Leni Behrendt Classic 59 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
In dem großen Krankenhaus herrschte die erhabene Ruhe, die sich den meisten Menschen so beklemmend aufs Gemüt legt. Scheu streifen die Augen die lackierten Türen, die trotz ihrer fleckenlosen Weiße so viel Unheildrohendes ausströmen, welches das Herz zu stürmischen Schlägen veranlaßt und die Knie weich werden läßt. Denn man weiß ja nicht, was hinter diesen Türen lauert – hoffnungsvolles Genesen oder hoffnungsloser Tod. An einem Vormittag huschte eine blutjunge Schwester den spiegelblank gebohnerten Korridor entlang, die die Empfindungen eben erwähnter angstgepeinigter Menschen nicht teilte, weil ihr all das ringsum vertraut war und sie diese beklemmende Luft geatmet hatte seit ihrem ersten Schrei. Mit der Sicherheit der Vielgeübten trug sie ein Tablett in den Händen, auf dem eine Karaffe mit funkelndem Wein und ein Glas standen. Sie wollte gerade zu einer der weißen Türen abbiegen, als aus dem gegenüberliegenden Zimmer der Professor der Anstalt in Begleitung des Oberarztes trat. Die klaren, durchdringenden Augen des Professors blieben an der Schwester haften, die darob eine solche Unsicherheit befiel, daß das Tablett heftig wankte und die Karaffe in gefährliches Rutschen geriet, während das Glas zu Boden klirrte und vor den Füßen des erstaunten Professors zerschellte. Und hätte der Oberarzt nicht rasch zugegriffen, so wäre auch die Karaffe dem Weg des Glases unweigerlich gefolgt. Nun stand die Schwester da – blutübergossen das reizende Gesichtchen und in den Augen so banges Flehen, als wollte sie den Gefürchteten um Verzeihung bitten, daß sie die Vermessenheit habe, auf der Welt zu sein. Kopfschüttelnd betrachtete der Professor das erschrockene Mädchen, und während er mit dem Oberarzt weiterschritt, zuckte ein Lächeln um den harten Mund. «Nun sagen Sie mal, mein lieber Doktor, was ist eigentlich mit der Kleinen los?» richtete er das Wort an seinen Begleiter. «Sehe ich denn so furchterregend aus, daß sie mir die mannigfaltigsten Dinge vor die Füße wirft, sobald sie mich nur sieht?» Der Blick des Arztes streifte den Vorgesetzten, der ihm in seiner imposanten Männlichkeit um eine halbe Haupteslänge überragte. «Muß doch wohl», war seine lachende Erwiderung. «Sie sind für dieses Aschenputtel der Anstalt wahrscheinlich der Gott, der über allen Wolken thront, und es zollt Ihnen den Tribut eben auf seine Weise.» «Sonderbare Ehrenbezeigung», trat der Professor die Erklärung trocken ab. «Da kann ich mich ja noch auf allerlei gefaßt machen.»
In dem großen Krankenhaus herrschte die erhabene Ruhe, die sich den meisten Menschen so beklemmend aufs Gemüt legt. Scheu streifen die Augen die lackierten Türen, die trotz ihrer fleckenlosen Weiße so viel Unheildrohendes ausströmen, welches das Herz zu stürmischen Schlägen veranlaßt und die Knie weich werden läßt. Denn man weiß ja nicht, was hinter diesen Türen lauert – hoffnungsvolles Genesen oder hoffnungsloser Tod. An einem Vormittag huschte eine blutjunge Schwester den spiegelblank gebohnerten Korridor entlang, die die Empfindungen eben erwähnter angstgepeinigter Menschen nicht teilte, weil ihr all das ringsum vertraut war und sie diese beklemmende Luft geatmet hatte seit ihrem ersten Schrei. Mit der Sicherheit der Vielgeübten trug sie ein Tablett in den Händen, auf dem eine Karaffe mit funkelndem Wein und ein Glas standen. Sie wollte gerade zu einer der weißen Türen abbiegen, als aus dem gegenüberliegenden Zimmer der Professor der Anstalt in Begleitung des Oberarztes trat. Die klaren, durchdringenden Augen des Professors blieben an der Schwester haften, die darob eine solche Unsicherheit befiel, daß das Tablett heftig wankte und die Karaffe in gefährliches Rutschen geriet, während das Glas zu Boden klirrte und vor den Füßen des erstaunten Professors zerschellte. Und hätte der Oberarzt nicht rasch zugegriffen, so wäre auch die Karaffe dem Weg des Glases unweigerlich gefolgt. Nun stand die Schwester da – blutübergossen das reizende Gesichtchen und in den Augen so banges Flehen, als wollte sie den Gefürchteten um Verzeihung bitten, daß sie die Vermessenheit habe, auf der Welt zu sein. Kopfschüttelnd betrachtete der Professor das erschrockene Mädchen, und während er mit dem Oberarzt weiterschritt, zuckte ein Lächeln um den harten Mund. «Nun sagen Sie mal, mein lieber Doktor, was ist eigentlich mit der Kleinen los?» richtete er das Wort an seinen Begleiter. «Sehe ich denn so furchterregend aus, daß sie mir die mannigfaltigsten Dinge vor die Füße wirft, sobald sie mich nur sieht?» Der Blick des Arztes streifte den Vorgesetzten, der ihm in seiner imposanten Männlichkeit um eine halbe Haupteslänge überragte. «Muß doch wohl», war seine lachende Erwiderung. «Sie sind für dieses Aschenputtel der Anstalt wahrscheinlich der Gott, der über allen Wolken thront, und es zollt Ihnen den Tribut eben auf seine Weise.» «Sonderbare Ehrenbezeigung», trat der Professor die Erklärung trocken ab. «Da kann ich mich ja noch auf allerlei gefaßt machen.»