Die mündliche Zivilrechtsprüfung im Assessorexamen. Julia Thürling

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Die mündliche Zivilrechtsprüfung im Assessorexamen - Julia Thürling Referendariat

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Kandidat 3: Es könnte ein deliktischer Anspruch bestehen … Prüfer: Das ist zutreffend, jedoch würde ich gern in der Prüfungsreihenfolge Vertrag, Vertrauen, Gesetz bleiben. Gibt es vertragliche Ansprüche?[3] Kandidat 3: Ein vertraglicher Anspruch gegen Frau Ming dürfte ausscheiden, da Herr Wimmer lediglich ein Bewirtungsvertrag mit der „Asia-Imbiss“ GmbH geschlossen hat. Der Arbeitsvertrag von Frau Ming dürfte keinen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten der jeweiligen Kunden darstellen, zumal diese eigene vertragliche Ansprüche gegen die GmbH haben können. Auch Ansprüche aus Vertrauenstatbeständen sind nicht ersichtlich. Prüfer: Das stimmt. Wie sieht es mit gesetzlichen Ansprüchen aus? Kandidat 4: Hier wäre nun ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu prüfen … Prüfer: Sehen Sie noch speziellere Schuldverhältnisse, die vorrangig geprüft werde könnten? Kandidat 4: Es könnte über einen Anspruch aus §§ 989, 990 BGB nachgedacht werden. Ein solcher Anspruch dürfte mangels Vorliegen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses ebenfalls ausscheiden. Die Angestellte Frau Ming stellt lediglich eine Besitzdienerin gemäß § 855 BGB dar. Als Besitzer kommt somit nur die GmbH in Betracht. Prüfer: Sehr gut. Kommt noch ein weiteres gesetzliches Schuldverhältnis in Betracht? Frau Ming hat die Tasche doch irgendwie „gefunden“. Kandidat 1: Vielleicht das Fundverhältnis nach §§ 965 ff. BGB? Prüfer: Sehr richtig. Und? Kandidat 1: Ansprüche aus §§ 965 ff. i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB scheiden ebenfalls aus, da kein gesetzliches Fundverhältnis entstanden ist. Die Handtasche war nicht herrenlos. Hinsichtlich der Gewahrsamsverhältnisse ist auf die tatsächliche Sachherrschaft nach den Anschauungen des täglichen Lebens abzustellen. Danach war der Imbissinhaber (Asia GmbH) mit seinem generellen Herrschaftswillen oder sogar noch Herr Wimmer, der sich nur kurz entfernt hatte und dem der Ort der Handtasche sogleich erinnerlich war, Gewahrsamsinhaber. Prüfer: Das sehe ich ganz genauso. Bleibt also der § 823 Abs. 1 BGB. Besteht denn danach ein Anspruch gegen Frau Ming? Kandidat 2: Als sonstiges Recht ist das Anwartschaftsrecht an dem iPhone im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB allgemein anerkannt. Mit der Herausgabe an die unbekannten Frauen dürfte Frau Ming eine zurechenbare rechtswidrige Ursache für den Schaden gesetzt haben. Zwar bestreitet sie den Vorwurf, jedoch dürfte im Rahmen der Beweisprognose der Polizeibeamte als neutraler Zeuge eine Überzeugung beim Gericht vermitteln können. Das Handeln dürfte fahrlässig und damit schuldhaft erfolgt sein. Irgendeine Art Legitimationsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Prüfer: Haftet Frau Ming denn für jede Form der Fahrlässigkeit?[4] Kandidat 4: Zwar liegt kein Fundverhältnis vor. Aufgrund der altruistischen Handlungsweise der Frau Ming könnte jedoch der gemilderte Haftungsmaßstab des § 968 BGB für den „Scheinfinder“ analog geltend. Prüfer: Sehr guter Einfall. Was versteht man denn unter grober Fahrlässigkeit? Kandidat 3:[5] Wenn Sorgfaltspflichten verletzt werden, die jedermann einleuchten müssen. Prüfer: Und liegt grobe Fahrlässigkeit vor? Kandidat 3: Irgendeine Art Legitimationsprüfung durchzuführen und dazu mal nach dem Inhalt der Tasche zu fragen, muss jedem einleuchten. Prüfer: Gut. Könnte dem Anspruch sonst noch etwas entgegenstehen? Kandidat 1: Es steht auch ein Mitverschulden des Herrn Wimmer gem. § 254 BGB im Raum, der durch das Liegenlassen eine Mitursache gesetzt hat. Prüfer: Und würden Sie den Anspruch kürzen? Kandidat 1: Vielleicht um 50 %? Prüfer: Halte ich für gut vertretbar. Wie sieht es denn mit Ansprüchen gegen die Asia GmbH aus? Kandidat 2: Ein vertraglicher Anspruch dürfte sich aus dem Bewirtungsvertrag als gemischten Vertrag mit Schwerpunkt im Werklieferungsvertrag gem. §§ 241, 651a, 280 Abs. 1 BGB wegen Nebenpflichtverletzung ergeben. Zumindest beim Auffinden entstehen besondere Obhutspflichten. Prüfer: Gut vertretbar. Kommen noch weitere Anspruchsgrundlagen in Betracht? Kandidat 2: Darüber hinaus kommt ein Anspruch aus § 831 BGB wegen fehlender Belehrung der Verrichtungsgehilfin in Betracht. Prüfer: Gut, dann gibt es also nach unserer Lösung gegen Frau Ming und die Asia GmbH Ansprüche. Bei Frau Ming ist vielleicht wirtschaftlich nichts zu holen und möglicherweise ist der Anspruch ihr gegenüber nach Ansicht des zuständigen Gerichts analog § 968 BGB ausgeschlossen. Das Gericht kann das mit der groben Fahrlässigkeit schließlich auch anders beurteilen. Beide Ansprüche könnten gem. § 254 BGB hälftig zu kürzen sein. Welche Schritte leiten Sie ein? Kandidat 3: Es sollte aufgrund der wirtschaftlichen Prognose in jedem Falle die Asia-Imbiss GmbH verklagt werden. Ein Abzug von Mitverschulden sollte nicht erfolgen, da insofern gute Chancen bestehen, dass das Gericht keine Kürzung gem. § 254 BGB vornimmt. Prüfer: Finde ich vom Ausgangspunkt her richtig. Ob und inwieweit das Gericht eine Kürzung vornimmt, kann letztlich nicht genau vorausgesagt werden. Der Mandant kann über das Kostenrisiko bei höherem Streitwert und einer drohenden Verlustquote belehrt werden. Aber sollte nicht auch Frau Ming verklagt werden? Kandidat 4: Ja. Es könnte zwar zu einer Klageabweisung wegen § 968 BGB analog kommen. Auch ist insofern die wirtschaftliche Realisierung der Forderung fraglich und es entstehen weitere Kostenrisiken, insbesondere wenn sie einen weiteren Rechtsanwalt mandatiert. Jedoch können beide Beklagte beim Amtsgericht Wedding im Gerichtsstand des § 32 ZPO verklagt werden. Vertragliche Ansprüche sind aufgrund des einheitlichen Streitgegenstandes insofern mit zu prüfen. Das ergibt sich aus § 17 Abs. 2 S. 1 GVG. Daher entstehen die Gerichtsgebühren auf Klägerseite nur einmal und es kommt

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