred Goubran
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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2. Auflage 2015
© 2015 by Braumüller GmbH
Servitengasse 5, A-1090 Wien
Die Originalausgabe erschien 2005 bei edition selene, Wien, Austria.
Coverbild: James Ensor: „La dame sombre“ (1881)
© by Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Bruxelles
ISBN der Printausgabe: 978-3-99200-040-1
ISBN E-Book: 978-3-99200-301-3
Inhalt
Warum ich „Die gelbe Tapete“ schrieb
Bücher und Herausgeberschaften
Es kommt nicht oft vor, daß gewöhnliche Sterbliche wie John und ich sich für den Sommer in Ahnenhallen einmieten können. Eine Villa aus der Kolonialzeit, ein Erbsitz am-Land, ich würde sagen: ein altes Spukhaus – das wäre der Gipfel romantischer Glückseligkeit; aber das wäre wohl vom Schicksal zuviel verlangt!
Trotzdem – und ich behaupte das nicht ohne Stolz: Irgend etwas stimmt mit dem Haus nicht. Warum würde man es sonst so billig vermieten? Und warum hätte es sonst so lange leer gestanden?
John lacht mich natürlich aus, aber man erwartet nichts anderes, wenn man verheiratet ist.
John ist praktisch bis zum Extrem. Er lehnt jeden Glauben ab, verabscheut jede Form von Aberglauben und läßt seinem Spott freien Lauf, sobald von Dingen die Rede ist, die man weder fühlen, sehen noch in Zahlen darstellen kann.
John ist Arzt, und – vielleicht(ich würde es selbstverständlich keiner lebenden Seele je anvertrauen, aber das ist totes Papier und eine große Wohltat für meinen Verstand), vielleicht ist das mit ein Grund, daß ich nicht so schnell gesund werde.
Denn sehen Sie: Er glaubt einfach nicht, daß ich krank bin!
Und was kann man da schon tun?
Was soll man tun, wenn ein angesehener Arzt, und der eigene Ehemann, Freunden und Verwandten ständig versichert, daß einem in Wahrheit nichts fehlt, abgesehen von einer momentanen nervlich bedingten Depression – einer leichten hysterischen Neigung?
Auch mein Bruder ist Arzt, auch er hat einen guten Ruf, und er behauptet dasselbe.
Also nehme ich Phosphate oder Phosphite – was auch immer es ist, und Stärkungsmittel, mache meine Übungen im Freien, bin viel an der frischen Luft, unternehme Ausflüge, und es ist mir strengstens verboten, „zu arbeiten“, bis es mir wieder besser geht.
Persönlich halte ich von all dem nichts.
Und ich bin überzeugt, daß geeignete Arbeit, anregend und abwechslungsreich, mir guttun würde.
Aber was soll man tun?
Eine Zeitlang schrieb ich trotzdem; aber es so heimlich tun zu müssen oder sonst nur auf Widerstand zu stoßen, erschöpft mich sehr.
Manchmal stelle ich mir vor, daß es in meinem Zustand, wenn ich etwas weniger Widerstand und dafür mehr Gesellschaft und Abwechslung hätte – aber John sagt, das Schlechteste, was ich im Moment tun könnte, sei, über meinen Zustand nachzudenken, und ich gestehe, daß ich mich dann immer schlecht fühle.
Also will ich es jetzt gut sein lassen und lieber über das Haus sprechen.
Was für ein schönes Anwesen! Es liegt ganz einsam, abseits der Landstraße, gut drei Meilen vom Dorf entfernt. Es erinnert mich an englische Landsitze, von denen man liest, denn es gibt Hecken und Mauern, Tore, die schließen, und zahlreiche kleine Häuser für die Gärtner und die Bediensteten.
Es gibt auch einen herrlichen Garten! Ich habe noch nie einen Garten wie diesen gesehen, groß und schattig, mit unzähligen von Buchsbaumhecken eingefaßten Wegen, gesäumt von langen traubenschweren Laubengängen, in denen Gartenbänke stehen.
Es gab auch Gewächshäuser, aber sie sind jetzt alle zerbrochen.
Es hat Rechtsstreitigkeiten gegeben, ich glaube, irgend etwas zwischen den Erben und den Miterben; jedenfalls stand das Haus für Jahre leer.
Das, fürchte ich, spricht nicht gerade für meine Spukhausvorstellung, trotzdem: Irgend etwas stimmt mit dem Haus nicht – ich kann es fühlen.
Und ich habe das auch einmal an einem mondhellen Abend zu John gesagt, aber er erwiderte nur, was ich fühle, sei die Zugluft und schloß das Fenster.
Manchmal werde ich ohne Grund wütend auf John. Ich weiß bestimmt, daß ich früher nicht so empfindlich war. Ich denke, das ist auf meinen