Rechtsmedizin. Ingo Wirth

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Rechtsmedizin - Ingo Wirth Grundlagen der Kriminalistik

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heißer Verbrennungsgase (thermisches Inhalationstrauma), Druckschädigung durch Explosion (Barotrauma) und Infektionen (Sepsis).

      Eine Schockleber weist eine teigige Konsistenz auf. Die Schocknieren sind groß und blass und haben eine verwaschene Rinden-Mark-Grenze. Die Magenschleimhaut reagiert bei Schockzuständen mit blutigen Gewebsdefekten und Geschwürsbildung (Stressulkus).

      Diese Organschäden zeigen ein vitales Geschehen an und weisen zugleich auf eine gewisse Überlebenszeit hin. Darin besteht ihre rechtsmedizinische Bedeutung, denn diese Befunde lassen sich zur Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen einem schädigenden Ereignis und dem Todeseintritt heranziehen.

      Von sämtlichen allgemeinen Vitalreaktionen lässt sich lediglich die Ausblutung bei der Leichenschau erkennen. Der Nachweis der übrigen vitalen Erscheinungen (Embolien, Aspiration, Verschlucken, Schockfolgen) ist nur durch eine Leichenöffnung möglich, die je nach Ursache durch Zusatzuntersuchungen ergänzt wird. Dieser Umstand bekräftigt die Forderung, bei polizeilich relevanten Todesfällen eine Obduktion anzuregen.

      III. Vitale Reaktionen › 2. Örtliche Vitalreaktionen

      Mechanische Gewalt (z. B. Schlag) verursacht am Ort der Einwirkung eine Verletzung (geschlossen oder offen), bei der es als Zeichen der vitalen Entstehung in das geschädigte Gewebe einblutet. Die Blutunterlaufung ist umso stärker, je weniger der Kreislauf zum Zeitpunkt der Schädigung in seiner Funktion beeinträchtigt war.

      Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich innerhalb eines kurzen Zeitraums nach dem Tod durch mechanische Einwirkungen umschriebene Blutaustritte in das Gewebe erzeugen, die nicht selten fälschlich als postmortale Blutungen bezeichnet werden. Fälschlich deshalb, weil die Blutung einen funktionierenden Kreislauf erfordert.

      Lassen sich hingegen im Bereich einer Blutung bereits Zeichen der Blutfarbstoffumwandlung oder Blutresorption erkennen, handelt es sich eindeutig um ein vitales Geschehen. Zugleich ergibt sich daraus, dass die Verletzung – je nach Zustand – eine gewisse Zeit überlebt wurde. Ebenso weisen Entzündungsvorgänge und Reparationserscheinungen (Wundheilung) das vitale Zustandekommen nach.

      Nach Verletzungen kann eine Thrombose als örtliche vitale Reaktion auftreten. Für die Kausalitätsbegutachtung sind mikroskopische Untersuchungen der Thromben notwendig.

      Auch die lokalen Vitalreaktionen können hinsichtlich Größe, Intensität und Alter zumeist ohne eine Leichenöffnung nicht ausreichend beurteilt werden. Häufig sind sogar zusätzlich histologische Untersuchungen erforderlich.

      Allgemeine und örtliche Vitalreaktionen können in ihrem Aussagewert durch Reanimationsmaßnahmen eingeschränkt werden. Forcierte Wiederbelebungsversuche führen mitunter zu lokalen Schäden, beispielsweise zu Brustbein- und Rippenbrüchen mit Lungenanspießung sowie zu Leber- und Herzverletzungen. Die Herzdruckmassage kann die Ausprägung von Ausblutungszeichen und Lungenfettembolien verändern. Durch künstliche Beatmung sind Luftembolien des Herzens möglich. Weiterhin kann sowohl Blut als auch Mageninhalt bis tief in die Atemwege gelangen. Ein Hineinlaufen von Blut (und Mageninhalt) bis in die großen Luftröhrenverzweigungen kommt auch postmortal durch Umlagern vor. Deshalb benötigt der Rechtsmediziner zur Entscheidung der Frage, ob eine Aspiration vital oder postmortal entstanden ist, genaue Angaben über die Maßnahmen nach der Auffindung des Verletzten oder Toten. Diese Informationen muss der Ermittlungsbeamte beschaffen und an die Obduzenten weiterleiten.

      Postmortale Verletzungen sind in aller Regel unschwer als solche durch das Fehlen vitaler Zeichen zu erkennen. Derartige Verletzungen werden gelegentlich bei unsachgemäßer Bergung und unvorsichtigem Transport verursacht. Bei Wasserleichen kann es weiterhin zu Treib-, Schleif- und Schiffsschraubenverletzungen kommen. Schließlich sind die Spuren von Tierfraß zu nennen.

      Neben solchen zufällig entstandenen Wunden werden postmortale Verletzungen auch absichtlich zugefügt. Verstümmeln, Entstellen oder Zerstückeln von Leichen dienen entweder der Tatverschleierung oder sollen die Identifizierung erschweren. Dazu werden Finger oder Hände abgetrennt, Tätowierungen oder Muttermale herausgeschnitten, Augen entfernt, das Gesicht mit Säure übergossen oder Brände gelegt. Das Zerstückeln muss nicht immer der Leichenbeseitigung dienen, sondern kann als Tatelement zu einer Tötungshandlung gehören. Zur Unterscheidung einer vitalen von einer postmortalen Entstehung der Verletzungen wird man auf eine Leichenöffnung nicht verzichten können.

      III. Vitale Reaktionen › 3. Wundaltersschätzung

      Finden sich an einer Leiche Verletzungen, die eine gewisse Zeit überlebt wurden, stellt sich die Frage nach dem Wundalter. Die Wundaltersschätzung bildet eine Voraussetzung für die Beantwortung wesentlicher kriminalistischer Fragestellungen, beispielsweise zu welchem Zeitpunkt eine Verletzung entstanden ist oder ob sich bei mehreren Verletzungen eine Reihenfolge feststellen lässt. Unabhängig von der Art einer Körperschädigung (z. B. Schlag, Stich, Verbrennung, Verätzung, Strahleneinwirkung) reagiert der Körper stets mit denselben Mechanismen, die als Wundheilung bezeichnet werden. Zunächst entsteht eine umschriebene Entzündung, die mit einer Vielzahl zellulärer Stoffwechselvorgänge einhergeht. Sichtbar wird die Entzündungsreaktion durch Schwellung und Rötung. Das zerstörte und unterblutete Gewebe wird abgebaut und schließlich durch Narbengewebe ersetzt.

      Da die Wundheilung regelmäßig in mehreren Phasen abläuft, wurde versucht, die Abfolge der einzelnen Vorgänge für eine Wundaltersschätzung zu nutzen. Angewandt wurden histologische, enzymhistochemische, immunhistochemische und biochemische Verfahren. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass der zeitliche Ablauf der Wundheilung sich von Mensch zu Mensch erheblich unterscheidet. Wesentliche Gründe dafür sind Art und Größe der Wunde (z. B. Abschürfung, Stich, Verbrennung), Alter und Gesundheitszustand des Verletzten sowie Ausbleiben oder Hinzutreten einer Infektion. Aufgrund der Komplexität und der biologisch bedingten Variabilität der Wundheilung kann für den Einzelfall kein definiertes Zeitintervall, sondern immer nur ein wahrscheinlicher Zeitraum angegeben werden (Tabelle 4).

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Befund Zeit nach Verletzung
Blutung wenige Minuten
Bildung eines weichen Wundschorfs 1 Stunde
Wundränder rot und geschwollen bis 12 Stunden
Verfestigung des Wundschorfs bis 24 Stunden
Hautneubildung an den Wundrändern 24 – 48 Stunden
Abfallen des Wundschorfs, 7 – 10 Tage
bei guter Heilungstendenz 3 – 5 Tage
Narbe hellrot bis bläulich 10 Tage
Narbe zunehmend blass 2 Wochen
Narbe weiß-glänzend und derb