Reisen. Niklaus Meienberg
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Erwähnenswert sei noch die Jagd (Rebhuhn), von der exklusiven Art, welche jährlich nur an zwei Wochenenden stattfinde, dafür aber stets mit netten Jagdgästen bestückt sei. Man müsse immer wieder Rebhühner züchten und aussetzen, damit die edlen Vögel nicht ausstürben. Die pauschalen Jagdarrangements über ein verlängertes Weekend – die Gäste wohnen und essen im Schlösschen, die Pflege der Geselligkeit ist inbegriffen – brächten einen weiteren Batzen in die Familienkasse, und auch den als Treibern angestellten Bauern ein Zubrot. Hansi sei auch schon hier gewesen, ein Hohenzollernprinz, auch Nando (von Hohenlohe) und der liebenswürdige Moritz (von Hessen), während Franzl (Burda) ihr eher etwas sauertöpfisch vorgekommen sei, er mache immer so ein Senatorengesicht. Aber Sven (Simon), der Sohn des Verlegers Springer, sei äusserst nett gewesen; schade, dass er sich entleibt habe.
Gleich hinter der Marquise hängen zwei Bilder, schön im Gesichtsfeld des Reisenden. Ein gemaltes; welches die Marquise vor ca. 20 Jahren darstellt, im Stil der spanischen Granden, und ein fotografisches aus neuerer Zeit (Porträt, farbig). Auf der Fotografie ist unten mit Filzstift eine längere Widmung hingemalt, am Schluss steht deutlich abgehoben ein R. Auf die Frage, was die Inschrift bedeute, sagt die Marquise, indem sie nochmals Wein nachgiesst, der König von Spanien habe das Bild geknipst und darunter geschrieben: «Meiner lieben Carmen, in der Hoffnung, dass mein nächstes Foto besser gerät, mit den besten Wünschen Dein Juan Carlos, R.» Das R steht für Rey (König). Ein besseres Foto könne man eigentlich kaum anfertigen, sagt die Marquise von O., und der König sei doch allzu bescheiden. Auch er sei schon zur Jagd auf ihren Gütern gewesen. Nicht nur sie selbst, auch Spanien insgesamt habe ihm viel zu verdanken, weil er doch kürzlich die Demokratie gerettet habe. Die alten Generäle aus der Franco-Zeit, diesen rabiaten Milans del Bosch und den dümmlichen Tejero und all die vulgären Frankisten könne sie nicht leiden, die hätten kein Format und keinen Horizont, und bestimmt würden die wieder einen Putsch versuchen, aber seien wegen ihrer Dummheit zum Misserfolg verurteilt. Die Basken mit ihrem Terrorismus arbeiteten den altmodischen Trotteln leider in die Hände. Übrigens ihr Onkel, ein in der Elektrizitätswirtschaft führender Oriol, sei auch einmal von der ETA entführt, aber nach einigen Monaten unverletzt freigelassen worden. Der wisse eben, wie man mit Entführern umgehe.
Abschliessend müsse sie übrigens betonen, dass im spanischen Bürgertum und Adel keine wirklich bedeutenden Reichtümer angehäuft seien, alles sehr bescheiden, verglichen mit dem Geld der Reichen in Westeuropa. In Gstaad oder St. Moritz, während der Winterferien, käme sie sich immer vor wie Aschenbrödel. Schliesslich arbeite sie, ihr Mann auch. Und ob der Reisende, wenn ihn sein Weg nach Madrid führe, sie in ihrem kleinen Innenarchitekten-Betrieb besuchen wolle?
Versprochen.
Und jetzt wieder zurück über den rechteckigen, im zweiten Stock mit Holz verkleideten Hof (mudejar), vor dem Abschied noch ein Blick in die Stallungen. Die Magd steht wieder am Tor. Carmen Icáza de Oriol hat eine Vorliebe für die spanische Pferderasse, der Name der Spanischen Hofreitschule sei davon abgeleitet. Eigentlich zöge sie die Spanier den Arabern vor: mehr Charakter. Ein Blick auf die Pferde zeigt, welch sicheren Geschmack die Marquise auch auf diesem Gebiet hat. Die feinen Nüstern! Lebhaften Augen! Wohlgebildeten Kruppen! Die zwei Araber halten den Vergleich mit den Spaniern nicht aus. Temperamentvolle und doch verlässliche Tiere mit recht viel Blut, fein modellierte Köpfe. Ein solches sei heute ohne weiteres seine hunderttausend Dollar wert, umgerechnet. Ideal für Spazierritte, weniger für Dressur. Und grüssen Sie mir die schöne Schweiz, aber auch Deutschland!
Auf den Strassen von Layos lungern die Hunde im spärlichen Lampenschein, alte Männer mit ledrigen Gesichtern hocken noch immer vor den Haustüren, schweigend. Ein kleines Monument erinnert an die Gefallenen des Bürgerkriegs. Nur die Namen der gefallenen Frankisten sind eingraviert, die andern hatten vielleicht keine Opfer zu beklagen? Morgen ist ein staatlicher Feiertag, da wird die Entdeckung Amerikas gefeiert, día de la hispanidad nennen sie es. Die erdumspannende hispanische Völkerfamilie, von Spanien über Südamerika bis zu den Philippinen. Die Köter sind wirklich sehr hässlich, da hat die Marquise schon recht, kurzbeinig, triefäugig, struppig, sabbernd und räudig. Man wird ihnen auf den Pelz rücken müssen, wenn man die Dörfer verschönern will. In den Spelunken füllen sich die Gläser mit wohlfeilem Brandy, und im Hinblick auf den Feiertag lassen sich die Leute vollaufen, erzählen ein wenig von Arbeitslosigkeit, schlechten Löhnen, Auswanderung, abstumpfendem Landleben. Gstaad oder St. Moritz kennen sie aus der Perspektive des Servierpersonals, vielleicht haben sie die Marquise auch dort bedient. Aber besser kennen sie das Ruhrgebiet. Auf einer Mauer in Layos steht geschrieben LA MIERDA DE LA PROVINCIA. Noch bis in die Morgenstunden dringt der Lärm durch die dünnen Wände in die Schlafkammer des Reisenden herauf.
Morgen werden sie Amerika entdecken.
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