Anderswelt. Friedrich Küppersbusch
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Flucht und Migration. Wo die Verunsicherung der Mitte begonnen hat
Wer und was ist die Lügenpresse?
Migranten werden nur negativ dargestellt
Der Sturm aufs Kapitol wird geschrumpft
Die letzten Tage in der Anderswelt
Ist die Anderswelt eine Alternative, vielleicht die bessere?
Prolog
RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN
EIN SELBSTVERSUCH IN DER WELT ALTERNATIVER MEDIEN
Schlecht geschlafen, wirr geträumt. Um halb vier Uhr früh aufgestanden. Gelesen. Ich frage mich, was ich mir da vorgenommen habe: heute also ist der Tag, an dem aus einer spielerischen Idee Ernst werden soll. Und ich frage mich, ob das wirklich eine gute Idee war?
Bei den ersten Anti-Corona-Demonstrationen in den vergangenen Wochen war immer wieder ein Stichwort deutlich zu hören, das mich seit Jahren bewegt: Lügenpresse. Und es sind nicht so sehr die lauten Pegida-Schreier in Dresden und anderswo, die Sorgen machen, es sind die vielen, leisen Zweifler. Diejenigen, die dem Medien-Mainstream immer mehr misstrauen. Diejenigen, die im Internet ihr Informationsheil suchen, die googeln und recherchieren verwechseln, diejenigen, die nur noch das glauben wollen, was die eigene Meinung, das eigene Vorurteil bestätigt.
Langsam fräst sich so fremdenfeindliches, antidemokratisches Gedankengut in alle Gesellschaftsgruppen, unabhängig vom sozialen Status. Die Medien, die dies befeuern, geben oder besser nennen sich mal liberal-konservativ, mal offen rechts.
Es sind zum Teil bekannte Journalisten aus dem Mainstream, die sich in den letzten Jahren radikalisiert haben. Namhafte und früher zu Recht geschätzte Kollegen wie Roland Tichy, Matthias Matussek, Boris Reitschuster oder Ken Jebsen. In unterschiedlicher Intensität, aber unüberhörbar. Mich verunsichert dies schon länger und ich frage mich, welche Motivation dahintersteht.
Während die Auflagen fast aller etablierter Printmedien fallen, melden Compact und Co deutliche Zuwächse. Was genau ist in diesen Publikationen zu lesen? Wohin führt der Weg Leser, User, Zuschauer, wenn sie sich ausschließlich in diesen sogenannten alternativen Medien informieren?
Um dies herauszufinden, werde ich mich über ein knappes halbes Jahr hinweg aus meinem gewohnten Nachrichtenumfeld ausklinken. Also kein Spiegel, keine Zeit, keine FAZ, keine Süddeutsche Zeitung, kein Deutschlandfunk, kein n-tv, keine Tagesschau, keine sonstigen Nachrichten im Fernsehen und im Internet. Im selben zeitlichen Umfang wie sonst auch werde ich mir meine Nachrichten aus »alternativen Quellen« holen.
Es ist jetzt Ende August. Die Diskussion um Corona nimmt an Aggressivität zu, die US-Wahlen stehen bevor, das Dauerthema Migration wird voraussichtlich gerade in diesen sogenannten alternativen Medien auch weiter eine zentrale Rolle spielen. Der Plan ist relativ simpel: Tagebuch führen und hinschauen, wo es wahrscheinlich wehtut.
Mehr als vierzig Jahre habe ich in unterschiedlichen Funktionen im »Medien-Mainstream« gearbeitet und gelebt. Volontariat beim heimischen Lokalblatt in Oberbayern. Gute zehn Jahre als Reporter in München, in Diensten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Reporter, Korrespondent, Magazin-Chef, Chefredakteur dann im privaten Fernsehen, und schließlich zwölf Jahre als Geschäftsführer eines Nachrichtensenders. Themen vom Trachtenumzug am Chiemsee bis zum Trump’schen Wahlkampf, von Tschernobyl bis Fukushima, vom Sommermärchen bis 9/11, von FJS bis NYSE.
Nach langer Erfahrung sollte ich gestählt sein für diesen Selbstversuch, für diese Reise ins Dunkel der deutschen Medienlandschaft. Angst vor dem, was mich erwartet und was die Lektüre bei mir auslöst, habe ich dennoch. Diese Angst soll mir ein Begleiter auf dieser Reise nehmen.
Friedrich Küppersbusch, mein langjähriger Freund und Kollege wird mir für die nächsten knapp sechs Monate auf die Finger und in den Kopf schauen. Wie wird sich mein Kenntnisstand des öffentlichen Geschehens von dem des durchschnittlichen Nachrichtenkonsumenten unterscheiden? Wird, und wenn, wie wird sich meine Wahrnehmung verändern? Friedrich Küppersbusch soll die notwendigen Einschübe liefern, die Fakten einordnen und so helfen, Differenz und Desinformation deutlich zu machen. Und er soll mir, sollte es so weit kommen, den Aluhut vom Kopf reißen.
Im Wesentlichen wird meine Lektüre auf Websites stattfinden, doch auch Gedrucktes und Videos, vornehmlich auf YouTube, gehören dazu. Es sind fünf Publikationen, denenich regelmäßig folgen will, aber ich werde auch den Algorithmus-Empfehlungen folgen und Seitenwege einschlagen. Und, das sei vorab verraten: Es werden sich »Preziosen« finden wie ein fast einstündiges, bewundernd-unterwürfiges Interview von Frau von Storch mit Steve Bannon, dem weltweit wohl einflussreichsten aller rechten Publizisten.1 Und ich werde zwanzigjährige Nachwuchsautoren kennenlernen, die voller Überzeugung für ihre Version eines neuen Deutschland brennen, und ich werde lesen müssen, wie ein Ex-Kulturchef des Spiegel eine Ikone der Identitären Bewegung hochjubelt: Brittany Sellner-Pettibone, die Frau von Martin Sellner.
Am nächsten noch am bürgerlichen Rand scheint Tichys Einblick zu stehen.2 TE startete 2014 als Ein-Mann-Blog und erscheint seit 2016 auch in gedruckter Form. Es ist, so Roland Tichy, der Kopf dahinter, »das Magazin für alle, die die Nase voll haben vom bevormundenden Mainstream-Journalismus«.3 Das, so der herausgebende Finanzenverlag, »Monatsmagazin für die liberal-konservative Elite« hat nach offiziellen Verlagsangaben eine gedruckte Auflage von 37.000 Exemplaren. Die Website wird laut Eigenangabe Monat für Monat von 650.000 Lesern genutzt. Seit sechs Jahren nutzt Tichy sein Know-how als früherer Chefredakteur bei den Wirtschaftsmagazinen Impulse, €uro und WirtschaftsWoche für seine eigenständigen Aktivitäten. Bei ihm werden Politiker wie Thilo Sarrazin und Hans-Georg Maaßen nahezu kritiklos hochgejubelt. So trifft er anscheinend den Lesegeschmack einer verunsicherten, migrations- und europaskeptischen Leserschaft. Damit hat er ein multimediales Medienangebot geschaffen. Offenbar ein wirtschaftliches Erfolgsmodell.
Auch Michael Mross, Kopf und Hauptautor der MMnews, ist ein ehemals bekannter Wirtschaftsjournalist.4 Er setzt bei seinen MMnews auf ein offenbar unzufriedenes, zumindest finanziell gehobenes Bürgertum. MMnews startete er schon 2008. Die Website