Das Auge des Feinschmeckers. Frank Winter

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Das Auge des Feinschmeckers - Frank Winter Mord und Nachschlag

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Doch Informationen wurden auch nicht beigesteuert. Nach den Gesetzen der Logik musste er seine Recherche jetzt in der kulinarischen Unterwelt fortsetzen. Aus dem »Scotsman« fischte er die Werbebeilagen. Zwei deutsche Billig-Supermärkte mit vierbuchstabigen Namen buhlten um die Gunst des Lesers. Fleisch in Hülle und Fülle. Zu Preisen, die jedem vernünftigen Menschen zu denken geben mussten. Nicht, dass es nur eine Untugend der deutschen Großunternehmer gewesen wäre, gastronomische Fragwürdigkeiten zu veräußern. Auch britische Ketten mit kurzen Namen schlugen in diese Bresche. Und die Edel-Supermärkte mit ausgewachsenen, englischen Namen präsentierten günstige, exotische Fertigmenüs für Freunde der indischen, italienischen oder britischen Küche. Alle getränkt mit Zucker, Fett, Salz, Konservierungs- und Farbstoffen. Schon vor langer Zeit hatte er aufgehört, ignorante Bekannte zur biologischen Kost bringen zu wollen. Zu teuer, zu viele Schwindler, zu schwierig zu besorgen. Die Ausreden waren Legion. Außerdem meinte doch die Food Standards Agency, dass Ökonahrung keine Vorteile bringe und die Behandlung mit Pestiziden oft ein akzeptables Risiko für die Gesundheit sei! Da lobte er sich Prinz Charles, der bereits vor zwanzig Jahren auf die

      ökologische Produktion umgestiegen war. In den gedruckten Werbebeilagen fand er keine Angaben zum Inhalt der Fleischpackungen. Er aktivierte seinen Internetbrowser und ging auf die Website eines Hypermarktes. Auch hier nicht die winzigste Information. Stattdessen wurde man aufgefordert, das Kleingedruckte im Supermarkt vor den Toren der Stadt zu studieren. Für Lebensmüde gab es die Möglichkeit, die Produkte via Internet, ohne Begutachtung, zu bestellen. Eine wahre Groteske war das. Die Industrie konnte machen, was sie wollte. Und am liebsten verkaufte sie Imitate. Zusammengeklebte Fleischreste durften sich Schinken nennen. Garnelen bestanden aus gepresstem Fischeiweiß. Käse war eine Schmiere, die in zwanzig Minuten gänzlich ohne Milch zusammengerührt wurde und mit dem gereiften Originalprodukt nur den Namen teilte. Wenn es so weiterginge, würde er sich auf eine Farm zurückziehen und zum Selbstversorger werden. Warum verstanden die Menschen nicht, dass ein ängstliches und gestresstes Tier aus der Massenhaltung nur minderwertiges Fleisch liefern konnte? War es doch erwiesen, dass der extrem hohe Energieverbrauch aufgrund von Panikattacken zu schlimmen Reaktionen im Körper führte. Ganz zu schweigen davon, dass Tiere nur mit Kollegen zur letzten Station ihres Lebens reisen sollten. Rinder mussten spätestens drei Stunden nach dem Schlachten verarbeitet werden, Schweine sogar bereits nach zwei Stunden. Nur dann befand sich das Fleisch im Warmfleischzustand und besaß die natürliche Fähigkeit, Wasser und Fett zu binden. Mit etwas Salz entstand eine einheitliche Masse höchsten Geschmacks. Fand die Verarbeitung später statt – bei Supermarktfleisch leider ein übliches Faktum – musste mit Phosphaten, Zitraten, Emulgatoren und Geschmacksverstärkern nachgeholfen werden. Jammern und Wehklagen brachte ihn nicht weiter. Hier war das Motto seines Vaters zu beherzigen: Hartnäckigkeit macht sich bezahlt. Er duschte, zog sich an und stieg in sein braves Auto, um sich in die Höhlen der Löwen zu wagen.

       »Die Sitte, die Eingeweide eines Tieres in seinem Magen zu kochen, lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen, mindestens bis zu den Römern.«

      Laura Mason und Catherine Brown in »The Taste of Britain«

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