Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer
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Wissenschaftliche Studien
Sandra Lieske untersuchte in ihrer Dissertation mittels qualitativer Leitfadeninterviews (24 Befragte, nicht repräsentativ) das Image von Journalisten (Lieske 2008). Dieses umfasst für sie aus der Sicht des Rezipienten »das objektiv richtige und falsche Wissen sowie subjektive, d. h. von der Persönlichkeit und den Erfahrungen des Einzelnen geprägte Vorstellungen, Einstellungen und Gefühle gegenüber Journalisten. Es wandelt sich im Laufe der Zeit, ist mit empirischen Methoden messbar und besitzt Handlungsrelevanz, da es das Verhalten des Einzelnen gegenüber Journalisten und Medieneinhalten steuert« (Lieske 2008, S. 25). Sie ermittelte neben vielem anderen (absolut auch Positivem für die Einschätzung des Berufs Journalist) zwei Typen von Journalisten, den ›seriösen‹ und den ›unseriösen‹ (Lieske 2008, S. 242ff, 287–291), wobei sie einräumt, und dies erscheint wichtig (!), dass die Reduzierung auf ein Zwei-Kategorien-Schema »zu kurz [greift]« (vgl. Lieske 290ff). Die Aussagekraft der Ergebnisse ist daher nur sehr begrenzt. Dem seriösen Journalist wird Berufserfahrung und hohe Allgemeinbildung zugesprochen, er ist u. a. vertrauensvoll, sympathisch, verantwortungsbewusst und interessiert an ausgewogener Berichterstattung; er informiert sachlich und äußert seine Meinung in erkennbarer Form. Er wird mit öffentlich-rechtlichem Fernsehen sowie mit Qualitätsjournalismus in Printmedien (wie Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit [132]etc.) in Verbindung gebracht. Anders der unseriöse Journalist, der jung und dynamisch eingeschätzt, aber u. a. als aufdringlich charakterisiert sowie teils mit unsachlicher Berichterstattung in Verbindung gebracht wird. Er hält sich nicht an journalistische Normen (u. a. illegitime Methoden der Informationsbeschaffung), verletzt die Privatsphäre leichter, hat einen schlechten Leumund, wird gar als »Schmierfink« (Lieske 2008, S. 289) gesehen. Er wird nicht ausschließlich, aber oft mit Boulevard- und Sensationsjournalismus in Verbindung gebracht, insbesondere mit der Bild-Zeitung (ebd.). Für dieses Bild des unseriösen Journalismus liefert die Verfasserin einen »Erklärungsversuch« (siehe dazu Lieske 2008, S. 278ff). Es empfiehlt sich, einen Blick auf die zahlreichen anderen Resultate der Studie im Einzelnen zu werfen.
Wolfgang Donsbach et al. wollten in ihrer quantitativen Studie (1.054 telefonisch repräsentativ Befragte) mit dem Titel »Entzauberung eines Berufs« (2009) u. a. ergründen, wie es um Ansehen und Vertrauen im Journalismus bestellt ist. Das öffentliche Ansehen eines Berufs wird in der Studie als Frage der Wertschätzung gesehen »und berührt das Sozialprestige« einer Profession (Donsbach et al. 2009, S. 62f). Vertrauen in den Journalismus »ist für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft […] wichtig« (Donsbach et al. 2009, S. 64). Anhand einer Liste von zehn vorgegebenen, breit gestreuten Berufen gaben 61 Prozent der Befragten an, dass sie Journalisten »eher schätzen«. Bei der Vertrauensfrage erhalten Journalisten nur 35 Prozent Zustimmung. Alle gelisteten Berufe werden mehr geschätzt als ihnen vertraut wird, bei keinem anderen klafft zwischen Wertschätzung/Ansehen und Vertrauen jedoch eine so große Lücke wie bei Journalisten, nämlich 26 Prozentpunkte. Es scheint, so die Autoren, als werde aus der Sicht der Bürger »der Journalismus seiner gesellschaftlichen Rolle nicht hinreichend gerecht und enttäuscht die Bevölkerung in ihren Erwartungen erheblich« (Donsbach et al. 2009, S. 66). Auch für diese Studie scheint es angeraten, die zahlreichen weiteren Resultate zu betrachten.
Mögliche Ursachen
Worin könn(t)en Ursachen für das negative, aber auch ambivalente Bild der Journalisten in der Bevölkerung liegen? In der Literatur finden sich u. a. die folgenden Gründe:
• unklare Vorstellungen in der Bevölkerung vom weitgesteckten Tätigkeitsbereich der Journalisten, über ihren Werdegang und ihre Ausbildung (Gottschlich/Karmasin 1979, S. 43f);
• Alltagserfahrungen der Menschen, dass »Informationen über [in den Medien berichtete – Ergänzung H. P.] Ereignisse […] nicht immer mit den Ereignissen selbst überein[stimmen]« (Bentele 1988, S. 407);
• Medienskandale bzw. lange Zeit zurückliegende negative Ereignisse wie etwa der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher (Lieske 2008, S. 287);
• neben Medienskandalen u. a. auch die Entschleierung der kommerziellen Basis der Medien sowie etwa auch Negativismus in der Nachrichtenauswahl (Donsbach et al. 2009, S. 13ff);
• negative fiktionale Journalistenbilder in Filmen (vgl. Lieske 2008, S. 296) und, so darf man vermutlich ergänzen, auch in TV-Serien und Romanen (vgl. Engesser 2005).
Für Horst Pöttker sind Skandalisierung und Negativismus des Journalismus und der Medien nicht a priori schlecht: Beides resultiere aus der »grundlegenden Pflicht zum Veröffentlichen«, insbesondere über (tabuisierte) Missstände und Fehlleistungen, »die der Öffentlichkeit bedürfen, um bearbeitet und korrigiert zu werden« (Pöttker 1997, S. 86).
Das Image der Journalisten ist also durchaus ambivalent: Einerseits werden sie geschätzt als Nachrichtenboten, Aufklärer und Welterklärer, andererseits sieht man in ihnen manchmal auch profilsüchtige [133]Skandalproduzenten. Auffällig ist die – auch empirisch bestätigte – hohe Arbeitszufriedenheit unter den Journalisten (Weischenberg et al. 2006b, S. 89–92). Beruht sie möglicherweise nicht zum Teil auch an einem »Defizit an selbstkritischem Vermögen« (Roegele 2000, S. 159) dieser Berufsgruppe? Mit dem Image von und Erwarungen an Journalisten befassen sich jüngst auch Magdalena Obermaier et al. (2012) am Beispiel eines »online-affinen« Publikums.
4.1.2 Journalisten und Medieninhalte
In der Kommunikationswissenschaft wird seit langem der Frage nachgegangen, wie Medieninhalte zu Stande kommen und welche Rolle dabei u. a. auch die Journalisten spielen. Es geht also um die Entstehungsbedingungen journalistischer Aussagen(produktion). Diese Thematik wirft für die Systematik des vorliegenden Buches ein Abgrenzungsproblem auf: Soll das Thema im Rahmen der Kommunikator- bzw. Journalismusforschung erörtert oder in den Ausführungen über Aussagen- bzw. Medieninhaltsforschung abgehandelt werden (vgl. Kap. 4.2)? Die Ermittlung von Nachrichtenfaktoren, um die es im Folgenden u. a. auch geht, erfolgt nämlich oftmals auch inhaltsanalytisch (vgl. u. a. Wilke 1984b). Die Entscheidung wird hier zu Gunsten der Kommunikator-/Journalismusforschung getroffen. Es sind mehrere Themenkreise anzusprechen, nämlich: 1) die Theorien zur Nachrichtenauswahl, insbesondere die Gatekeeper- und Nachrichtenwertforschung; 2) die Problematik der instrumentellen Aktualisierung sowie 3) das Verhältnis Public Relations und Journalismus.
Was das Zustandekommen von Medieninhalten betrifft, so ist auf eine Erkenntnis zu verweisen, die ursprünglich auf Östgaard (1965) zurückgeht, inzwischen aber zum Allgemeingut kommunikationswissenschaftlicher Forschung und Lehre gehört, nämlich dass exogene und endogene Faktoren für den allgemeinen Nachrichtenfluss von Bedeutung sind. Exogene Faktoren, solche also, die außerhalb der Medien liegen, sind in politisch-rechtlichen Bestimmungen und Maßnahmen, in ökonomischen Bedingungen, in internationalen Modalitäten des Nachrichtenflusses etc. zu sehen, kurz: Faktoren, die Journalismus und Massenkommunikation von außen tangieren. Dazu gehört aber z. B. auch der Einfluss, der von Öffentlichkeitsarbeit und anderen Formen organisierter Kommunikation auf den Journalismus ausgehen kann. Endogene Faktoren sind dagegen solche, die im Nachrichtensystem und im Journalismus selbst angelegt sind, also von innen her zum Tragen kommen.
4.1.2.1 Theorien zur Nachrichtenauswahl
Theorien zur Nachrichtenauswahl versuchen zu erklären, warum Journalisten in den Medien über bestimmte Themen und Ereignisse berichten und über andere nicht. Neuerdings wird auch versucht herauszufinden, warum Rezipienten bestimmte Themen in den Medien konsumieren und andere nicht (ein Forschungsbereich, der