Jahrhundertwende. Wolfgang Fritz Haug

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Übergang von der antikommunistischen Systemopposition zur Regierungsmacht. Zuvor wurde sie völlig außer-, ja antistaatlich verstanden, jetzt quasi staatstragend. Mazowiecki formuliert diesen Sachverhalt allerdings positiv, gehöre doch zum »Wesen des demokratischen Systems nicht nur der Schutz von individuellen Rechten, sondern auch der Schutz autonomer Sphären im gesellschaftlichen Leben. Im demokratischen System ist die ›civil society‹ etwas […], was nicht in Opposition zum Staat steht.« Jetzt muss der eigne Staat vor Ansprüchen der Bürger geschützt werden. Kurz, ein Umbau der Ideologie ist vonnöten. Vorher herrschte de facto zwischen Familie plus Freundeskreis und Volk ein Vakuum, das erst jetzt allmählich gefüllt werden kann. Eine weitere ideologische Umbaunotwendigkeit: »Die Einführung der Marktwirtschaft erfordert […] unbedingt […], dass die Menschen die Tatsache akzeptieren, dass verschiedene Phänomene im Bereich der Produktion, Distribution und Investition das Ergebnis des Zusammenspiels vieler komplexer Faktoren sind, auf deren Verbindung niemand direkt Einfluss nehmen kann, ohne den empfindlichen Mechanismus […] zu zerstören«. Die Formationen der vormaligen Opposition drohen nun zu Störfaktoren zu werden. »Die ›Solidarnosc‹ hat den Weg zu einer ›Nur-Gewerkschaft‹ noch nicht ganz gefunden.« Schön jesuitisch formuliert. Mazowiecki wagt nicht zu sagen, dass auch die Kirche den Weg zu einer Nur-Kirche noch nicht ganz gefunden hat, aber das will er im Grunde sagen. »Bislang erfüllte sie gewissermaßen Ersatzfunktionen: In Angelegenheiten des öffentlichen Lebens sprach sie für die Gesellschaft. Der ›civil society‹ gab sie Asyl.« Er fürchte nicht, »dass es in Polen zur Herausbildung eines konfessionellen Staates kommen muss.« Gefährdet sei die Demokratie durch »das populistische Chaos« und die Gewaltkonzentration auf eine Führungsperson (Walesa nennt er nicht, meint ihn jedoch). Übrigens erwähnt er den Fall des Präsidentschaftskandidaten Tyminski, dessen Anziehungskraft er mit einem »magischen Kapitalismus« begründet.

      27. August 1991

      Gespenstische Post: von Nowosti soeben den Entwurf zum Unionsvertrag erhalten, eine Woche alt und schon aus einer anderen Zeit. Dazu Lukjanows Nachbesserungsforderungen vom Standpunkt der Zentralmacht.

      28. August 1991

      Gorbatschow hat seinen Verbleib im Amt vom Abschluss eines neuen Unionsvertrags abhängig gemacht. In der BBC hörte sich das an, als gälte die Rücktrittsdrohung dem Westen, falls er sich zu sehr mit der Anerkennung der drei baltischen Staaten beeilt.

      Jelzin will Japan die Kurilen geben. Er zahlt Eintritt.

      *

      Der jugoslawische Bürgerkrieg in den Hintergrund gedrängt. Die Namen von zerstörten Orten, die uns etwas sagen, denen das Jugoslawien der Selbstverwaltung ein Stück politischer Heimat bedeutet hat. Wäre unser zeitweiser Ziehsohn Yuri, der bei uns auf sein Visum wartete, nicht nach Neuseeland ausgewandert, müsste er jetzt beim Militär dienen.

      29. August 1991

      Die FAZ will, dass die EG in den jugoslawischen Bürgerkrieg eingreift. Was die Sowjetunion angeht, hat die FAZ entdeckt, dass die Atomrüstung unbestritten an Russland übergehen würde, so dass der Auflösung der Union nichts im Wege steht.

      Als ich Swetlana Askoldowa telefonisch Katja Maurers Bitte übermittle, mit ihr ein Gespräch für den »Freitag« zu führen, sagt sie mehrfach: »Ihr könnt nicht wissen, wie die Dinge in Moskau abgelaufen sind.« Es klingt bedrohlich. Sie will es mir unter vier Augen erklären.

      30. August 1991

      Als ich heute anrief, hingen die Askoldows gerade am Radio. Swetlana erregt, ich meinte, Angst zu spüren. Voller Entsetzen verfolgen sie Jelzins Gegenputsch. Sie erzählt von den Haussuchungen bei zehn Abgeordneten heute Nacht, darunter Falin. In den Nachrichten sehe ich einen Verbitterten und verlassenen Gorbatschow. Jakowlew, Schewardnadse und Popow haben ihm eine Abfuhr erteilt, als er sie für den neuen Sicherheitsrat vorschlug, der provisorisch die SU verwalten soll. Jelzin hat in aller Eile mit der Ukraine ein Wirtschaftsabkommen geschlossen, das als Kristallisationspunkt für die Bestandteile der auseinanderfallenden Union dienen soll, ihre Probleme ohne Zentralregierung zu bearbeiten. Gorbatschow wird es nicht mehr lange machen, und das Parlament scheint die Legitimität verloren zu haben.

      31. August 1991

      Beim Wiederlesen der vor einem Jahr angefertigten Notizen fällt mir auf, dass die politische Rekonstituierung Russlands den Beginn der Auflösung der Sowjetunion markierte. Russland in den Knien unter der imperialen Last. Wird es die Last abwerfen? Steht ihm eine Entwicklung bevor analog zu der des Westens nach der Entkolonialisierung, hin zu einem marktvermittelten Neokolonialismus?

      An etwas Misslingendem teilzunehmen, importiert das Misslingen.

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