Die gelbe Tapete. Charlotte Perkins Gilman

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Die gelbe Tapete - Charlotte Perkins Gilman

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Zimmer gefällt mir überhaupt nicht. Ich wollte eines der unteren Zimmer, das auf die Veranda hinausgeht und lauter Rosen vor dem Fenster hat und diese hübschen altmodischen Chintzvorhänge! Aber John wollte nichts davon hören.

      Er sagte, es habe nur ein Fenster und für zwei Betten sei es zu klein, auch gebe es in der Nähe kein anderes Schlafzimmer, das er benutzen könne.

      Er ist sehr fürsorglich und liebevoll und läßt kaum zu, daß ich ohne spezielle Anweisung einen Finger rühre.

      Ich habe eine Liste mit Vorschriften für jede Stunde des Tages; John nimmt mir alle Sorgen ab, und im Grunde empfinde ich mich als undankbar, weil ich das nicht mehr zu schätzen weiß.

      Er sagte, wir seien nur meinetwegen hierhergekommen, damit ich völlige Ruhe hätte und so viel frische Luft, wie ich nur kriegen könne. „Wieviel du dich bewegst“, sagte er, „ist abhängig von deiner Kraft, meine Liebe, und dein Essen ein bißchen von deinem Appetit; aber frische Luft kannst du jederzeit atmen.“

      Also nahmen wir das Kinderzimmer ganz oben im Haus.

      Es ist ein großer, luftiger Raum, der fast das ganze Obergeschoß einnimmt, mit Fenstern nach allen Himmelsrichtungen und Luft und Sonnenschein im Überfluß. Es war ursprünglich ein Kinderzimmer und danach ein Spiel- und Turnzimmer; zumindest nehme ich das an, denn die Fenster sind für kleine Kinder gesichert und an den Wänden sind Ringe und andere Turngeräte angebracht.

      Die Wandfarbe und die Tapete sehen aus, als seien sie in einer Knabenschule in Verwendung gewesen. Sie – die Tapete – ist überall um das Kopfende meines Bettes, etwa so hoch wie ich hinaufreichen kann, in breiten Streifen heruntergerissen und ebenso an einer große Stelle weiter unten an der gegenüberliegenden Wand. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine scheußlichere Tapete gesehen!

      Mit einem dieser wuchernden, flammenzungenähnlichen Muster, die keine künstlerische Sünde auslassen.

      Es tritt gerade so weit in den Hintergrund, daß sich das Auge, das ihm zu folgen versucht, ständig verirrt, bleibt aber doch so deutlich, daß es immer wieder zum Hinsehen und zu genauerem Studium provoziert; und ist es einem dann gelungen, den schwunglosen, unsicheren Kurven über eine kurze Strecke zu folgen, so begehen sie plötzlich Selbstmord – stürzen ab in unmöglichen Winkeln und zerstören sich selbst in nie gesehenen, sich gegenseitig aufhebenden Windungen.

      Die Farbe ist abstoßend, fast schon aufrührerisch; ein schwelendes unreines Gelb, seltsam farblos durch das langsam wechselnde Sonnenlicht. An manchen Stellen ist es ein fahles, aber immer noch schmutziggelbes Orange, an anderen ein kränkliches Zitronengelb.

      Kein Wunder, daß die Kinder diese Wandtapete haßten! Ich würde sie auch hassen, wenn ich für längere Zeit in diesem Zimmer leben müßte.

      John kommt! Ich muß das weglegen – er haßt es, wenn ich auch nur ein Wort schreibe.

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