Die NATO. Falk Ostermann

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Kriegen in GeorgienGeorgien(krieg) und der Ukraine sowie der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der NATO-Staaten führte (s. Kap. 4), sodass seit 2014 wieder von einer beginnenden Blockkonfrontation gesprochen werden kann.

      Obwohl der Verteidigungsauftrag der NATO 1991 zunächst zu Ende war, transformierte sich die Allianz in den 1990er Jahren bald zu einer SicherheitsmanagementSicherheitsmanagementinstitutioninstitution, die im Namen der UN (und im KosovoKosovo(krieg) illegal auf eigene Rechnung) in den Konflikten auf dem Balkan versuchte, FriedenFrieden und Sicherheit herzustellen. Durch ihr militärisches Engagement in diesen neuen Kriegeneue Kriegen (Kaldor und Vashee 1997; Münkler 2002), die durch innerstaatliche, z. B. ethische und nicht mehr zwischenstaatliche Gewalt geprägt waren, wurde die NATO zur wichtigsten Sicherheitsinstitution in Europa. Nach den terroristischen Attentaten des 11. Sep9/11tember 2001 in den USA etablierte sich die Allianz mit ihrer Intervention in und dem WiederaufbauWiederaufbau von AfghanistanAfghanistan(kriege) zudem als ein globaler Akteur und verstetigte ihre neue raison d’être als Stabilitätsexporteur. Kollektive Verteidigung entfiel zwar nicht als formaler Auftrag der NATO, stand aber bis 2014 eindeutig nicht im Fokus der sicherheitspolitischen Aufmerksamkeit.

      Exkurs: Der erweiterte Sicherheitsbegriff

      Im Zuge der gesellschaftlichen Debatten um Krieg und FriedenFrieden hat sich auch der Sicherheitsbegriff selbst verändert. Während Gegenstand der Sicherheitspolitik bis in die 1960er Jahre hinein quasi ausschließlich das war, was einen Nationalstaat militärisch bedrohte, sollte sich der Fokus danach öffnen. Wo früher Friede rein negativ als die Abwesenheit von Krieg angesehen wurde, sprechen wir heute von ganz anderen Sicherheitsfragen unterhalb oder außerhalb der militärischen „Sachdimension“ (Daase 2009, 138), z. B. Umweltsicherheit, wirtschaftlicher Sicherheit, Human Security (Glasius und Kaldor 2005) oder sogar planetarer Sicherheit (z. B. Asteroideneinschläge). Der Sicherheitsbegriff hat sich also erweitert und wurde zunehmend positiv, d.h. mit zu erfüllenden Eigenschaften oder Zuständen jenseits der Abwesenheit von Krieg, besetzt (s. z. B. Galtung 1969; Senghaas 2004).

      Christopher Daase (2009) unterscheidet vier Dimensionen des Sicherheitsbegriffs:

       Sachdimension: militärische, ökonomische, ökologische, humanitärhumanitäre Interventione Sicherheit;

       Raumdimension: nationale, regionale, internationale, globale Sicherheit;

       Gefahrendimension: Umgehen mit Bedrohungen, Verwundbarkeiten, Risiken;

       Referenzdimension: Bezug auf Staat, Gesellschaft, Individuum.

      Zu verstehen sind diese Unterscheidungen als historische Entwicklungen von eng nach weit oder von traditionell zu modern. D.h., dass der engste Sicherheitsbegriff der ist, der sich mit militärischen (Sachd.) Bedrohungen (Gefahrend.) des National-(Raumd.) Staats (Referenzd.) befasst. Das Konzept der ökologischen Sicherheit wird heutzutage i.d.R. auf der regionalen (z. B. EU) oder globalen Ebene behandelt, als ein gesellschaftliches Problem angesehen und beschäftigt sich nicht ausschließlich mit konkreten Bedrohungen (wie z. B. einem Tsunami), sondern langfristigen Risiken (z. B. einem point of no return des Klimawandels). Gleichzeitig findet sich ein Fokus auf individuelle Sicherheit nicht gleichermaßen in allen Gesellschaften oder Politiken von Staaten wieder, was mit gesellschaftlichen Begebenheiten (z. B. Freiheitsgrad des Individuums) und politischen Prozessen (und somit MachtMachtbeziehungen) zu tun hat.

      Das Positive am erweiterten Sicherheitsbegriff ist, dass er Dinge ins Zentrum des gesellschaftlichen DiskursDiskurs (Theorie, Konzept)es stellt, die früher selten oder gar nicht unter Sicherheitsgesichtspunkten diskutiert wurden, wie z. B. Umweltschutz. Gleichzeitig unterstreicht aber die s.g. Kopenhagener SchuleKopenhagener Schule, die die Theorie der VersicherheitlichungVersicherheitlichung (securitization) (securitizationVersicherheitlichung (securitization)) gesellschaftlicher Prozesse aufgestellt hat (Balzacq 2011; Buzan 1998; Wæver 1995), dass so das Risiko besteht, Lösungsmöglichkeiten eines Problems zu beschränken, da Sicherheitsdenken in eher engen, kurzfristigen Gefahr-Antwort-Mustern abläuft, die sodann allzu gerne nur auf die Sicherheit der Nation bezogen und mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden. Beispielsweise führt die VersicherheitlichungVersicherheitlichung (securitization) der Flüchtlingskrise (2015) dazu, dass der Fokus politischen Handelns eher auf dem Schutz der nationalen oder europäischen Grenzen lag als auf dem Beseitigen der Fluchtursachen in den Herkunftsländern, wofür entwicklungs- oder wirtschaftspolitische Ansätze vielversprechender sind. Ein erweiterter Sicherheitsbegriff entgrenzt Sicherheit somit auch (Daase 2009, 143).

      Der Gründungsauftrag der NATO gehört in der Sachdimension zum eher engen, militärischen Problembereich, der jedoch als regionale Verantwortung bereits jenseits des Nationalstaats institutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)iert wurde. Andere Aspekte des Handelns der NATO, wie z. B. die Kooperationsprogramme mit Partnern oder ein großer Teil ihrer Auslandsinterventionen, befinden sich jedoch in anderen Sicherheitsdimensionen.

      Weder das kollektive Verteidigungkollektive Verteidigungshandeln noch die kollektiven Sicherheitkollektive Sicherheitstätigkeiten liefen in der NATO ohne interne Konflikte ab. Einzelne Alliierte hatten Konflikte untereinander (z. B. Griechenland-Türkei, Frankreich-USA), die NATO-Staaten deswegen miteinander, während sie sich ebenfalls nicht immer adäquat außenpolitisch koordinierten (SuezSuez(krise)-, KubaKuba(krise)krise, s. Kap. 3) oder über Strategie, Missionen und Gelder stritten. In den USA kam bald nach 1949 eine wachsende Unzufriedenheit ob der ungleichen Lastenverteilungburden-sharing (burden-sharingburden-sharing) für die gemeinsame Verteidigung zu ihren Ungunsten auf – ein Problem, das bis heute zu teils heftigen Diskussionen führt und unter Donald TrumpTrump, Donald J. die Allianz an die Belastungsgrenze führt. Die USA gaben 2019 3,42 % ihres (großen) BIP für Verteidigung aus, während nur acht weitere Alliierte über 2 % (worauf man sich als Ziellinie geeinigt hatte) und viele teils weit darunter liegen, u.a. Deutschland (NATO 2019h). Da die US-Amerikaner*innen bis 2020 zudem 22 % (ca. $685 Mio.) der direkten NATO-Ausgaben schultern und insgesamt ca. $6,86 Mrd. für NATO-KapazitätenKapazitäten (militärische) und europäische Verteidigung ausgaben (Kosten für US-Truppen in Europa nicht mitgerechnet), sind die Finanzen heute ein bedeutender Stolperstein in den transatlantischen Beziehungen geworden. TrumpTrump, Donald J. nutzt diese Schieflage und andere Konflikte zur grundsätzlichen Infragestellung der Allianz, ihrer Beistandsverpflichtung, ihres Handelns und ihres Fortbestands. Die Binsenweisheit, dass es im Moment um die transatlantischen Beziehungen nicht zum Besten gestellt ist, basiert somit auf manifesten, ideelleIdeen (Konzept)n und materielleMaterialismusn Politik-, Meinungs- und Vertrauensproblemen zwischen den Alliierten sowie unterschiedlichen politischen und strategischen Prioritäten, die zunehmend schwer unter einen Hut zu bringen sind. Dass es diese gibt, ist an sich nicht neu (s. die bekannte Debatte aus der 2000er Dekade in Cox 2005a; Pouliot 2006; Risse 2003). Die NATO hat sich in ihrer 70-jährigen Geschichte als erstaunlich widerstandsfähig in der Bewältigung solcher Probleme erwiesen. Mit TrumpTrump, Donald J. kann man aber im Jahr 2020 durchaus von einem „perfekten Sturm“ (Riddervold und Newsome 2018, 507) in der NATO sprechen.

      Durch die zunehmende Aggressivität Russlands, das sich wieder mit eigenen GroßmachtGroßmacht(konfrontation)ansprüchen in Europa positioniert, diese mit der Invasion und Annexion der KrimUkraine/Krim(krise) gewaltsam durchsetzt und in die demokratischen Prozesse von NATO-Mitgliedern aktiv einmischt, muss sich die Atlantische Allianz seit 2014 wieder um kollektive Verteidigungkollektive Verteidigungsplanungen kümmern. Somit ist das Bündnis heute mit einem externen Sicherheitsproblem konfrontiert, das die Fortsetzung der seit den 1990er Jahren aufgebauten kooperativen Agenda mit Russland in Frage stellt, während es gleichzeitig bedeutende innere Konflikte zu lösen hat. Sind wir 2020 also mit Russland "zurück in der Zukunft", wie es der Chicagoer Professor John Mearsheimer bereits 1990 formulierte und damit auf eine wahrscheinliche Rückkehr zu instabilen Zeiten der Krisen und Kriege verwies (Mearsheimer 1990, 52)? Die Antwort auf diese Frage steht in Anbetracht der großen Herausforderungen, vor der die NATO momentan sowohl intern durch ihre eigene Zerrüttung

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