Wilhelm Meisters Lehrjahre. Ein Roman. Ehrhard Bahr

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Wilhelm Meisters Lehrjahre. Ein Roman - Ehrhard Bahr Reclams Universal-Bibliothek

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Saale widerhallen!‹

      Der König sprach’s, der Page lief,

      Der Knabe kam, der König rief:

      ›Bring ihn herein, den Alten.‹

      ›Gegrüßet seid ihr hohen Herrn,

      Gegrüßt ihr, schöne Damen!

      Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!

      Wer kennet ihre Namen?

      Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit

      Schließt, Augen, euch, hier ist nicht Zeit,

      Sich staunend zu ergötzen.‹

      Der Sänger drückt’ die Augen ein

      Und schlug die vollen Töne;

      Der Ritter schaute mutig drein,

      Und in den Schoß die Schöne.

      [159]Der König, dem das Lied gefiel,

      Ließ ihm, zum Lohne für sein Spiel,

      Eine goldne Kette holen.

      ›Die goldne Kette gib mir nicht,

      Die Kette gib den Rittern,

      Vor deren kühnem Angesicht

      Der Feinde Lanzen splittern.

      Gib sie dem Kanzler, den du hast,

      Und lass ihn noch die goldne Last

      Zu andern Lasten tragen.

      Ich singe, wie der Vogel singt,

      Der in den Zweigen wohnet.

      Das Lied, das aus der Kehle dringt,

      Ist Lohn, der reichlich lohnet;

      Doch darf ich bitten, bitt ich eins,

      Lass einen Trunk des besten Weins

      In reinem Glase bringen.‹

      Er setzt’ es an, er trank es aus:

      ›O Trank der süßen Labe!

      Ο dreimal hochbeglücktes Haus,

      Wo das ist kleine Gabe!

      Ergeht’s euch wohl, so denkt an mich,

      Und danket Gott so warm, als ich

      Für diesen Trunk euch danke.‹«

      Da der Sänger nach geendigtem Liede ein Glas Wein, das für ihn eingeschenkt dastand, ergriff und es mit freundlicher Miene, sich gegen seine Wohltäter wendend, austrank, [160]entstand eine allgemeine Freude in der Versammlung. Man klatschte und rief ihm zu, es möge dieses Glas zu seiner Gesundheit, zur Stärkung seiner alten Glieder gereichen. Er sang noch einige Romanzen und erregte immer mehr Munterkeit in der Gesellschaft.

      »Kannst du die Melodie, Alter«, rief Philine, »›Der Schäfer putzte sich zum Tanz‹?«

      »O ja«, versetzte er; »wenn Sie das Lied singen und aufführen wollen, an mir soll es nicht fehlen.«

      Philine stand auf und hielt sich fertig. Der Alte begann die Melodie, und sie sang ein Lied, das wir unsern Lesern nicht mitteilen können, weil sie es vielleicht abgeschmackt oder wohl gar unanständig finden könnten.

      Inzwischen hatte die Gesellschaft, die immer heiterer geworden war, noch manche Flasche Wein ausgetrunken und fing an, sehr laut zu werden. Da aber unserm Freunde die bösen Folgen ihrer Lust noch in frischem Andenken schwebten, suchte er abzubrechen, steckte dem Alten für seine Bemühung eine reichliche Belohnung in die Hand, die andern taten auch etwas, man ließ ihn abtreten und ruhen und versprach sich auf den Abend eine wiederholte Freude von seiner Geschicklichkeit.

      Als er hinweg war, sagte Wilhelm zu Philinen: »Ich kann zwar in Ihrem Leibgesange weder ein dichterisches noch sittliches Verdienst finden; doch wenn Sie mit eben der Naivität, Eigenheit und Zierlichkeit etwas Schickliches auf dem Theater jemals ausführen, so wird Ihnen allgemeiner, lebhafter Beifall gewiss zuteil werden.«

      »Ja«, sagte Philine, »es müsste eine recht angenehme Empfindung sein, sich am Eise zu wärmen.«

      »Überhaupt«, sagte Wilhelm, »wie sehr beschämt dieser [161]Mann manchen Schauspieler. Haben Sie bemerkt, wie richtig der dramatische Ausdruck seiner Romanzen war? Gewiss, es lebte mehr Darstellung in seinem Gesang als in unsern steifen Personen auf der Bühne; man sollte die Aufführung mancher Stücke eher für eine Erzählung halten und diesen musikalischen Erzählungen eine sinnliche Gegenwart zuschreiben.«

      »Sie sind ungerecht«, versetzte Laertes; »ich gebe mich weder für einen großen Schauspieler noch Sänger; aber das weiß ich, dass, wenn die Musik die Bewegungen des Körpers leitet, ihnen Leben gibt und ihnen zugleich das Maß vorschreibt; wenn Deklamation und Ausdruck schon von dem Kompositeur auf mich übertragen werden: so bin ich ein ganz andrer Mensch, als wenn ich im prosaischen Drama das alles erst erschaffen und Takt und Deklamation mir erst erfinden soll, worin mich noch dazu jeder Mitspielende stören kann.«

      »So viel weiß ich«, sagte Melina, »dass uns dieser Mann in einem Punkte gewiss beschämt, und zwar in einem Hauptpunkte. Die Stärke seiner Talente zeigt sich in dem Nutzen, den er davon zieht. Uns, die wir vielleicht bald in Verlegenheit sein werden, wo wir eine Mahlzeit hernehmen, bewegt er, unsre Mahlzeit mit ihm zu teilen. Er weiß uns das Geld, das wir anwenden könnten, um uns in einige Verfassung zu setzen, durch ein Liedchen aus der Tasche zu locken. Es scheint so angenehm zu sein, das Geld zu verschleudern, womit man sich und andern eine Existenz verschaffen könnte.«

      Das Gespräch bekam durch diese Bemerkung nicht die angenehmste Wendung. Wilhelm, auf den der Vorwurf eigentlich gerichtet war, antwortete mit einiger Leidenschaft, [162]und Melina, der sich eben nicht der größten Feinheit befliss, brachte zuletzt seine Beschwerden mit ziemlich trockenen Worten vor. »Es sind nun schon vierzehn Tage«, sagte er, »dass wir das hier verpfändete Theater und die Garderobe besehen haben, und beides konnten wir für eine sehr leidliche Summe haben. Sie machten mir damals Hoffnung, dass Sie mir so viel kreditieren würden, und bis jetzt habe ich noch nicht gesehen, dass Sie die Sache weiter bedacht oder sich einem Entschluss genähert hätten. Griffen Sie damals zu, so wären wir jetzt im Gange. Ihre Absicht zu verreisen haben Sie auch noch nicht ausgeführt, und Geld scheinen Sie mir diese Zeit über auch nicht gespart zu haben; wenigstens gibt es Personen, die immer Gelegenheit zu verschaffen wissen, dass es geschwinder weggehe.«

      Dieser nicht ganz ungerechte Vorwurf traf unsern Freund. Er versetzte einiges darauf mit Lebhaftigkeit, ja mit Heftigkeit, und ergriff, da die Gesellschaft aufstund und sich zerstreute, die Türe, indem er nicht undeutlich zu erkennen gab, dass er sich nicht lange mehr bei so unfreundlichen und undankbaren Menschen aufhalten wolle. Er eilte verdrießlich hinunter, sich auf eine steinerne Bank zu setzen, die vor dem Tore seines Gasthofs stand, und bemerkte nicht, dass er halb aus Lust, halb aus Verdruss mehr als gewöhnlich getrunken hatte.

      Zwölftes Kapitel

      Nach

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