Droga do serca lady Lucy. Laura Martin

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Droga do serca lady Lucy - Laura Martin HARLEQUIN ROMANS HISTORYCZNY

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hier eher unpassendes Objekt: ein angedeuteter siebenarmiger Leuchter in mattem Ocker. Damals, als er gerade zum Juniorchef aufgestiegen war, hatte er seinen Vater gehindert, das Glas entfernen zu lassen. Er konnte nicht nachvollziehen, was den alten Herrn plötzlich daran störte. Später erst wurde es ihm bewußt: Es war dieses lange Zeit uneingestandene, aber stets vorhandene Gefühl von Schuld, das Friedrich Niebel umtrieb.

      Und es war auf einmal zutage getreten, als in den siebziger Jahren diese gezielte Pressekampagne gegen das Unternehmen einsetzte und alte Wunden bloßlegte. Das Bankhaus, und mit ihm auch diese schöne alte Villa in bester Wohnlage einst und jetzt, firmierte bis 1936 als Privatbank Jakob Grünbaum und Sohn, und Friedrich Niebel war einige Jahre zuvor dort eingetreten und hatte es bis zum Leiter der Kreditabteilung gebracht. Doch die Grünbaums waren zwar Protestanten der Konfession nach, aber eben jüdischer Abstammung, und es waren schlimme Zeiten damals für Juden in Deutschland.

      Ulrich Niebel wußte nur wenig von den Vorgängen, der Vater sprach selten darüber. Jedenfalls sah sich der alte Grünbaum genötigt - von wem auch immer - die Bank zu veräußern, und Friedrich Niebel, im Besitz einer kleinen Erbschaft, übernahm das Haus. Der Preis war gering und sicher weit unter Wert, aber der Vater hat immer wieder betont, er habe mehr gezahlt als in solchen Fällen üblich, aus Achtung gegenüber seinem ehemaligen Chef, und der hätte das Haus auch lieber ihm übertragen als einem jener Aasgeier in ihren braunen Uniformen, die nur auf billige Beute warteten. So konnte der Alte auch dem Sohn - Jakob junior - nach jener verhängnisvollen Novembernacht 1938 die Ausreise aus Deutschland erkaufen. Er selbst aber blieb, und seine Spur verliert sich in irgendeinem Transport in ein Lager im Osten.

      Das alles war längst vergessen, als irgendein Journalist die Geschichte wieder ausgrub, von Arisierung schrieb, von Bereicherung an jüdischem Eigentum, ja von Enteignung zugunsten unserer Familie. Der Vater hat dazu eisern geschwiegen, und das war sicher die beste Strategie, aber es hat die Familie doch viel an Ansehen gekostet und das Bankhaus manchen solventen Kunden. So sind einige Jahre vergangen, ehe das Unternehmen wieder die früheren Umsätze erreichte.

      Für Ulrich Niebel war das alles Geschichte, geschehen vor seiner Geburt in jenen turbulenten Monaten des endgültigen Zusammenbruchs, als die siegreichen Alliierten Friedrich Niebel und seine hochschwangere Frau aus dem Haus trieben und es für einige Zeit zum Offizierskasino machten. Doch als seine ersten Erinnerungen einsetzen, lebten die Niebels längst wieder in der alten Villa, und für Ulrich war sie mit ihrem Park die Heimat seiner Kindheit. Und er ahnte lange nichts von der verborgenen Last, die sein Vater zeitlebens trug.

      "Ich bin nicht schuld," hatte er noch auf dem Sterbelager geflüstert, und der Sohn mußte eine Zeit überlegen, woran seine Gedanken hingen. "Ich bin nicht schuld. Sonst hätte es ein anderer gemacht. Wir sind in Freundschaft geschieden. Ich habe ihm so sehr geraten, ebenfalls das Land zu verlasssen. Aber er sagte: „Das ist mein Land, und ich habe es vor Douaumont verteidigt. Das können sie doch nicht vergessen“. Ach Junge, es wird so viel vergessen."

      Ulrich Niebel schaute hinüber zur Fensterwand. Da hing zwischen den weinroten Vorhängen das goldgerahmte Portrait seines Vaters und blickte streng herab auf den Sohn, der nun selber Vater war und sich um seine Tochter sorgen mußte. "Nein, du warst nicht schuld an diesem Wahnsinn", sagte er leise. "Ich glaube dir. Viele haben es gemacht, aus purer Habgier. Für dich war diese Bank Heimat, Aufgabe, Lebensziel. Du warst im Recht." Und weil Ulrich Niebel das glaubte, blieb auch das Glas im Oberlicht. Langsam lösten sich seine Gedanken aus der Vergangenheit, sein Blick fiel auf die Notizen auf seinem Schreibtisch, und er war wieder der Banker, und er wußte, es kommt eine Krise auf uns zu, und wir müssen sie meistern. Wie alle früheren.

      7. Hilla

      Ich hätte ihn nicht gehen lassen - nicht so gehen lassen dürfen! Immer wieder muß ich daran denken, muß ich mir diesen Vorwurf machen, immer wieder frage ich mich: Warum habe ich ihn nicht aufgehalten, ihm etwas Versöhnliches gesagt? Warum habe ich ihm nicht einfach eingestanden, daß ich ihn liebe? Ja, jetzt, wo er fort ist, weiß ich es: Ich liebe dich, Siggi. Ich liebe dich! Doch damals war ich mir nicht sicher. Muß man immer erst etwas verlieren, bevor man erkennt, was es einem wert ist? Das ist so bitter.

      Das war nicht anders, als Mama starb. Sicher, ich war damals noch ein Kind, gerade erst sechs und so stolz, daß ich nun bald zur Schule gehen darf. Daß Mama krank war, das konnte ich wohl noch nicht wirklich begreifen. Ich war böse, daß sie plötzlich nicht mehr mit mir spielte. Ich war trotzig, weil ich ständig still sein sollte, um sie nicht zu stören. Ich habe ihr ihre letzten Wochen nicht leicht gemacht. Und ich habe sie doch so sehr geliebt!

      Danach, als es plötzlich schrecklich still war im Haus, als alle mit ernsten Gesichtern und dunklen Kleidern umherliefen, als plötzlich diese fremde Frau auftauchte, die Vater eingestellt hatte, um mich zu betreuen - da habe ich geweint und geweint, und was diese Frau dann erzählte vom Himmel und den Engeln und wie gut es Mama dort nun hätte und daß sie endlich gar keine Schmerzen mehr hätte - das hat mich kaum getröstet. Nur daß ich plötzlich auch sterben wollte, wenn es denn im Himmel so schön ist und wenn ich Mama dort wieder ganz für mich haben könnte - das hat dann alle schockiert. Aber möchte man nicht immer dort sein, wo das Liebste auch ist? Doch wo bist du, Siggi?

      Ich weiß: Damals haben sich alle Mühe gegeben mit diesem verstörten kleinen Mädchen, jeder auf seine Weise. Der Vater, der so wenig zärtlich sein konnte und dem es peinlich war, wenn ich auf seinen Schoß kletterte, um ihn zu umarmen. Der Bruder, der selbst Probleme genug hatte und wenig anfangen konnte mit einer Schwester, die zehn Jahre jünger war. Und auch die verschiedenen Gouvernanten, die Vater engagierte und die ich, eine nach der anderen, immer wieder hinausgraulte. Ich weiß, ich war eklig, und ich fühlte mich selbst auch so, ich fühlte mich furchtbar allein und wollte doch nicht, daß jemand Mama ersetzte, weil sie unersetzlich war.

      Nein, es war keine schöne Kindheit, obwohl Vater mir fast jeden Wunsch erfüllte. Aber die anderen Kinder in meiner Klasse hatten alle eine Mama, nur ich nicht. Deshalb habe ich sie gehaßt. Dabei hatten sie vieles nicht, was für mich selbstverständlich war, und um manches haben sie mich beneidet. Doch eines hatten sie - eine Mutter. Immer blieb ich so Außenseiterin, nicht nur, weil ich Kind aus reichem Hause war. Dabei war das in meinen Augen überhaupt kein Vorteil. Denn die anderen Kinder durften herumtoben, ich aber sollte stets brav sein. Den anderen machte es nichts aus, mit zerrissenem Zeug und schmutzig nach Hause zu kommen. Ich aber trug diese schicken Sachen, teuer und doch so bieder, und oft lachten sie mich aus, wenn ich wieder einmal so herausgeputzt in die Schule gehen mußte. Erst viel später habe ich mich durchgesetzt und durfte mir meine Klamotten selber kaufen, ohne mich um die hochgezogenen Brauen meiner Erzieherin zu kümmern. Ich habe sie provoziert, so oft ich nur konnte, das ist wahr.

      Auch Vater hat lange dazu gebraucht, mir die ersehnte Freiheit zu schenken, den goldenen Käfig zu öffnen, damit ich ausfliegen konnte. Und ich habe es dann genossen - vielleicht mehr, als mir gut tat. Alle die Jungs, mit denen ich schon früh loszog, eigentlich waren sie nur Staffage - und oft auch Opfer. Ich habe sie ausprobiert und abserviert. Kaum jemand von ihnen hat von selbst Schluß gemacht. Immer war ich es, der rasch nach einem Neuen Ausschau hielt. Dabei ging es nur selten um Sex - soweit ließ ich es meist garnicht erst kommen. Nicht, weil ich keine Lust verspürte, sondern weil das Unbekannte schon lockte, ehe das Alte ausgereizt war. Und wenn ich einen verführte - denn von ihnen verführen ließ ich mich nicht! - dann war da wenig Gefühl und ganz schnell nur noch Leere und Ekel.

      Was wollte ich eigentlich vom Leben? Spaß? Ja, auch. Doch jetzt weiß ich, daß man auf Dauer so nicht leben kann. Seit Siggi weiß ich es, obwohl es doch auch Spaß gemacht hat mit ihm. Nein, das ist jetzt nicht mehr das richtige Wort. Ich habe - ja, eine Art Glück empfunden, wenn er mich nahm. Er mich, und nicht ich den andern wie sonst.

      Er war manchmal komisch, das ist wahr. All seine Ausdrücke, sein Reden, seine Ansichten über die Welt - ich konnte oft wenig damit anfangen,

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