Grosse Tiere. Niklaus Meienberg
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UNTERDESSEN schützt die Einsiedler Feuerwehr die Mauer des Studentenhofes, in welchem schon wieder der Jugend begegnet werden soll, von aussen. Entlang der Mauer hat es Bäume. Eine Leiter liegt dort. Darf man sie an die Mauer stellen und besteigen, um journalistisch den Überblick zu behalten? Nein, sagt die Feuerwehr, da könnte jeder kommen. Wozu dient denn die Leiter? Um Jugendliche, welche sich in den Bäumen versteigen könnten, herunterzuholen. Aber da gibt es doch die Stelle im Evangelium vom Zöllner, der so kleinwüchsig war, dass er SEINE Reden nur mitbekam, wenn er auf einen Baum stieg? Aber an diesem Papstabend will die Feuerwehr nichts vom Evangelium wissen.
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Nach reiflicher Meditation ist der Reporter zur Überzeugung gekommen, dass es sich bei der weissen Person, welche sich, magneten- und kometengleich vom 12. bis 17. Juni 1984 durch die Schweiz bewegte, nicht um das Original handeln konnte. Da der Papst bekanntlich keinen Pass besitzt, konnten auch die Personalien in Kloten nicht überprüft werden – das weisse Gewand und eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Original genügten, um ihm Zutritt in das Land und die Herzen zu verschaffen. Tatsächlich ist nicht anzunehmen, dass ein 64jähriger, von Attentatsfolgen schwer angeschlagener Mann auch nur den Stress des Fribourger Aufenthalts ohne Kollaps überlebt hätte. Der Vatikan hat denn auch wirklich einen Stunt-Man geschickt, der seine Sache sehr glaubwürdig machte, für einen Tagessatz von Dollar 3000,– und die Gewährung eines prophylaktischen Vollkommenen Ablasses. Der wirkliche Papst hat unterdessen in Castel Gandolfo, seiner Sommerresidenz, der Schwimmkunst gefrönt und abends die Eurovisions-Sendungen aus der Schweiz goutiert.
PS I: Aus dem fernen Afrika schickt Pater Hildebrand Meienberg osb, Missionar – zur Oktroyierung des Namens Hildebrand vgl. «Wach auf du schönes Vögelein» – einen Brief bzw. ein Hildebrandslied:
«Rift Valley, Kerio-Tal, Äquator, drei Wochen nach dem Heiligen Geist und einen Tag nach der lectio disgustata über den Heiligen Vater, den Du in Deiner Schreibmaschine plattgewalzt hast. Die Magna Mater selbst, Grossackerstr. 8, 9000 St. Gallen, hat mir Dein letztes opusculum zukommen lassen. Das letzte, tatsächlich!
Als einer, der mit Dir den einen und gleichen Bauch geteilt hat (wie man in Afrika so ungeniert sagt, namlich tumbo moja), allerdings zehn Jahre früher, denn zwei sottigi gleichzeitig hätte die Mutter nicht geschafft, möchte ich Dir meine Meinung sagen, sine ira et studio, einfach so. Journalisten schreiben ja nur, weil man sie liest und kommentiert.
Dass man zum Schweizer Besuch des Papstes von Dir keinen theologischen Kommentar erwarten musste, war zum vornherein klar. Aber hätten wir nicht auch hoffen dürfen, dass Du mit mehr Fairness und weniger zynisch und sarkastisch hinter Deine Arbeit gegangen wärest? Hätte Dich dieser Besuch nicht jucken müssen, kritisch und positiv, ernsthaft und humorvoll, listig und lustig, mit (vielleicht versteckter) Sympathie Deinen Kommentar zu geben? Einfach mehr Honig und weniger Essig. Dann hättest Du nicht nur die linken Leute, sondern auch die ein wenig mehr rechts stehenden Christen auf Deiner Seite (denn für die schreibst Du doch Komplet-Psalmen auf Latein). Leute, die mit Dir sachlich oft einig gehen würden, die Dich aber nicht ernst nehmen, wenn es Dir an mâze fehlt. Eben Walther von der Vogelweide.
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Bis zum ersten Sternchen Deiner Reportage würde ich Dich gelten lassen, trotz den ziemlich blöden «vollautomatischen Rosenkränzen». Vieles ist chogeglatt; als ehrlicher Schwizzer hast Du ruhig frech schreiben dürfen, vide Schlangen und Basilisken, Jagdfeldstecher, präpariert spontane Reden und Antworten (auch in Nairobi hätte mein oberster Chef besser einiges nicht gesagt), römischer Klimbim, päpstliches Wappen am Zingulum, die unangenehmen Fragen, Othmar Keel und Opus Dei, Alois Müller und Zacchäus, Papst-Bett und -Telephon, seine Leut-Seligkeit. Da bist Du unübertroffen!
Doch hängt es mir aus, wenn Du Werturteile fällst und andere fertig machst: das ‹gelogene Furgler-Lächeln›, den Papst, der ‹kein Kirchenlicht ist›. Wirklich? Oder kannst Du im Ernst von einem ‹Stunt-Man› oder einem ‹64jährigen, von Attentatsfolgen schwer angeschlagenen Mann› erwarten, dass er auf jede von langer Hand vorbereitete und kritische Frage gleich die träfste Antwort aus dem Ärmel schüttelt? Und was verstehst Du unter seinem ‹Köhlerglauben›? Warum die primitive Assoziation Stufenaltar–‹Menschenopfer›? Warum die ‹Vereinigten Müttergottes›? Oder ist es menschlich und journalistisch eine Leistung, in den alten Wunden eines Klosters und eines Mannes herumzustochern? (Warum eines ‹Gehenkten›? Niemand hat ihm je einen Strick gedreht.) Oder wie stellst Du Dir ein Kloster ohne Ehelose vor? Tant pis pour toi. Die Höhe jedoch: ‹Diese ödipal konstellierte Opfergabe (Du meinst Kastration) … soll dem Vernehmen nach von Johannes Paul II besonders geschätzt werden.› Soll dem Vernehmen nach – warum diese saumässige Unterstellung, anstatt sauber zu recherchieren, wie wir das sonst von Dir gewohnt sind?
Gäbe es nicht auch ein Erbarmen mit den sogenannten Grossen, oder sind sie nichts als Freiwild, das man beliebig abschiessen darf – zu dumm, wenn sie sich nicht wehren!
Noch einmal: ich anerkenne Deine Unerschrockenheit, ich (vogel-)weide mich an Deinen Formulierungen, aber ich wünschte mir zugleich ein wenig Humor (oder auch nur ein nachsichtiges Lächeln) statt so viel sterilen Zynismus.
Di het ich gern in einen srin!
Ja leider, des mac nict gesin
daz mout und menlich ere
und rechte mâze mere
zesamen in din zitig komen …
(Stoss-Seufzer von der Grossen Weide 8, Sanggale)
Next time try harder, please!
Dein Herz-Bruder Peter, ordinis sancti benedicti»
PS II: «An den Chef-Redaktor der WOCHEN-ZEITUNG Postfach, 8042 Zürich. Sehr geehrter Herr Redaktor, Die Juni-Nummer 25 Ihrer WOCHEN-ZEITUNG, vom 22. 6. 84 ist mir durch den Titel des Zeitungsanschlages aufgefallen: ‹Vatikan schickte Double in die Schweiz› (bezüglich der Papstreise). Dies veranlasste mich, die betreffende Nummer zu kaufen; der Artikel, von Niklaus Meienberg, wird durch ein Postskriptum ergänzt, worin es wörtlich steht: ‹Der Vatikan hat denn auch wirklich einen Stunt-Man geschickt … Der wirkliche Papst hat unterdessen in Castel Gandolfo … und abends die Eurovisions-Sendungen aus der Schweiz goutiert.›
Sie werden verstehen, dass für Katholiken eine solche Behauptung keine Bagatelle bedeutet. Daher erlaube ich mir die Anfrage, ob der Journalist ganz sichere Beweise anführen kann; in diesem Falle möchte ich sie kennen. Oder ist ihm ein ‹lapsus pennae› unterlaufen? Hat er sich ‹verschrieben›, so bitte ich Sie um Berichtigung in Ihrer Zeitung und um Zusendung der Belegnummer.
Sie werden vielleicht erstaunt sein, dass ich so spät reagiere, aber, da der Artikel kurz vor Beginn der Sommerferien erschien, fand ich es ungeeignet, zu diesem Zeitpunkt einen Leserbrief einzusenden; daher die Verzögerung. Ich möchte noch hinzufügen, dass ich von dieser Information noch keinen Gebrauch gemacht habe.
In der Erwartung Ihrer Aufschlüsse danke ich Ihnen im voraus bestens und grüsse Sie recht freundlich.
Daniele K., Fribourg.»
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