Briefe aus dem Gefängnis. Rosa Luxemburg
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Zusammen mit Leo Jogiches und Julian Marchlewski gründete sie 1893 die Partei „Sozialdemokratie des Königreiches Polen“. Mit Jogiches verband sie mehr als nur eine Freundschaft, eine wirklich feste Bindung kam jedoch nie zustande. Luxemburg entschied sich schließlich nach Berlin zu gehen, um dort mit den führenden deutschen Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten. Eine Scheinehe verschaffte ihr die deutsche Staatsbürgerschaft. Schnell übernahm sie Verantwortung und bestimmte die Geschicke der Partei mit. Es waren vor allem ihre Reden, die die Menschen mitrissen und selbst Lenin dazu veranlasste, Rosa Luxemburg als „Adler der Revolution“ zu bezeichnen. 1904 musste sie zum ersten Mal ins Gefängnis. Das Urteil: drei Monate Haft wegen Majestätsbeleidigung des Kaisers. Die Haft konnte Luxemburg nicht erschüttern.
Mit ihren kompromisslosen Ansichten spaltete sie schließlich zusammen mit Karl Liebknecht, Franz Mehring und Clara Zetkin die SPD. Grund war die Frage, inwiefern die Sozialdemokratie dem Ersten Weltkrieg zustimmen konnte.
Clara Zetkin (links) und Rosa Luxemburg auf dem Weg zu einem Kongress, 1910
Die Zustimmung zum Krieg im August 1914 war für Luxemburg nicht tragbar. Aufgrund ihrer fortgesetzten Agitationen wurde sie im Januar 1915 erneut zu einem Jahr Haft im Berliner Weibergefängnis verurteilt. Bereits drei Monate nach ihrer Entlassung wurde sie wieder, diesmal für zweieinhalb Jahre, in „Schutzhaft“ genommen. Laut Berliner Polizeipräsident stellte sie ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die öffentliche Ordnung dar. Ihre Haftzeit verbrachte sie zunächst in Berlin, dann in Wronke bei Posen und schließlich bis November 1918 in Breslau. Als die Monarchie zusammenbrach, kam Rosa Luxemburg frei und stürzte sich in Berlin sofort in die Arbeit. Zusammen mit Karl Liebknecht gründete sie die „Kommunistische Partei Deutschlands“ und kämpfte für die Weltrevolution. Gleichzeitig musste sie sich vor weiteren Verhaftungen verstecken. Auf den Straßen herrschte Revolution und der Kampf zwischen linken Revolutionären und rechten Freikorps wurde immer blutiger. Am 15. Januar 1919 eskalierte die Auseinandersetzung. Unter dem Vorwand der Einlieferung in ein Untersuchungsgefängnis wurden sie und Karl Liebknecht von Freikorpssoldaten gestellt und erschossen. Luxemburgs Leiche wurde in den Landwehrkanal geworfen und erst Monate später gefunden.
Die Beisetzung von Rosa Luxemburg am 13. Juni 1919 (Bundesarchiv, Bild 146-1976-067-25A / unbekannt / CC-BY-SA)
In der kommunistischen Welt blieb Luxemburg auch nach ihrem Tod lange umstritten. Stalin stellte sie 1931 aufgrund ihrer konträren Position zu Lenins Imperialismustheorie in die Ecke des „Trotzkismus“ – zu dieser Zeit die schlimmste Verleumdung überhaupt. Auch wenn in der DDR Straßen und Plätze nach Luxemburg benannt wurden: Ihre Kritik an Lenin und ihre pazifistische Grundhaltung wurden ihr als Irrtümer ausgelegt und ihr Werk damit relativiert.
Erst nach dem Zusammenbruch der DDR und der gesamten sozialistischen Welt wurde Rosa Luxemburg wieder Anerkennung zu Teil. Ihr Werk wurde neu aufgelegt und erhielt regen Zuspruch. Heute ist sie Namensgeberin der parteinahen Stiftung der Linken, Symbolfigur für demokratischen Sozialismus und Pazifismus sowie Ikone der linken Bewegung zugleich.
Berlin-Friedrichsfelde, Zentralfriedhof, Gedenkstätte der Sozialisten, Grabmal Luxemburg, Aufnahme von 1969 (Bundesarchiv, Bild 183-H0207-0600-002 / Ritter, Steffen / CC-BY-SA)
Zu den „Briefen aus dem Gefängnis“
Die hier verwendete Ausgabe der „Briefe aus dem Gefängnis“ erschien keine zwei Jahre nach dem gewaltsamen Tod Luxemburgs. Bereits während der Weimarer Republik erreichte das Buch hohe Auflagen. Die abgedruckten Briefe von Luxemburg stammen aus dem Zeitraum ihrer zweiten Haft vom Juli 1916 bis zum November 1918. Immer gegenwärtig ist dabei ihr Freund und Weggefährte Karl Liebknecht, der im August 1916 aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Krieg ebenfalls zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Die Briefe stellen eine Besonderheit im Werk Rosa Luxemburgs dar. Nicht politische Themen sind es, denen sich Luxemburg in ihrer Korrespondenz mit Sophie, der Frau Karl Liebknechts, widmet. Luxemburg beschreibt vielmehr vor allem sehr persönliche Gefühle in einer surrealen Welt des Gefangenseins. In Wronke genießt sie die Freiheiten der Nachmittagsaufenthalte unter freiem Himmel. Dort beschäftigt sie vor allem das Treiben der Flora und Fauna, das Erblühen der ersten Knospen im Frühling, das Zwitschern und geschäftige Treiben der Amseln, Meise und Nachtigallen – ein gewichtiger Kontrast zu ihren sonst revolutionären Schriften. Gleichzeitig liest sie so viel sie kann: Goethe und Mörike sowie naturwissenschaftliche Werke über Pflanzen, Tiere und Geologie. Nach ihrem Umzug nach Breslau, besitzt sie solche Privilegien nicht mehr. Auch wenn sie gegenüber Sophie Liebknecht stets betont, wie wenig ihr die Haft anhaben kann, treten doch ihre Sehnsüchte zu Tage. Das Miteinandersein, die gemeinsamen Ausflüge, all das vermisst die Eingesperrte so schmerzlich, dass Leserinnen und Leser meinen, diesen Schmerz nachvollziehen zu können.
Dennoch schöpft Rosa Luxemburg ihre Kraft aus dem unbedingten Willen zum Leben. Die unbändige Freude über die Rettung eines Nachtfalters zeigt, welch hohen Stellenwert Rosa Luxemburg dem Leben tatsächlich beimisst. Ihre positive Auffassung des Lebens ist es schließlich, die sie die schwere Zeit der Haft überstehen lässt:
„Und ich lächle im Dunkeln dem Leben, wie wenn ich irgend ein zauberhaftes Geheimnis wüsste, das alles Böse und Traurige Lügen straft und in lauter Helligkeit und Glück wandelt. Und dabei suche ich selbst nach einem Grund zu dieser Freude, finde nichts und muss wieder lächeln über mich selbst. Ich glaube das Geheimnis ist nichts anderes als das Leben selbst […]“.
Editorische Notiz:
Die in eckigen Klammern gesetzten Zahlen markieren die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe; durch die Paginierung ist auch die digitale Version über die Referenz zur gedruckten Ausgabe zitierbar.
ROSA LUXEMBURG
Briefe aus dem Gefängnis
ZUR EINFÜHRUNG
Drei Jahre und vier Monate hat Rosa Luxemburg während des Krieges im Gefängnis verbracht, ein Jahr (vom Februar 1915 bis Februar 1916) im Berliner Weibergefängnis (Barnimstraße) für eine in Frankfurt a. M. gehaltene Rede über die Soldatenmisshandlungen, dann zwei Jahre und vier Monate (vom 10. Juli 1916 bis zum 10. November 1918) in „Schutzhaft" in Berlin, Wronke und Breslau. Sie war ganz von der Außenwelt abgeschnitten, nur Bücher und Briefe, die strenge Zensur passiert hatten, durften sie erreichen. Einmal im Monat war Besuch unter strenger Aufsicht gestattet.
Die Kraft der mutigsten Vorkämpferin des Proletariats sollte gebrochen und ihre weckende, die Lüge geißelnde, die Wahrheit wissende Stimme sollte zum Schweigen gebracht werden. Beides misslang. Dieser stählerne Wille erschlaffte nicht. Rosa Luxemburg hat in diesen Gefängnisjahren unermüdlich gearbeitet. – Die unsagbare Einsamkeit endloser Tage und Nächte sammelte alle Kräfte ihres Geistes und ihrer Seele. Die Leidenschaft der Erkenntnis ließ ihre Stimme zu Fanfarentönen anschwellen: die berühmte „Junius-Broschüre", die hinter Gittern entstand, war nicht der einzige Weckruf, der den Weg aus dem Gefängnis fand. Flugblätter, Aufrufe und wesentliche Beiträge zu den [8] „Spartakus-Briefen" wusste Rosa Luxemburg ihren politischen Freunden zu übermitteln. Durch aufreibende illegale Korrespondenz