Das Tor von Auschwitz. Helmut Lauschke
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Aus einer psychiatrischen Begutachtung zur Frage der geistigen Zurechnungsfähigkeit. Professor: Dr. "X" weiß, dass er die Geschehnisse von Auschwitz aus der Erinnerung nicht ausradieren kann. Der fürchterliche Geruch und die fürchterlichen Geschehnisse sind in Dr."X" noch so lebendig, dass er sich fürchtet, näher an das Tor des Todes mit den Gaskammern und den Verbrennungsöfen herangeführt zu werden, weil er an den Grausamkeiten an wehrlosen Menschen und Kindern beteiligt war. Die Entfernung vom elsässischen Straßburg nach Ausschwitz in Südpolen, zwischen denen einst eine enge Kooperation in der «Pigmentforschung» an menschlichen Augen bestanden hatte, ist ein Hinweis dafür, wie groß die Angst vor der Bestrafung für die von ihm begangenen Taten ist, die schon damals seinem Wissen vom Menschen und seinem Gewissen vor der Menschlichkeit aufs Schärfste widersprochen haben mussten. Deswegen steckt ihm der Geruch von Auschwitz noch tief in der Nase, den er da nicht mehr wegbekommt. Mit den Taten von damals hat der Täter das menschliche Gesicht verloren. Er gab das Tätergesicht in die plastische Chirurgie, um es verändern zu lassen. Es ist ein entstelltes, skurriles Monstergesicht mit der ästhetisch fehlenden Mitte geworden, weil es auch nach operativer Veränderung kein menschliches Gesicht mehr werden konnte, auch wenn er sich dabei die Ohren anlegen ließ. Darüber hinaus wollte er den Namen, den ihm seine Eltern gegeben hatten, nicht mehr tragen. Dr."X" sagte im Gespräch, dass in ihm das Gefühl für die Heimat mit der schweren Kindheit gestorben sei. Er wollte ein anderer, ein neuer Mensch mit einem anderen, neuen Namen sein. Doch ein anderer Mensch ist er damit nicht geworden. So tat er es zur Tarnung, um als der Täter von Auschwitz, als der «Hüne von Unmensch mit dem sächsischen Dialekt» nicht erkannt zu werden. Er tat es aus Angst und nicht aus Buße. Dr."X" wird es begreifen müssen, dass er das menschliche Gesicht nicht mehr bekommen und seinen Taten nicht davonlaufen kann. Im Gespräch zeigte er sich von überdurchschnittlicher Intelligenz und Wachsamkeit. Er misstraut den Menschen, dass sie dahinterkommen, was er in Auschwitz getan hat. Es ist die Angst, die bei ihm schwerer wiegt als der Versuch einer Entschuldigung für das, was er getan hat, was im höchsten Maße unmenschlich und verwerflich war. Nun ist es die Krebsgeschwulst der Vernichtung, die am Ende auch den Täter verzehrt. Dr."X" ist in einer guten geistigen Verfassung und voll zurechnungsfähig für das, was seine Taten betrifft.