Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski). Henryk Sienkiewicz

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Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski) - Henryk Sienkiewicz

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Pferd aber wendete ihr die dampfenden Nüstern zu und wieherte leise, als freue es sich der Liebkosung.

       Inhaltsverzeichnis

      Nichts waren alle Nächte, die Wolodyjowski durchlebt hatte, im Vergleich zu der, die er nach jenem Ereignis mit Christine verbrachte. Er hatte das Angedenken seiner Verstorbenen verraten, deren Erinnerung er doch liebte; er hatte das Vertrauen dieser Lebenden getäuscht, die Freundschaft mißbraucht; er war Verpflichtungen eingegangen, er hatte gehandelt wie ein gewissenloser Mensch. Mancher andere Soldat hätte sich aus einem solchen Kuß nichts gemacht, er hätte bei der Rückerinnerung an ihn höchstens seinen Bart gedreht; aber Wolodyjowski war, besonders seit Ännchens Tode, sehr peinlich, wie jeder Mensch, dessen Seele von Schmerz erfüllt, dessen Herz zerrissen ist. Was blieb ihm nun zu tun? Wie sollte er handeln?

      Es fehlten nur noch wenige Tage zu seiner Abreise, zu der Abreise, die alles zerstören und beendigen konnte. Aber ziemte es sich, davonzugehen und Christine nicht ein Wort zu sagen, sie so zurückzulassen, wie man das erste beste Mädchen zurückläßt, der man einen Kuß gestohlen hat? Gegen diesen Gedanken sträubte sich das tapfere Herz des kleinen Ritters. Selbst in dem Widerstreit, in dem er sich in diesem Augenblick befand, erfüllte ihn der Gedanke an Christine mit Wonne, und die Erinnerung an jenen Kuß durchrieselte ihn mit einem Schauer der Wollust. Es erfaßte ihn eine Wut gegen sich selbst, und doch konnte er sich gegen dies Gefühl der Seligkeit und Wonne nicht wehren. Übrigens nahm er die ganze Schuld auf sich.

      »Ich habe Christine dazu verleitet,« wiederholte er mit Bitterkeit und Schmerz, »ich habe sie dazu verleitet, deshalb geziemt es mir auch, nicht abzureisen, ohne ein Wort zu sprechen.«

      Wie also? Christine einen Antrag machen und als ihr Verlobter in die Ferne ziehen?

      Hier erstand vor den geistigen Augen des kleinen Ritters, in weißer Kleidung und selbst ganz weiß, wie aus Wachs geformt, die Gestalt Ännchen Borschobohatas, ganz so, wie er sie in den Sarg gelegt hatte.

      »Das kommt mir zu,« sagte jene Gestalt, »daß du mich beweinst und mir nachtrauerst. Erst wolltest du Mönch werden, mich das ganze Leben hindurch beweinen, nun nimmst du eine andere, ehe mein kleines Seelchen zu den Toren des Himmels hinaufzuschweben vermocht. Ach warte, laß mich erst in den Himmel gelangen, laß mich aufhören, diese Erde zu sehen!«

      Und es schien ihm, als sei er ein Meineidiger dieser reinen Seele gegenüber, deren Andenken er ehren und bewahren sollte wie ein Heiligtum. Es erfaßte ihn ein unermeßlicher Schmerz, Scham und Selbstverachtung. Er sehnte sich nach dem Tode.

      »Ännchen,« wiederholte er auf den Knieen, »ich werde nicht aufhören dich zu beweinen bis in den Tod; aber was soll ich jetzt tun?«

      Die weiße Gestalt antwortete nichts, sie entflatterte wie leichter Nebel, und dafür erschienen in der Phantasie des Ritters Christinens Augen und ihre Lippen, von leichtem Flaum bedeckt, und mit ihnen die Versuchungen, die der arme Kämpfer von sich abschüttelte wie die Pfeile der Tataren.

      So schwankte das Herz des Ritters nach beiden Seiten in Ungewißheit, Gram und Qual. Manchmal kam ihm der Gedanke, zu Sagloba zu gehen, ihm alles zu bekennen und diesen Mann um Rat zu fragen, dessen Verstand alle Schwierigkeiten zu überwinden schien. Hatte er doch alles vorausgesehen, alles vorausgesagt, was es heiße, mit den Weibern Freundschaft pflegen.

      Aber gerade diese Rücksicht hielt den kleinen Ritter zurück. Er erinnerte sich, wie streng er Sagloba zugerufen hatte: »Beleidigt Christine nicht!« Und nun, wer hatte Christine gekränkt? Wer dachte jetzt darüber nach, ob es nicht besser sei, sie wie ein beliebiges Mädchen zurückzulassen und davonzugehen?

      »Wäre es nicht um jene Ärmste, so würde ich mich keine Minute bedenken,« sagte der kleine Ritter zu sich, »und ich würde mich auch gar nicht kränken, im Gegenteil, ich würde mich in der Seele freuen, daß ich solch einen Schatz gekostet habe.«

      Nach einer Weile aber murmelte er:

      »Ich würde ihn gern noch tausendmal kosten!«

      Da er jedoch sah, daß ihn die Versuchung von neuem anfocht, schüttelte er sie von sich ab und begann zu erwägen:

      »Es ist geschehen. Da ich nun einmal gehandelt habe wie jemand, der nicht Freundschaft begehrt, sondern auf Cupidos Genüsse hofft, so muß ich schon diesen Weg weitergehen und Christine sagen, daß ich sie nehmen will.«

      Hier sann er einen Augenblick nach, dann fuhr er weiter fort:

      »... durch welche Erklärung auch die Vertraulichkeit von heute vollkommen den Charakter der Ehrbarkeit annimmt, und morgen kann ich mir dann schon neue erlauben ...«

      Hier schlug er sich mit der Hand auf den Mund.

      »Pfui,« sagte er, »da sitzt mir ein ganzes Regiment Teufel im Nacken.«

      Aber der Gedanke der Erklärung ließ ihn nicht mehr los; er machte sich einfach klar, daß, wenn er dadurch der geliebten Verstorbenen zu nahe träte, er sie durch Messen und Frömmigkeit versöhnen könne, wodurch er ihr zugleich beweisen würde, daß er ihrer stets gedenke und zu gedenken nicht aufhören werde.

      Im übrigen, wenn sich auch die Menschen wundern werden, wenn sie darüber lachen werden, daß er vor einigen Wochen noch vor Traurigkeit ein Mönch werden wollte, und daß er jetzt schon einer zweiten seine Liebe erklärt, so würde die Schande doch nur auf ihn fallen, während im entgegengesetzten Falle die unschuldige Christine Schande und Schuld mit ihm teilen müßte.

      »Ich will mich also morgen erklären, es kann nicht anders sein,« sagte er endlich.

      Das beruhigte ihn sehr; er sprach sein Gebet für Ännchen mit großer Andacht und schlief ein.

      Als er am anderen Morgen erwachte, wiederholte er:

      »Heute will ich mich erklären.«

      Aber das war nicht so einfach, denn Michael wollte es nicht allen kundgeben, er wollte zuvor mit Christine sprechen und nachher handeln, wie es sich ergeben würde. Indessen kam schon am anderen Morgen Nowowiejski und war überall.

      Christine ging in seltsamer Stimmung den ganzen Tag umher; sie war blaß, müde und hielt die Augen zu Boden gerichtet; bisweilen errötete sie bis über die Stirn, bisweilen zitterten ihre Lippen, als wollten sie weinen; dann wieder war sie wie schläfrig und abwesend.

      Dem Ritter wurde es schwer, sich ihr zu nähern, besonders aber längere Zeit mit ihr unter vier Augen zu bleiben. Er hätte sie ja aus dem Hause zu einem Spaziergang begleiten können, denn das Wetter war herrlich, und er hätte das auch früher ohne Skrupel getan; aber jetzt wagte er es nicht, es war ihm, als müßten alle gleich erraten, was vorging — alle gleich merken, daß er vor der Erklärung stehe.

      Zum Glück trat Nowowiejski für ihn ein; er führte die Frau Truchseß zur Seite und unterhielt sich mit ihr sehr lange. Dann kamen sie beide ins Zimmer zurück, in welchem der kleine Ritter mit den beiden Damen und mit Herrn Sagloba

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