Slow Slim. Marion Reddy

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kann in der Post-Diät-Phase keine Rede sein. Die künstliche Hungersnot hat die gewohnten Abläufe im Körper komplett aus dem Gleichgewicht gebracht. Das Notfallprogramm, das der Organismus da abspult, ist eine generalstabsartig geplante Hilfsaktion gegen den Hungertod. Allerdings fühlt es sich ganz und gar nicht wie Hilfe an. Vom Gefühl her ist es astreines Chaos. Die Medizin kann das sogar sichtbar machen und zwar mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie, kurz fMRT.

      Die fMRT ist eine Untersuchung, bei der die Gehirnregion, die gerade aktiv ist, besonders bunt und intensiv aufleuchtet. In den Studien, die uns im Sinne des Abnehmens interessieren, legten sich die Versuchsteilnehmer zweimal in die fMRT: vor und nach der Gewichtsreduktion. In beiden Fällen bekamen sie in der Röhre jeweils dieselben Bilder von unterschiedlichen Köstlichkeiten vorgeführt, wobei das Gerät die Gehirnaktivität im Belohnungssystem und im präfrontalen Cortex gemessen hat.

      Beim zweiten Durchgang machten die Forscher eine spannende Entdeckung. Das Belohnungssystem war nach der Diät viel aktiver als davor. Dafür zeigte der präfrontale Cortex deutlich weniger Aktivität.

      Diese Konstellation ist leider denkbar ungünstig für jeden Vorsatz zum Abnehmen. Denn durch die vermehrte Aktivierung des Belohnungssystems ist die Lust auf bestimmte Nahrungsmittel viel größer. Die emotionelle Bedeutung des Essens nimmt zu. Gleichzeitig nehmen die vernünftigen Gedanken ab, die Kontrolle über sich selbst sinkt, und sämtliche Pläne verlieren an Bedeutung. Der Mechanismus ist darauf ausgelegt, alle Gedanken in eine einzige Richtung zu verschieben. Sie werden darauf fokussiert, möglichst rasch möglichst fette oder süße Speisen zu konsumieren.

      Wir stecken sozusagen in unserer eigenen Gehirnwäsche.

      Wissenschaftler haben dieser Veränderung des Körpers und vor allem des Gehirns nach radikalen Abnehmkuren einen seriöseren Namen gegeben. Manche nennen es das Post-Diät-Syndrom.

      Der amerikanische Neurochirurg Frank T. Vertosick hat einmal geschrieben: »You will never be the same when the air hits your brain.« Sie werden niemals mehr dieselbe Person sein, wenn einmal Luft an ihr Gehirn gekommen ist. Er meinte damit eine Gehirnoperation.

      Doch die ist gar nicht nötig, um unser Gehirn komplett zu verändern. Eine Radikaldiät hat den gleichen Effekt.

      Waffe Nummer 5:

      Serotonin

      Die nächste Waffe, mit der der Körper droht, um uns jede Diät zu vermiesen, ist das Serotonin. Genauer gesagt, droht er damit, es uns wegzunehmen.

      Serotonin ist ein im Gehirn gebildeter Neurotransmitter, der für unsere Stimmung und gute Laune verantwortlich ist. Deshalb nennen wir es auch das Wohlfühl- oder sogar Glückshormon. Es gehört eindeutig zu den Sonnenscheinchen unter den Botenstoffen.

      Damit wir im Gehirn Serotonin bilden können, benötigen wir zunächst seinen Vorläufer: das Tryptophan. Es ist eine der essentiellen Aminosäuren, die in unserem Organismus nicht selbst gebildet werden können, und deshalb von außen kommen müssen, also über die Nahrung. Tryptophan muss die Barriere zwischen Blut und Gehirn, die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, überwinden, um zu Serotonin umgebaut zu werden.

      Ausschlaggebend dafür ist der Insulinanstieg nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit. Durch ihn wird der Serotonin-Vorläufer Tryptophan viel leichter im Gehirn aufgenommen. Kohlenhydrate steigern also die Bildung und Freisetzung von Serotonin im Gehirn.

      Jetzt heißt es aber, dass es sich mit sehr kohlenhydratarmen Diäten sehr schnell abnehmen lässt. Das ist an sich nicht falsch, aber wir dürfen uns nur kurzfristig darüber freuen. In Studien wurde nachgewiesen, dass sich längerfristig keine besseren Ergebnisse zeigen als bei den Diäten, in denen die Kohlenhydrat-Polizei weniger streng ist.

      Außerdem haben kohlenhydratarme Diäten die meisten Nebenwirkungen, auch das ist von Studien untermauert. Die Versuchsteilnehmer wurden häufiger depressiv, hatten Stimmungsschwankungen und seelische Tiefs. Man braucht sich nicht lange zu fragen, woher das kommt. Schließlich fehlten ihnen die Kohlenhydrate, die mithelfen sollten, das Tryptophan über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn zu lotsen.

      Wer im Winter abnehmen will, kann leicht in eine weitere Serotonin-Falle stolpern. Sonnenlicht begünstigt nämlich die Bildung des Glückshormons. Bei Lichtmangel fällt die Serotonin-Ausbeute weit bescheidener aus und auch der Transport zwischen den Zellen ist eher zäh. Das erklärt teilweise auch den Blues und die Depression im Winter. Dem Körper ist die Serotonin-Flaute nicht gleichgültig und er versucht, den Lichtmangel auszugleichen. Leider ausgerechnet damit, dass uns das Gehirn Lust auf tryptophanhaltiges Essen macht. Allem voran Schokolade, in der eine Menge Tryptophan enthalten ist, und schon sind wir wieder am Anfang: beim Anstieg von Zucker- und Insulinspiegel im Blut, der die Aufnahme von Tryptophan im Gehirn erleichtert, aus dem dann das Serotonin wird.

      Ins Kalorienhaltige übersetzt, pfeif auf die Wintersonne, eine große Tafel Vollmilch-Schokolade ist geradezu ideal, um ordentlich Serotonin zu bilden.

      Egal aus welchem Grund das Glückshormon Mangelware ist, die Auswirkungen sind immer dieselben. Wir sind schlecht gelaunt, depressiv, können uns zu nichts aufraffen und haben Heißhunger auf Kohlenhydrate. Die üblichen vier Stationen auf dem direkten Weg in die nächste Fressphase, der kaum etwas entgegenzusetzen ist. Dass der Körper nach Serotonin giert und das Gehirn uns in Solidarität zu ihm von simplen Morgen- zu herzhaften Ganztagsmuffeln macht, bringt uns selten auf gute Gedanken. Im Gegenteil, auch sie verschwören sich gegen uns. Im Bestreben, die üble Stimmung möglichst schnell loszuwerden, fällt ihnen nur noch etwas Süßes ein.

      Wer unter diesen Umständen seine Diät durchsteht, ist ein Held. Aber selbst ihm wirft die Natur, die es einst so gut gemeint hat mit uns, noch Knüppel zwischen die Beine. Während oder nach einer Diät werden, auch das ergaben Studien, Enzyme gebildet, die die Umwandlung von Tryptophan zu Serotonin hemmen.

      Die Steppschritte zur Schokolade sind uns nun schon hinlänglich bekannt. Aber dieses Wissen nützt uns wenig. Wir tänzeln gegen jede Vernunft auf die Katastrophe zu. Unsere Gedanken kreisen um die Schoko-Regale und das Gehirn kennt nur noch ein Thema: Bei welcher Gelegenheit können wir sie am besten plündern.

      Wenn es dann passiert ist, ist das Desaster perfekt. Die 300 Gramm Milchschokolade mit ganzen Haselnüssen ist verputzt, aber das ganze Tryptophan, das wir uns damit einverleibt haben, kann nicht ausreichend zu Serotonin umgewandelt werden, weil die Radikaldiät ja die Enzyme beschädigt hat, die das Tryptophan in Serotonin umwandeln.

      Um die Kalorienbombe so richtig platzen zu lassen: Trotz des Hochgenusses aus Nuss-Nougat, Milchschokolade und fetten Haselnüssen bleibt das Serotonin auf einem Tiefstand. Dafür nähert sich die üble Stimmung rapide dem Maximum. Nicht zu reden vom Heißhunger auf neue Süßigkeiten.

      Paula braucht man diesen Zustand nicht weiter auszumalen. Sie kennt ihn. Sie hat ihn mir anschaulich beschrieben, bei unserem Treffen im Kaffeehaus. »Ich kann mich nicht wirklich freuen über diese Figur, über mein neues Gewicht. Ich denke ständig an Essen, wie viel besser es mir durch einen Kuchen oder eine kleine Schokolade gehen würde. Dann versuche ich wieder meine Gedanken zu kontrollieren, weil sie mir Angst machen. Es ist, als ob mir etwas fehlen würde. Ich bin gereizt, angespannt und trotzdem irgendwie schlaff.«

      Ohne es beim Namen nennen zu können, hat Paula schon gewusst, was ihr fehlte. Ihr fehlte das Glück in der einfachen Form des Hormons Serotonin. Die Steinzeit sitzt uns immer noch in Fleisch und Blut. Damals war es echter Hunger, heute ist es eine Diät, derentwegen der Körper uns mit allen Mitteln dazu bringen will, uns Kalorien zuzuführen.

      Der Kreislauf ist absurd. Die Serotoninbildung zu erschweren,

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