Wirtschaftsgeographie. Harald Bathelt
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Aber warum war die Förderung in RegioCopia so erfolglos? Es wurden Faktoren aus einer erfolgreichen Region nachgeahmt und nachgebildet. Die Förderpolitik wurde in einer Analyse begründet, die vermutlich an den eigentlichen Ursachen vorbeizielte und daher keine großen Erfolgsaussichten hatte. Eine derartige Förderpolitik setzt mit ihrem theoretischen Verständnis bei allgemeinen Rahmenbedingungen an und ignoriert den spezifischen ökonomischen und sozialen Kontext sowie die Motive und das situierte Handeln der wirtschaftlichen Akteure. Selbst wenn Kapital und Infrastruktur gegeben sind, so hängt der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen und langfristig auch der von Regionen immer davon ab, was Akteure durch ihre Handlungen aus diesen Möglichkeiten machen. Es gibt keinen Automatismus der Wirtschaftsentwicklung und des wirtschaftlichen Erfolgs.
1.3Aufbau des Buchs
Um politische Blaupausen zu vermeiden und angemessene Strategien zur Entwicklung und Entwicklungsförderung entwerfen zu können, bedarf es eines grundsätzlichen Verständnisses der Kontextualität und der Interdependenzen empirischer Entwicklungszusammenhänge. Dieses Buch plädiert deshalb für eine relationale Perspektive auf die konkreten geographischen Ausprägungen der Wirtschaft, die der Kontextualität von Strukturen und der Evolution spezifischer Entwicklungen Rechnung tragen. Die Grundlagen einer derartigen relationalen Perspektive sowie die Grundbegriffe der ökonomischen und geographischen Analyse werden in Teil 1 des Buchs entwickelt und vorgestellt. Kapitel 2 entwirft die Rahmenkonzeption für eine relationale Wirtschaftsgeographie. Das Argument der zweiten Transition plädiert dafür, Interaktion, Organisation, Evolution und Innovation als zentrale Konzepte der wirtschaftsgeographischen Analyse zu verstehen, um soziale und ökonomische Prozesse aus einer spezifisch räumlichen Perspektive zu analysieren und zu interpretieren. Darauf aufbauend erläutert Kapitel 3 wichtige ökonomische Grundbegriffe, die sich auf wirtschaftliche Bedürfnisse, Güter und die Rolle von Produktionsfaktoren bei der Bedürfnisbefriedigung beziehen. Kapitel 4 stellt geographische Konzepte vor, darunter verschiedene positionale und relationale Raumkonzepte. Außerdem werden grundlegende Herausforderungen wirtschaftlicher Globalisierungsprozesse aus räumlicher Perspektive formuliert.
Teil 2 des Buchs diskutiert wichtige klassische Konzepte der raumwirtschaftlichen Analyse und arbeitet die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit für heutige Problemstellungen heraus. Ziel der kritischen Würdigung ist es, Anhaltspunkte für Reinterpretationen, Weiterentwicklungen und Neupositionierungen zu entwickeln. Dies dient dazu, im dritten Teil des Buchs veränderte Perspektiven in einer relationalen Wirtschaftsgeographie zu formulieren.
Kapitel 5 befasst sich mit der ungleichen räumlichen Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten. Im Mittelpunkt steht die auf v. Thünen basierende landwirtschaftliche Landnutzungslehre und ihre Übertragung auf den städtischen Bodenmarkt durch Alonso. Anschließend wird die Theorie zentraler Orte nach Christaller als Standortstrukturtheorie für Versorgungseinrichtungen des tertiären Sektors behandelt. Den Ansätzen wird basierend auf einer umfassenden Kritik eine verringerte Bedeutung bei der Erklärung gegenwärtiger räumlicher Wirtschaftsstrukturen beigemessen. Unter Bezugnahme auf Städtenetze, Städteverbünde und die Initiative der Nationalen Stadtentwicklungspolitik wird gezeigt, dass in Raumordnung und Regionalpolitik inzwischen neue Ansätze entwickelt werden, um auf Veränderungen der globalen Rahmenbedingungen, wie z. B. Finanzkrise und Klimawandel, zu reagieren. Kapitel 6 beschäftigt sich mit der auf Weber zurückgehenden industriellen Standortlehre und ihren Erweiterungen durch Hoover, Hotelling, Smith und Pred. Es wird gezeigt, dass mit der Fokussierung auf Standortfaktoren in diesen Ansätzen Räume gleichsam als Akteure stilisiert werden. Industrielle Standortentscheidungen werden aus vorhandenen Raumeigenschaften abgeleitet. Die den Gründungs-, Standort- und Investitionsentscheidungen zugrunde liegenden wirtschaftlichen und sozialen Prozesse bleiben dabei zu wenig berücksichtigt. Auch der Versuch, harte, quantifizierbare Standortfaktoren um weiche, immaterielle Faktoren zu erweitern, ist nicht ausreichend, weil hierbei etwas Unmögliches angestrebt wird, nämlich komplexe Kommunikations- und Interaktionsprozesse als simple Strukturfaktoren abzubilden.
Die nachfolgenden Teile 3 bis 6 diskutieren die Komponenten einer Rahmenkonzeption der relationalen Wirtschaftsgeographie. Jeder Teil widmet sich einer der vier grundlegenden Analysedimensionen wirtschaftsgeographischer Forschung:
Teil 3 beginnt mit der Dimension Interaktion und Institution. Hierbei leistet Kapitel 7 die Aufgabe einer sozialtheoretischen Reformulierung zentraler Annahmen des Menschenbildes für die wirtschaftsgeographische Forschung. Das Kapitel diskutiert Motive wirtschaftlichen Handelns, um im Anschluss grundlegende Konzepte ökonomischer Interaktion wie Kooperation und Wettbewerb zu entwickeln. Hierbei werden Ansätze des sozialen Kapitals und anderer institutioneller Einflüsse thematisiert, die aus geographischer Perspektive den wirtschaftlichen Austausch prägen. Mit Storpers Konzeption der sogenannten untraded interdependencies (nicht-handelbarer Interdependenzen) in wirtschaftlichen Abläufen wird darüber hinaus die Einbindung von Konventionen und Beziehungen in die Analyse regionalökonomischer Prozesse vollzogen. Darauf aufbauend widmet sich Kapitel 8 der Bedeutung von sozialen Institutionen für die Strukturierung wirtschaftlicher Interaktionen. Im Unterschied zu dem abstrakten Marktbegriff der Neoklassik führt das Kapitel eine institutionentheoretisch begründete Marktkonzeption ein, die es erfordert, von vielfältigen spezifischen empirischen Märkten anstelle von einem einzigen abstrakten Markt zu sprechen.
Teil 4 stellt Konzeptionen der Organisation technischer, betrieblicher und geographischer Arbeitsteilung in den Mittelpunkt der Analyse. Kapitel 9 erarbeitet organisationstheoretische Ansätze aus der neuen Institutionenökonomie und der neuen Wirtschaftssoziologie, um Koordinationsfragen von wirtschaftlichen Beziehungen in und zwischen Unternehmen aus räumlicher Perspektive zu untersuchen. Nach Williamson werden verschiedene institutionelle Formen von Transaktionen zwischen Produktionsstufen untersucht, wobei zwischen Märkten, Hierarchien und Netzwerken unterschieden wird. Scott folgend wird gezeigt, dass durch die Nutzung von Nähevorteilen Transaktionskosten gesenkt werden und regionale Ballungen somit zu einer Stabilisierung von Netzwerkbeziehungen beitragen. Die auf Transaktionskosten zentrierte Sicht wird durch das embeddedness-Argument von Granovetter aus der neuen Wirtschaftssoziologie entscheidend erweitert. Demnach ist ökonomisches Verhalten in sozioinstitutionelle Beziehungen eingebettet und untrennbar mit diesen verbunden. Eine Erweiterung liegt in der Einbeziehung temporärer Organisationsformen, insbesondere von Projekten, die aufgrund der zeitlichen Befristung und räumlichen Arbeitsteilung spezielle Ansprüche an die Koordination der Zusammenarbeit stellen. Kapitel 10 konkretisiert die organisationstheoretische Behandlung von Koordinationsproblemen auf regionaler Ebene und erörtert Ansätze zur Erklärung geographischer Cluster. Mit Industriedistrikten und innovativen bzw. kreativen Milieus werden zudem zwei Konzepte lokalisierter Produktionssysteme dargestellt, in denen die Einbindung regionaler Produktionsnetze in sozioinstitutionelle Zusammenhänge zum Ausdruck kommt. Dabei zeigt sich, dass beide Ansätze eine größere konzeptionelle Nähe aufweisen, als man zunächst annehmen würde. Das Kapitel stellt mit Porters Analyse der Bestimmungsfaktoren nationaler Wettbewerbsvorteile einen Ansatz vor, der Wettbewerbsvorteile aus Spezialisierungsprozessen auf nationaler Ebene ableitet und neue Wege in Richtung einer evolutionären Perspektive wirtschaftlicher Entwicklung aufzeigt. Kapitel 11 erweitert die räumliche Perspektive von lokalen Produktionssystemen hin zu Prozessen der Internationalisierung und zu globalen Formen der Unternehmensorganisation. Hierbei wird der wechselseitige Zusammenhang zwischen Standortstruktur, Organisationsstruktur und Unternehmensstrategien herausgestellt und das Verhältnis von Staaten zu Großunternehmen unter dem Aspekt von Machtprozessen diskutiert.
Teil 5 befasst sich mit der Dimension der Evolution. Zunächst rekapituliert Kapitel 12 klassische regionale Entwicklungstheorien und diskutiert die Aussagen und Ansprüche unterschiedlicher, zum Teil