Wachtmeister Studer. Friedrich Glauser

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Wachtmeister Studer - Friedrich  Glauser

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kritisch seine Brissago. Er sei noch zur rechten Zeit gekommen, um den Schlumpf – man könne ja sagen: zu retten, obwohl …

      »Also ist er nicht tot? Und wo ist er jetzt, der Schlumpf?«

      »In Thun«, sagte Studer gemütlich und versteckte seine Augen unter seinen Lidern. »In Thun, in der Kischte.« Er, Studer, habe auch mit dem Untersuchungsrichter geredet, ein gäbiger Mann, der Fall sei nicht hoffnungslos, aber dunkel, dunkel … Das sei das Elend.

      »Und das Gericht will klare Fälle, das gibt schöne Verhandlungen … Aber der Schlumpf leugnet alles ab, der Fall kommt vor die Assisen, natürlich … Und man weiß ja, wie Geschworene sind …« Das alles unterbrochen von langen Zügen, abwechselnd am Bierglas und an der Brissago.

      »Aber«, fuhr Studer fort, »Ihr habt da einen Satz nicht beendigt. Wen habt Ihr gemeint mit der Hexe? Die Frau Witschi?«

      Ellenberger wich der Frage aus.

      »Wenn Ihr etwas wissen wollt, Wachtmeister, müsst Ihr nach Gerzenstein kommen, Euch das Kaff anschauen. Es lohnt sich …« Dann seufzend: »Ja, der Witschi hat’s nicht gut gehabt. Hat mir oft geklagt, der alte Schnapser … Aber viele saufen … Heiratet nie, Wachtmeister.«

      – Er sei schon verheiratet, sagte Studer, und könne nicht klagen. – So, geschnapst habe der Witschi? – Ja, meinte der Ellenberger, so arg, dass der Aeschbacher, der Gemeindepräsident – der Mann schaue aus wie eine Sau, die den Rotlauf habe – den Witschi habe nach Hansen versenken wollen … (Hansen nennt man im Kanton Bern die Arbeitsanstalt St. Johannsen).

      Nach einer Weile fragte der Ellenberger:

      »Hat er von mir gesprochen, der Erwin?«

      Studer bejahte. Der Schlumpf habe seinen Meister gerühmt. Seit wann denn der Ellenberger der Fürsorge für entlassene Sträflinge beigetreten sei?

      »Fürsorge?« Die Fürsorge könne ihm gestohlen werden. Er brauche billige Arbeitskräfte, voilá tout. Und dass er die Burschen anständig behandle, das gehöre zum Geschäft, sonst würden sie ihm wieder drauslaufen. Er, der Ellenberger, sei zu viel in der Welt herumgekommen, die braven Leute brächten ihn zum Kotzen, aber die schwarzen Schafe, wie man so schön sage, die sorgten für Abwechslung. Von einem Tag auf den andern könne man in der schönsten Kriminalgeschichte drinnen stecken, an einem Mordfall beteiligt sein, par exemple, und dann werde es spaßig.

      Der alte Ellenberger stand auf:

      »Ich muss heim, Wachtmeister, komm, Cottereau … Ich denk, wir werden uns noch einmal sehen … Besuchet mich dann, wenn Ihr nach Gerzenstein kommt … Läbet wohl …«

      Der alte Ellenberger winkte der Kellnerin, sagte: »Alles«, gab ein zünftiges Trinkgeld. Dann schritt er zur Tür. Das Letzte, das Wachtmeister Studer an dem Alten feststellte, war sicher merkwürdig genug: Der Ellenberger trug zu einem schlecht sitzenden Anzug aus Halbleinen ein Paar braune, moderne Halbschuhe. Die schwarzen Socken, die unter den zu kurzen Hosen hervorlugten, waren aus schwarzer Seide …

      Am nächsten Morgen schrieb Wachtmeister Studer seinen Rapport. Das Büro roch nach Staub, Bodenöl und kaltem Zigarrenrauch. Die Fenster waren geschlossen. Draußen regnete es, die paar warmen Tage waren eine Täuschung gewesen, ein saurer Wind blies durch die Straßen, und Studer war schlechter Laune. Wie sollte man diesen Rapport schreiben? Vielmehr, was schreiben, was auslassen?

      Da rief eine Stimme von der Türe her seinen Namen.

      »Was isch los?«

      »Der Untersuchungsrichter von Thun hat telefoniert. Du sollst nach Gerzenstein fahren … Du hast doch gestern den Schlumpf verhaftet! Wie ist’s gegangen?«

      – Der Schlumpf habe ihm durchbrennen wollen auf dem Bahnhof, sagte Studer, aber es habe nicht gelangt. Dabei blieb er sitzen und schaute von unten her auf den Polizeihauptmann.

      »Eh«, sagte der Hauptmann, »dann lass den Rapport sein. Kannst ihn später schreiben. Fahr jetzt ab. Am besten wär’s, du würdest noch ins Gerichtsmedizinische gehen. Vielleicht erfährst du etwas.«

      Das habe er sowieso machen wollen, sagte Studer brummig, stand auf, nahm seinen Regenmantel, trat vor einen kleinen Spiegel und bürstete seinen Schnurrbart. Dann fuhr er zum Inselspital.

      Der Assistent, der ihn empfing, trug eine wunderbar rot und schwarz gewürfelte Krawatte, die unter dem steifen Umlegkragen zu einem winzigen Knötchen zusammengezogen war. Wenn er sprach, legte er die Finger der einen Hand flach auf den Ballen der anderen und musterte mit kritischer, leicht angeekelter Miene seine Fingernägel.

      »Witschi?« fragte der Assistent. »Wann ist er gekommen?«

      »Mittwoch, Mittwochabend, Herr Doktor«, antwortete Studer und gebrauchte sein schönstes Schriftdeutsch.

      »Mittwoch? Warten Sie, Mittwoch sagen Sie? Ach, ich weiß jetzt, die Alkoholleiche …

      »Alkoholleiche?« fragte Studer.

      »Ja, denken Sie, 2,1 Promille Alkoholkonzentration im Blut. Der Mann muss gesoffen haben, bevor er erschossen wurde … Na, ich sage Ihnen, Herr Kommissär …«

      »Wachtmeister«, stellte Studer trocken fest.

      »Wir sagen bei uns Kommissär, es klingt besser. Verstehen Sie, bitte, nicht nur die Alkoholkonzentration, aber der Zustand der Organe, ich sage Ihnen, Herr Kommissär, so eine schöne Leberzirrhose habe ich noch nie gesehen. Fabelhaft, sage ich Ihnen. War der Mann nie in einer Irrenanstalt? Nicht? Nie weiße Mäuse gesehen oder Kinematograph an der Wand? Kleine Männer, die tanzen, wissen Sie? So einen schönen, richtiggehenden Delirium tremens? Nie gehabt? Ah, Sie wissen nicht. Schade. Und ist erschossen worden! Schätzungsweise eine Meter Distanz, keine Pulverspuren auf der Haut, darum ich sage eine Meter. Sie verstehen?«

      Studer grübelte während des Wortschwalles über eine ganz nebensächliche Frage nach: Welcher Nationalität der junge Mann mit dem kleinen Krawattenknötchen angehören könne … Endlich, auf das letzte: ›Sie verstehen?‹ war er im Bilde.

      »Parla italiano?« fragte er freundlich.

      »Ma sicuro!« Der Freudenausbruch des andern war nicht mehr zu bremsen, und Studer ließ ihn lächelnd vorbeirauschen.

      Der Assistent war so begeistert, dass er Studers Arm zärtlich unter den seinen nahm und ihn in das Innere führte. Der Professor sei noch nicht da, aber er, der Assistent, sei genau so auf dem Laufenden wie der Professor. Er habe selbst die Sektion gemacht. Studer fragte, ob er Witschi noch sehen könne. Das war möglich. Witschi war konserviert worden. Und bald stand Studer vor der Leiche.

      Dies also war der Witschi Wendelin, geboren 1882, somit fünfzig Jahre alt: eine riesige Glatze, gelb wie altes Elfenbein; ein armseliger Schnurrbart, hängend, spärlich; ein weiches, schwammiges Doppelkinn … Am merkwürdigsten aber wirkte der ruhige Ausdruck des Gesichtes.

      Ruhig, ja. Jetzt, im Tode. Aber es waren doch viel Runzeln in dem Gesicht … Gut, dass der Mann Witschi seine Sorgen los war …

      Auf alle Fälle war es aber kein Säufergesicht, und darum sagte Studer auch:

      »Er sieht eigentlich nicht aus wie ein Wald- und Wiesenalkoholiker …«

      »Wald und

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