Qualitative Medienforschung. Группа авторов

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sozialstrukturell in verschiedenen Regionen der Mitte verorten ließen. Diana Crane (1992) hat ein Modell der Mediendifferenzierung vorgeschlagen, das sich auf die Differenzierung zwischen Spezialdiskursen von Kulturwelten (z. B. Special-Interest-Zeitschriften) und Interdiskursordnungen des Medien-Mainstreams (z. B. nationale Zeitungen, die populären Formate der Fernsehsender) beziehen lässt. Etwas vereinfachend kann man sagen, dass die Medienperipherie die kulturweltlichen Medien-foren beinhaltet, während das Medienzentrum im Sinne Links die Sphäre der Interdiskurse ist. Als kulturweltliche Medienforen für die populären Musikwelten wurden spezielle Musikzeitschriften als »Zentralorgane« der diskursiven Distinktion ausgemacht, hier wurde mit den Redaktionen eine bedeutende Sprecherposition ausgemacht, anhand von Texten war der Diskurs über »Musik« gezwungen sich niederzuschlagen, waren alle Thematisierungen, Problematisierungen, Strategien der Musikwelten textlich dokumentiert. Es wurden Daten gesammelt, welche Zeitschriften vorhanden waren, was ihre Auflagen waren, und es wurde in Gesprächen mit Vertretern aus beiden Musikwelten und anhand vorgängiger Forschungen geprüft, welchen Status welche Medien in der Technowelt und der Metalwelt innehatten. Da absehbar wurde, dass eine größere Textmenge in zwei Korpora eingehen würde, wurde geprüft, ob ein qualitatives Datenanalyseprogramm die Diskursanalyse hinsichtlich Materialorganisation, Rekursivität und Systematik unterstützen konnte. Problematisch war dabei, dass das elaborierte QDAS auf die Methodologie der Grounded Theory (→ Lampert, S. 596 ff.) bezogen ist. Entsprechend musste das Codiermodell kontrolliert und diskursanalytisch umgearbeitet werden. Schließlich wurde ATLAS/ti verwendet.

      Für die beiden Korpora wurden die redaktionellen Beiträge der Zeitschriften Raveline und METAL HAMMER der ersten Jahreshälfte 1999 herangezogen. Diese wurden eingescannt. Um die analytische Sensibilität zu erhöhen und die Aufmerksamkeit für die ersten Analyseschritte kontinuierlich beizubehalten, wurde ein Set heuristischer Fragestellungen entwickelt, die auch die Funktion hatten, die Anwendung der Theoriebasis auf den Korpus zu unterstützen. Darunter waren Fragen wie: Welche Qualitäten werden als verantwortlich für die Entstehung der Qualität von »Kunst« und »Kultur« thematisiert? Worin besteht die Leistung der Produzenten? Wie werden Arbeitsbedingungen und das Arbeitsethos dargestellt? Welche Dimensionen treten für die Klassifikation der Kunst und Kultur hervor? Welche Adjektive, Metaphern, Symbole werden verwendet? Was gilt als Werk? Woraus besteht es, welche Bedeutung hat es? Was sind Kriterien für gute und schlechte Kunst und Kultur? Wer kann sich legitim äußern? Was befähigt ihn dazu? Wie sollen Kunst und Kultur ausgestellt, aufgeführt und vertrieben werden? Wie soll das Werk erlebt werden? Wie soll das Publikum mit den Werken umgehen und sich verhalten? Für wen ist die Kunst und Kultur gedacht? usw.

      Die Oberflächenanalyse konnte damit aufgenommen werden. Hier wurden zunächst der Textkorpus der Zeitschrift METAL HAMMER (Metalwelt) mehrfach durchgesehen und nach und nach festgehalten (codiert), welche Aspekte (»Begriffe«, »Objekte«, »Sprechermodalitäten«, »Thematischen Wahlen/Strategien«) auftraten. Anschließend wurden für den Textkorpus der Zeitschrift Raveline (Technodiskurs) diese Durchsichten absolviert. Dabei wurde darauf geachtet, dass die ersten Befunde für den Metaldiskurs nicht einfach als Analysekategorien auf die Analyse des Technodiskurses übertragen wurden, sondern die beiderseitigen Besonderheiten zur Geltung kamen.

      Im nächsten Schritt wurde die interpretative Analytik durchgeführt. Deren Resultate zeigen, dass die Musik in beiden Musikwelten völlig unterschiedlich diskursiv konstruiert und mit anderen Themen verknüpft wird. Vergegenwärtigt man sich, dass heutzutage im Grunde jede Musik (also auch Heavy Metal) rein elektronisch hergestellt werden könnte, dass die Elektronik und die digitale Nachbereitung in die Verstärkertechnik des Heavy Metal längst Einzug gehalten hat, viele Heavy Metal-Subgenre dem Sound von angrenzenden Techno-Subgenres nicht unähnlich sind, so wird schnell deutlich, dass die nicht-diskursive »Realität« keine Erklärungsgrundlage bietet für die diametral kontroversen Diskurse. Erst die Diskurse machen aus der »Musik« eine sozial relevante Sinnsphäre, die ohne diskursive Praktiken semantisch offen, also unbestimmt bliebe. Insgesamt lässt die Metalwelt eine handwerkliche Diskurslogik erkennen, in der die Erarbeitung und die handwerkliche Qualität der Musik das Arbeitsethos der Musiker ausmacht. Sich schrittweise steigern (wie die Stufen der handwerklichen Ausbildung: Lehrling-Geselle-Meister), intensiv proben, hart seinen eigenen Erfolg erarbeiten und so rechtfertigen, die eigenen Stücke selbst und arbeitsteilig herstellen (komponieren, aufnehmen und aufführen) können, auf der Bühne die Musik selbst auch so reproduzieren können, wie sie auf dem Album klingt, sind zentrale Elemente des Metaldiskurses. Die Band wird als die dauerhafte, identitätsstiftende Produktionseinheit gedacht, die letztlich verantwortlich ist für die Integration verschiedener Musiker und die Kontinuität ihrer Produkte. Der Technodiskurs hat eine Nähe zum Berufsethos von Selbständigen und Freiberuflern. Hier zählt das Grenzgängertum (Transfergewinne erzielen) und das Sampeln von Stücken anderer, die man eben nicht selbst komponiert hat. Das Arbeitsethos integriert Spaß und Professionalität, die künstlerische Identität speist sich diskursiv aus dem Netzwerk verschiedener Projekte und ist nicht eingeengt durch die Erwartung einer kontinuierlichen Entwicklung und Steigerung. Technomusiker sind im engeren Sinne Allrounder, Programmierer und Mixer; das dominierende Selbstkonzept ist dasjenige von Künstler-Unternehmern.

      Ergebnisaufbereitung und Rückbezug: Verdichtet man die aufgefundenen Diskurselemente und schließt auf die Tiefenstruktur der beiden Diskursordnung, kann man anhand von Aspekten, wie sie ausschnittsweise in Abbildung 1 dargestellt sind, eine vergleichende Gegenüberstellung durchführen.

      Die ersten beiden Reihen stellen hier die Grundstruktur (Tiefenstruktur) der beiden Diskurse dar. Hierbei handelt es sich um eine epistemische Grundstruktur, die auch Sozio-Episteme genannt werden kann. Die unterschiedliche Diskursivierung der Musik und der darauf bezogenen Lebensstilformen führt in beiden Musikwelten zu je eigenen, diskursiv formulierten Ethiken. Die von Bourdieu behauptete Verbindung zwischen Ästhetik (was wird warum als schön empfunden) und Ethik (im Sinne eines Ethos, der die Grundhaltung zu Dingen und Menschen ist), wird diskursiv hergestellt: Erst durch das Wissen um die »Musik«, wird diese zu einem Wissenselement. So erhält sie einen sozialen Sinn, der in der Lage ist, das Band zwischen den Lebensstilkollektiven und der Kultur zu bilden. Praktisch wirkt sich die Sozio-Episteme zum Beispiel als organisierendes Schema für das Erleben (die Rezeption) der Musik aus. Der Rückbezug der diskursanalytisch gewonnenen Resultate erfolgt dann, indem die Schlussfolgerungen für die soziologische Sozialstrukturanalyse gezogen wurden.

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      Anmerkungen

      1 Zur Veranschaulichung kann man eine der materialreichen historischen Untersuchungen Foucaults anführen. Im ersten Band von »Sexualität und Wahrheit« (Foucault 1977) fragt Foucault eingangs, wie es denn komme, dass im Zeitalter des Viktorianismus, einer Epoche, die als sittsam, gar als prüde gelte, der Diskurs über »den Sex« explodiert? Foucault zeigt auf, dass die Problematisierung um »den Sex« in der Neuzeit ein ganzes Wissenssystem erst hervorbringt, in dem Konzepte (»Begriffe«/»Objekte«) wie die Vorstellungen vom Körper und dessen Sinnlichkeit zunächst als problematische angesprochen, damit im Wissen errichtet und mit institutionellen Praktiken verkoppelt werden (Sexualitätsdispositiv). Seine These: Das, was heute als »Sexualität« gedacht und praktiziert wird, ist im Zeitalter des Viktorianismus erst entstanden, und die Diskursivierung des Sex als etwas »zu Unterdrückendes« bringt die neuzeitliche Wissensordnung vom »Sex« hervor, die dem Altertum und auch dem Mittelalter noch unbekannt war. Die Raffinesse der foucaultschen Analyse besteht weiter darin, dass er einen modernen »Befreiungsdiskurs«, wie den der Psychoanalyse bloßstellt als eben dieses Sexualitätskonzept fortsetzend. Auch wenn die Versprechung nun ist, dass es um die Befreiung von Individuen gehe und diese sich in ihrer Sexualität anerkennen und befreien könnten, liegt eine Kontinuität vor: Wieder werden die Individuen zu Unterworfenen, werden sie von (wenn auch anderen) Autoritäten (nun therapeutisch) durchleuchtet, analysiert, klassifiziert und beurteilt. Und wieder ist das Wissen um den »Sex« anhand von Kategorien wie wahr/falsch oder Geheimnis/ Geständnis organisiert und mit Praktiken verkoppelt,

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