Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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im Gefolge der Aufklärung der schriftstellerische (und politische) Journalismus; daher spricht man von der Periode des schriftstellerischen Journalismus. Er fand seine Ausdrucksform zuerst in der Zeitschriftenliteratur, floss im Weiteren aber in die Zeitungen ein und trug zur literarischen Veredelung der Zeitung bei. Protagonisten des politisch-literarischen Journalismus waren u. a. Joseph Görres (Rheinischer Merkur) sowie der junge Karl Marx (Rheinische Zeitung).

      • Der redaktionelle Journalismus, wie wir ihn auch heute noch kennen, entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Aufhebung der Zensur, die eine rapide Ausdifferenzierung des Zeitungswesens zur Folge hatte. Die Aufgaben des Redakteurs bestanden (und bestehen) aus dem selbstständigen [114]Referieren über Tagesereignisse (korrespondierende Leistung), aus dem Selektieren, Prüfen, Sichten, Kürzen etc. eintreffender Nachrichten (redigierende Leistung) sowie aus tagesliterarischem Schaffen z. B. im Feuilleton (schriftstellerische Funktion). Redakteure arbeiten seither in stets komplexer werdenden Medienorganisationen.

      Von Walter Hömberg wurde die Leistung Dieter Paul Baumerts jüngst neu gewürdigt (Hömberg 2012) und dessen 1928 erschienene Sozialgeschichte des Journalismus in einer Neuauflage herausgebracht (Baumert 2013).

      Die Vollendung des journalistischen Berufsbildungsprozesses im 19. Jahrhundert wurde von Jörg Requate detailreich und international vergleichend aufgearbeitet (vgl. Requate 1995). ln der Periode des redaktionellen Journalismus entfaltete sich die journalistische Tätigkeit zum Ganztagesberuf, der nun hauptberuflich ausgeübt wurde. Er ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gekennzeichnet von der Herausbildung der Zeitungsressorts (Politik, Lokales, Wirtschaft, Feuilleton, Sport), vom Aufkommen der Korrespondenz- bzw. Nachrichtenbüros, von der Nutzbarmachung der Telegrafie für den Zeitungsnachrichtendienst sowie vom organisierten Pressestellenjournalismus. 1904 gab es im Deutschen Reich rund 4.600 Journalisten. Bemühungen, sich gleichsam im Sinne einer Profession in Berufsverbänden zu organisieren, gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 1895 wurde der »Verband deutscher Journalisten- und Schriftstellervereine« gegründet, 1909 folgte der »Bund deutscher Redakteure« und 1910 der »Reichsverband der Deutschen Presse« (RdP), »der erstmals explizit journalistische Interessen vertrat« (Weischenberg 2010, S. 42; Hervorhebung i. Orig.). In ihm »gingen der 1902 in Berlin gegründete Verein Deutscher Redakteure‹, der 1909 in Berlin gegründete ›Bund Deutscher Redakteure‹ sowie der Verband der Deutschen Journalisten- und Schriftstellervereine‹ auf« (Weischenberg 2010, S. 42f). Gewerkschaftliche Zielsetzungen wurden erst 1919 durch die Delegiertenversammlung des RdP festgeschrieben (Weischenberg 2010, S. 43). Damit »war die Grundlage gelegt, über tarifliche Verhandlungen die schlechte materielle Lage der Journalisten zu verbessern« (ebd.). Im April 1922 erfolgte nach langen Verhandlungen mit dem »Verein Deutscher Zeitungsverleger« die Bildung der sozialpartnerschaftlich angelegten »Reichsarbeitsgemeinschaft Deutsche Presse« (ebd.). Der RdP wurde 1933 von den Nationalsozialisten »geschlossen in den NSStaat« übergeführt, die »Indienstnahme« war mit Inkrafttreten des Schriftleitergesetzes (Oktober 1933) am 1. Januar 1934 vollzogen (ebd.). Nachfolger des »Reichsverbandes der deutschen Presse« war nach dem Ende der Nazidiktatur der 1949 gegründete »Deutsche Journalisten-Verband« (DJV) (Weischenberg 2010, S. 44).

      Eine im Vergleich zu Baumert etwas andere Phaseneinteilung der Geschichte des Journalismus hat Thomas Birkner 2011 vorgelegt (Birkner 2011, 2012). Im Unterschied zu Baumert, dessen Einteilung »anhand der jeweils dominierend handelnden Personen« wie Korrespondenten, Schriftstellern und Redakteuren erfolgt, möchte Birkner auch »endogene Faktoren« einbeziehen, also »Texte sowie die Organisationen, in deren Strukturen diese entstehen und in denen Journalisten arbeiten« (Birkner 2011, S. 345). Zu berücksichtigen sind jeweils zeitliche Kontexte wie Sozialstruktur und Kultur (Bevölkerungswachstum, Alphabetisierung), die wirtschaftliche und technologische Dimension (Ökonomisierung des Pressewesens, technologische Weiterentwicklung) sowie schließlich die Dimension Politik und Recht (Zensur, zensurfreie Presseunfreiheit, Pressefreiheit). Birkner sieht die Entwicklung des Journalismus komplementär zu Baumert in vier Phasen: Genese, Formierung, Ausdifferenzierung sowie Durchbruch des modernen Journalismus:

1)In der Phase der Genese (1605–1848) des Journalismus entstehen Zeitungen und Zeitschriften, aus dem Buchdruckerwesen entwickelt sich allmählich das Zeitungsgewerbe mit seinem publizistischen und ökonomischen Zweigen. Es bildet sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine journalistische Avantgarde (Allgemeine Zeitung; Johann Friedrich Cotta, Heinrich Heine, z. B. [115]aber auch Joseph Görres) heraus, deren Repräsentanten noch (eher) Schriftsteller sind. Retardierende Wirkung für eine Ausdifferenzierung des Journalismus hat das »Unterdrückungssystem der Karlsbader Beschlüsse« von 1819 (Wiedereinführung der Zensur), die »fast dreißigjährige Polizeiaktion […] gegen die Presse« (Birkner 2011, S. 347 mit Bezugnahme auf Schneider 1966). Gleichwohl »war die Presse wesentlicher Bestandteil der Revolution von 1848« (Birkner 2011, S. 348). Erste organisatorische und redaktionelle Strukturen bilden sich heraus.
2)Für die Phase der Formierung (1849–1873) des Journalismus ist die »symbiotische Entstehung von Parteien und Parteizeitungen« wichtigstes Element, prägend sind auch wirtschaftlicher Aufschwung und industrielle Entwicklung, die Erfindung der Telegrafie (rasche Nachrichtenübermittlung aus vielen Teilen des Kontinents und der Welt) sowie das für Zeitungen und Zeitschriften populär werdende Anzeigengeschäft (Birkner 2011, S. 348). Die Zeitung wird endgültig zum Wirtschaftsprodukt, Bevölkerungswachstum und sich ausbreitende Bildung erhöhten die Lesefähigkeit: »Das deutsche Bildungssystem brachte zunehmend die Produzenten wie Konsumenten journalistischer Produkte hervor« (Birkner 2011, S. 349).
3)Für die Phase der Ausdifferenzierung (1874–1900) des Journalismus ist »das Zusammenspiel der gesamtgesellschaftlichen Großtrends von Urbanisierung und Alphabetisierung von Bedeutung, ebenso die Beschleunigung des Nachrichtenverkehrs. »Das Reichspressegesetz von 1874 »bot einen rechtlich nicht besonders liberalen, aber doch stabilen Rahmen«, der sich positiv auf die Entfaltung des Pressewesens auswirkte. Die »neu auftretende Generalanzeigerpresse verkörperte […] den starken Einfluss des Wirtschaftssytems«, zwischen Gesinnungspresse (Parteilichkeit) und Generalanzeigerpresse (unterstellte Parteilosigkeit) »wurde langsam, aber sicher eine Un- bzw. Überparteilichkeit möglich« (Birkner 2011, S. 349). Mit dem Ende der Sozialistengesetze (Einschränkung der sozialdemokratischen Presse) sowie der Ära Bismark kann von einer »faktischen – jedoch stets fragilen – Pressefreiheit gesprochen werden« (Birkner 2011, S. 350). Politik ist zunehmend dem Einfluss der Medien ausgesetzt und muss sich dem »Urteil der Öffentlichkeit« stellen (ebd.).
4)Für die Phase des Durchbruchs (1900–1914) wird der Journalismus integraler Bestandteil der vor dem 1. Weltkrieg entstehenden und sich ausbreitenden Massenkultur, der Journalismus wird »integraler Bestandteil der ›Entfesselung der Massenkommunikation‹« (Birkner 2011, S. 350 mit Bezugnahme auf Wilke 2000). Die Selbstfindung des journalistischen Berufs wird u. a. auch im Kontext des Entstehens journalistischer Praktikerliteratur gesehen (Birkner 2011, S. 350f, mit Bezugnahme auf Groth 1948). In der boomenden Zeit des Pressewesens der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts (Ansteigen der Zeitschriften von 5.632 (1902) auf 6.689 (1913), Anwachsen der Zeitungstitel von 3.405 (1897) auf 4.221 (1914)) bilden sich auch moderne journalistische Institutionen heraus, vollzieht sich die Ausdifferenzierung der Redaktionen in Ressorts, wachsen moderne journalistische Akteure heran und entstehen moderne journalistische Aussagen mit sich ausdifferenzierenden Textstrukturen heraus (Birkner 2011, S. 352–354). »Die Modernität des deutschen Journalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist bislang unterschätzt worden. Zu dominant erschienen die Zwänge der politisch-rechtlichen Dimension in den vorigen Epochen und zu glatt ließen sich diese mit der Zensur im Ersten Weltkrieg, der Polarisierung in der Weimarer Republik und der Totalität im Nationalsozialismus zu einer unendlichen Geschichte eines vormodernen Journalismus verknüpfen. Doch auch in Deutschland begann um 1900 das »Jahrhundert des Journalismus« (Birkner 2011, S. 355 mit Bezugnahme auf Birkner 2010).

      Mit dem Aufkommen des öffentlichen Radios (in Deutschland ab 1923) entfalten sich auch erste Formen des Radiojournalismus. Er differenziert sich ebenso bald vielfältig aus wie dreißig Jahre später der Fernsehjournalismus im Gefolge der raschen Ausbreitung dieses audiovisuellen Mediums ab Anfang der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Eine

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