Die Nächste, bitte!. Gerhard Kitzler
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„Fruchtbarkeit“
Malerei auf Seide, 80 cm x 80 cm, 2001
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Schmerzensbisse
Während des Medizinstudiums müssen die Studenten ein einwöchi-ges Geburtshilfe-Seminar besuchen, damit sie nach Absolvierung ein Kolloquium über den erlernten Stoff ablegen können. Dieses Kolloquium war Voraussetzung, um eine Prüfung über die medizi-nische Fachrichtung Gynäkologie machen zu können.
So verbrachte auch ich während meines Studiums eine Woche Tag und Nacht an der Ersten Universitäts-Frauenklinik des Wiener All-gemeinen Krankenhauses.
Dort wurden wir zu jeder Tages- und Nachtzeit gerufen, um bei den gerade stattfindenden Geburten zuzuschauen und dadurch viele geburtshelferische Vorgänge begreifen und erlernen zu kön-nen.
In der Mitte meiner Ausbildungszeit wurde ich mittels einer Alarm-glocke und einem rot blinkenden Licht in der Nacht zu einer Geburt gerufen.
Im Kreissaal befand sich eine sehr kräftige, zirka 1,80 m große gebärende Frau, welche offensichtlich jugoslawischer Abstammung war. Die Geburt war schon weit fortgeschritten, sodass sich die Ge-bärende bereits in den Presswehen befand.
An ihrem Kopfende saß ein ungefähr vierzigjähriger Arzt, wel-cher mit einem weißen Arbeitsmantel bekleidet war. Er versuchte auf die Patientin während der Geburt beruhigend einzureden, da sie vor Schmerzen wild um sich schlug und laut schrie.
„Joi! Joi! Joi! …“, hallte es durch den Kreissaal und wohl auch noch in den davor befindlichen Gängen.
Ich gesellte mich auf die andere Seite zu ihrem Kopfende und versuchte beruhigende Worte für sie zu finden, obwohl ich mir nicht sicher war, ob sie die deutsche Sprache beherrschte und mich verstand.
Dabei gelang es ihr, mit ihren kräftigen Händen meinen linken Arm zu packen und drückte diesen derart fest zusammen, dass ich am liebsten in ihr Schmerzensgeschrei eingestimmt hätte.
Mit der anderen Hand fuchtelte sie wie wild herum und fuhr dabei dem Arzt den weißen Mantel hinab, wo sie in der Höhe der Gürtellinie auch bei ihm Halt zu finden suchte.
Der Arzt entzog sich ihrer verzweifelten Zugriffe durch eine rasche Drehung mit den Worten:
„Nein! Das brauche ich noch!“
Anschließend knöpfte er sofort seinen Mantel zu.
Zu diesem Zeitpunkt ließ offensichtlich die Wehentätigkeit bei der gebärenden Frau nach, so dass sich auf Grund der nachlassenden Schmerzen ihr fester Griff um meinen Arm lockerte.
Der Arzt und ich begannen beide gleichzeitig erleichtert zu lä-cheln. Dabei erzählte er mir den Grund für die voher stattgefundene Reaktion, welche meiner Meinung nach etwas übertrieben gewesen war.
„Herr Kollege!“, sprach er zu mir. „Sie glauben gar nicht, was einem in unserem Beruf alles passieren kann! Vor einer Woche saß ich genauso wie eben jetzt am Kopfende einer gebärenden Patientin, das Gesicht von ihr abgewandt, und versuchte durch festes Drücken am Bauch der Patientin die Presswehen zu unterstützen und so die Geburt zu erleichtern. Plötzlich verspürte ich einen stechenden Schmerz in meinem Hinterteil. Ich musste zu meiner Überraschung feststellen, dass mich die gebärende Dame soeben in mein Gesäß gebissen hatte.“
So gesehen war ich eigentlich mit den von mir ertragenen Schmer-zen in meinen linken Arm gut davongekommen.
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Verschiedene Hautfarben
An der Ersten Medizinischen Universitätsklinik konnte ich wäh-rend meiner Famulatur folgenden Vorfall beobachten.
In einem Zweibettzimmer lagen zwei Männer, welche beide als Privatpatienten von Herrn. Univ.-Prof. Dr. D. aufgenommen waren, nebeneinander in ihren Krankenbetten.
Der eine Patient war an Ikterus (Gelbsucht) erkrankt und hatte auf Grund einer Hepatitis ein zitronengelbes Hautkolorit. Sein Nachbar war zuckerkrank und litt an den Folgekrankheiten des Diabetes in Form einer Niereninsuffizienz und einer peripheren Durchblutungsstörung.
Wegen der schlechten Durchblutung seiner unteren Extremi-täten hatte sich bei ihm ein Unterschenkelgeschwür entwickelt. Deswegen wurde damals ein Farbstoff mit dem bereits bezeichnen-den Namen „Blau“ injiziert, um die noch durchbluteten Areale zu markieren und so von den nicht mehr mit Blut versorgten Gebieten zu unterscheiden. Bei der Verabreichung des an und für sich harm-losen Farbstoffes geschah es, dass dieser in ein venöses Gefäß gelangte, wodurch eine systemische Verabreichung erfolgte. So er-hielt der Patient eine himmelblaue Hautfarbe.
Man kann sich gut vorstellen, dass es zur allgemeinen Erheiterung beitrug, als jener Patient vom Untersuchungsraum in das Kranken-zimmer zu dem an Gelbsucht leidenden Zimmerkameraden zurück-gebracht wurde.
Bei jeder Visite vermittelte der Anblick der beiden Männer mit dem gelben und blauen Hautkolorit den Eindruck, aus einer Szene eines Sketches zu stammen.
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„Flaschengeist“
Malerei auf Seide, 80 cm x 80 cm, 2000
Schlaganfall
Eines Tages erhielten wir folgenden Einsatzbefehl am Computer-bildschirm unseres Einsatzfahrzeuges mit der Vermutungsdiag-nose:
„Schlaganfall in der Wohnung!“
So schnell wie möglich nahmen wir die Fahrt auf und fuhren zum Berufungsort. Dort angelangt, mussten wir leider feststellen, dass der Aufzug im Stiegenhaus außer Betrieb war. Die Wohnung unse-res Einsatzortes befand sich im 4. Stock eines Wohnhauses der Gemeinde Wien, und so musste das gesamte Rettungsteam samt Einsatzgepäck zu Fuß die Treppe hinaufeilen.
An diesem Tag war ich mit meinen 100 Kilogramm Körperge-wicht geradezu der Schmächtigste unseres Rettungsteams.
Im vierten Stock angelangt pochten und läuteten wir lautstark, voll-kommen außer Atem, an der Wohnungstür der Person, welche die Rettung dringend gerufen hatte.
Nach einiger Zeit öffnete ein von Alkohol beeinträchtigter, zirka 65-jähriger Mann die Eingangstüre seiner Wohnung und sagte:
„Was?! Ein Taxi, das in 5 Minuten da ist?!“
Es war vermutlich das teuerste „Taxi“ seines Lebens.
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Blaulicht
Während meiner Dienstzeit als Notarzt beim Wiener Roten Kreuz hörte ich folgende Geschichte als wahre Begebenheit:
Eines Tages erreichte die Funkzentrale des Wiener Roten Kreuzes folgender Funkspruch:
„Zentrale