Interkulturelle Bildung, Migration und Flucht. Группа авторов

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kann, dass die Furcht vor Assimilation die zugewanderten Menschen dauerhaft in Distanz zur Aufnahmegesellschaft bringt.

      Ich begrüße vor diesem Hintergrund sehr, dass die Kolleginnen Dorothee Kimmich und Ingrid Hotz-Davies den Ähnlichkeitsgedanken stark machen und damit die entweder / oder-, ja / nein-Dichotomie des (trivialen) Differenzbegriffs irritieren zugunsten eines mehr oder weniger, also einer feineren Abbildung von Graden der Unterschiedlichkeit. Auf jeden Fall geht es darum zu illustrieren, dass unsere Begriffe nicht unschuldig sind; sie prägen unsere Wahrnehmungsmuster und Denkweisen. Deshalb ist es wichtig, die Begriffswahl zu reflektieren. Noch eine letzte Bemerkung in diesem Zusammenhang: Ähnliches wie das, was sich zu „Gastarbeiterkind“ oder „Schüler mit Migrationshintergrund“ anmerken lässt, gilt auch für den ebenfalls sehr umstrittenen Begriff des „Flüchtlings“. Im Unterschied zum englischen refugee, bei dem sehr viel stärker der Akzent auf refuge, also Zuflucht liegt, und refugee also anders als escapee beinhaltet, dass hier das Zufluchtgewähren, der sichere Ort, in den Blick genommen wird, ist der Begriff des Flüchtlings gleich aus mehreren Gründen, die beispielsweise im Bremer Sprachblog www.sprachlog.de/2012/12/01/fluechtlinge-und-gefluechtete/ thematisiert werden, problematisch.

      Zwischenschritt: Schule und Menschrechte

      Wenn ich im Folgenden ‚Interkulturelle Pädagogik‘ und die hierzulande so genannte ‚Flüchtlingskrise‘ versuche in einen Zusammenhang zu bringen, so beziehe ich mich zunächst, aber nur um mich dann von ihr abzugrenzen, auf Hannah Arendt. Arendt (2001, Kapitel neun) formulierte ihre These vor dem Hintergrund der weitgehenden Alternativlosigkeit des Nationalstaats und postulierte, dass jede neue Generation ja erst in die bestehenden Verhältnisse eingeführt und mit diesen vertraut gemacht werden müsse. Aber was heißt Nationalstaat zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Sicher sind Nationalstaaten noch immer die weitgehend alternativlose Organisationsform menschlicher Gesellschaften. Aber schon bei ‚menschlich‘ fängt die Diskussion an spannend zu werden und bei territorialer Organisation erst recht. Denken wir an aktuelle Debatten zu Transhumanismus oder Posthumanismus, so ist sofort evident, dass zeitgenössische Sozialtheorien nicht nur den Menschen, sondern auch die Mitgeschöpfe in den Blick nehmen. Ebenso evident ist, dass die noch gültigen territorialen Demarkationen keinen dauerhaften Bestand haben werden. Bürger- und Menschenrechte sind zu rekonfigurieren und zwar im Horizont vulnerabler Geschöpfe auf einem vulnerablen Planeten. Daher soll in den folgenden Ausführungen die Differenz zwischen Universalismus und Partikularismus, zwischen genereller und konkreter Inanspruchnahme zum Gegenstand gemacht werden. Ins Pädagogische übersetzt bedeutet dies, dass in der Rede über die Flüchtlingskrise zwei unterschiedliche und traditionsreiche Bildungsdiskurse angesprochen sind, ohne als solche kenntlich gemacht zu werden: die Menschenbildung oder vielleicht auch Menschenerziehung und die Bürgerbildung oder Bürgererziehung. Es ist nicht uninteressant, dass die Pädagogik der europäischen Aufklärung diese Differenz thematisierte, ohne sie lösen zu können und dass sie in der Folge immer mehr verwischte und uns bis heute etwas hilflos macht.

      Eines der Urdokumente dieses Spannungsverhältnisses ist Rousseaus Erziehungsroman „Emile“, den er nicht zufällig im gleichen Jahr veröffentlichte wie seinen „Contrat Social“. In „Emile“ geht es genau darum: Wie kann die Erziehung zum Menschen gesichert werden, ohne durch die Erziehung zum Bürger überlagert und sozusagen vereinnahmt zu werden? Rousseau muss daher eine künstliche pädagogische Situation schaffen, um seine Dreiteilung, dass der Mensch durch die Natur, die Dinge und andere Menschen erzogen wird, zu verdeutlichen. Dabei richtet er aber seine Menschenerziehung, die nach seiner Vorstellung der Bürgererziehung vorausgehen muss, an einem durchschnittlichen Kind aus. Er konstruiert für seine Pädagogik einen Knaben, der modern gesprochen, in der Mitte der Gaus’schen Normalverteilungskurve angesiedelt ist: ein normales Kind. An diesem normalen, vernunftbegabten, aber eben noch nicht vernünftig handeln könnenden Kind richtet sich die gesamte moderne Pädagogik aus und entwickelt im deutschsprachigen Raum für die diesen Vorstellungen nicht entsprechenden Kinder eine Sonderpädagogik, die erst im Zuge der jüngsten Inklusionsdebatten infrage gestellt wurde. Diese Kritik kommt, auch dies ist kaum ein Zufall, aus der Menschenrechtsdiskussion und wurde prominent von der UNESCO vorangetrieben, als derjenigen Unterorganisation der Vereinten Nationen, die sich unter anderem mit Bildungsfragen befasst. Warum erwähne ich diesen Zusammenhang? Bei der Relektüre von John Rawls Theorie der Gerechtigkeit stolperte ich nochmals über seine Urszene der Gerechtigkeit als Fairness. Ich darf aus der Übersetzung zitieren:

      in der Theorie der Gerechtigkeit als Fairneß spielt die ursprüngliche Situation der Gleichheit dieselbe Rolle wie der Naturzustand in der herkömmlichen Theorie des Gesellschaftsvertrags. Dieser Urzustand wird natürlich nicht als ein wirklicher geschichtlicher Zustand vorgestellt, noch weniger als ein primitives Stadium der Kultur. Er wird als rein theoretische Situation aufgefaßt, die so beschaffen ist, daß sie zu einer bestimmten Gerechtigkeitsvorstellung führt. Zu den wesentlichen Eigenschaften dieser Situation gehört, daß niemand seine Stellung in der Gesellschaft kennt, seine Klasse oder seinen Status, ebensowenig sein Los bei der Verteilung natürlicher Gaben wie Intelligenz oder Körperkraft. Ich nehme sogar an, daß die Beteiligten ihre Vorstellung vom Guten und ihre besonderen psychologischen Neigungen nicht kennen. Die Grundsätze der Gerechtigkeit werden hinter dem Schleier des Nichtwissens festgelegt. (Rawl 2000: 29)

      Hier soll es gar nicht um die Fragen von Gerechtigkeit und Menschenrechten im Einzelnen gehen, sondern um die Einsicht, dass dieser Strang, der in der Pädagogik der Aufklärung aufschien, um dann gleich wieder verwischt zu werden (siehe Rousseau), nie systematisch weiterentwickelt wurde. Dies hat zur Folge, dass die Frage nach der Menschenbildung nicht unabhängig von konkreten gesellschaftlichen Bedingungen behandelt wurde, Menschenbildung und Bürgerbildung also immer zusammengedacht sind. Hannah Arendt hat dies eindrücklich ebenfalls mit Blick auf Flucht und Vertreibung auf den Punkt gebracht: Es gibt keinen schlimmeren Zustand, als nicht gewollt zu sein, nirgendwo Aufnahme zu finden. Nicht nur, nicht dahin zurück zu können, wo man herkommt, ist tragisch, sondern auch nirgends sonst anzukommen. Es wundert daher nicht, dass Arendt Menschenrechte nicht jenseits von Bürgerrechten dachte, und so ist es bis heute. Mit unserem Insistieren auf Differenzen, der Betonung vernünftiger Subjekte mit eigenen Zielen, haben wir den Zustand der Fairness übergangen. Die Menschenbildung geht, so finden wir es bei Humboldt, von einem Menschheitsideal aus, dem Ausdruck zu verleihen jedem Menschen als Aufgabe gestellt ist. Wie wir einander als Menschen zu begegnen, uns zu verhalten haben, was unser Menschsein ausmacht; wie wir einander als Menschen erkennen usw., sind Fragen, die in diese Richtung gehen. Dies sind, ganz im Sinne Rawls oder auch der Naturrechtstheoretiker, vorgesellschaftliche Fragen, Fragen, die jenseits kontingenter Ordnungen gestellt sind, sondern die sozusagen den Urgrund unserer Erfahrungen als verletzliche und endliche Wesen ausmachen. Die Kritik, es handele sich bei den Menschenrechten eben letztlich doch um historisch und kulturell situierte Artikulationen (europäischer) Vorstellungen, ist zwar berechtigt, sollte aber nicht dazu führen, dass wir den keinesfalls einzigartigen Grundgedanken aufgeben: nämlich das Menschsein an sich zu denken, ohne die Signifikanz von Differenzen. Und daran knüpft sich nun die alles entscheidende Frage an, auf die uns die aktuelle ‚refugee crisis‘ verweist: Können wir Mensch differenzlos denken, haben wir einen Diskurs entwickelt, der es zulässt, Menschen jenseits der gesellschaftlich relevanten Differenzlinien zu denken?

      Migration und wie Schule mit ihr umgeht

      Sowohl die Theorie der Schule als auch die Interkulturelle Pädagogik sind Arenen, in denen gesellschaftliche Kämpfe ausgetragen werden. Die Schule ist traditionell eher auf Homogenität ausgerichtet und soll nun mit Vielfalt umgehen, ohne die Vielfalt in einer Einfalt aufgehen zu lassen. Was Schule genau zu tun habe, wie sie mit Vielfalt umgehen solle, markiert den Schauplatz zahlreicher Auseinandersetzungen, an denen neben der Pädagogik auch die Politik und die Medien maßgeblich beteiligt sind. Es wundert folglich nicht, dass die Beantwortung der Frage, warum Kinder mit Migrations- oder Fluchthintergrund noch immer oft auf der Strecke bleiben und von der Schule in ihren Möglichkeiten

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