Kunstprojekt (Mumin-)Buch. Kathrin Hubli

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Kunstprojekt (Mumin-)Buch - Kathrin Hubli Beiträge zur nordischen Philologie

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Entwurfs- und Arbeitshandschriften integriert, die diesem Text vorausgehen.3

      Entsprechend bildet die critique génétique eine wesentliche theoretische Basis dieses Kapitels. Sie etablierte sich in den 1960er-Jahren in Frankreich und geht auf ideologische Vorläufer wie Stéphane Mallarmé und Paul Valéry zurück. Valéry war daran beteiligt, das ästhetische Interesse vom Produkt auf die Produktion zu lenken.4 Als Grundlagentext der critique génétique gilt Edgar Allan Poes Gedicht The Philosophy of Composition: „one of the foundational texts of French genetic criticism“.5 Darin wird ein dezidiert mechanischer Schreibprozess beschrieben. So wie beim Material der Blick vom Produkt auf die Produktion gewendet wird, wird der Künstler als Produzent, als Handwerker gesehen. Diesbezüglich dienen die Texte von Gottfried Benn Probleme der Lyrik (1968) und Walter Benjamin Der Autor als Produzent (1977) als Grundlage.

      Die Produktion von Literatur wird in einem weiteren Kapitel beleuchtet, in dem sich der Fokus auf die zahlreich vorhandenen Schreib- und Leseszenen in den Muminbüchern richtet. Die intensive schriftstellerische Tätigkeit vor allem Muminpappans lädt geradezu dazu ein, zu untersuchen, wie das Produzieren und Rezipieren von Literatur sowie unterschiedliche Konzepte von Autorschaft in den Texten selbst verhandelt werden. Denn „Schreibakte sind […] nicht nur Aufzeichnungsakte. Es sind auch Akte, in denen Erinnerungen, Erfahrungen und Wissensbestände produziert, artikuliert und organisiert werden.“6 Bezüglich der Schreibszenen sind die Ausführungen Rüdiger Campes Die Schreibszene. Schreiben (1991) sowie von Davide Giuriato, Martin Stingelin und Sandro Zanetti „Schreiben heisst: sich selber lesen“ (2008) massgeblich. Die Schreibszene wird dabei als ein Konvolut verschiedenster Handlungen gesehen, das den Akt des Schreibens performativ beschreibt, beziehungsweise rahmt. Somit wird das Schreiben in seiner Materialität betont. In einem engen Zusammenhang mit den Schreibszenen stehen Konzeptionen von Autorschaft, die als Spiegelungen unterschiedlicher Künstleridentitäten interessant sind (vgl. Behschnitt (1999), Amstutz (2004), Bohnenkamp (2001)) und in der Analyse daher ebenfalls Beachtung finden. Bezüglich der Prozesse der Werkentstehung und der Künstlerrolle bildet dieses Kapitel also eine Erweiterung zum vorausgehenden.

      Von den Reflexionen über das Machen von Literatur, von Literatur als Kunst und dem Rollenbild des Künstlers wendet sich der Blick im darauf folgenden Analysekapitel Richtung Buch. Dem Buch wird oftmals eine düstere Zukunft prophezeit. Michel Butor sieht jedoch gerade in der wachsenden Konkurrenz durch andere Medien eine Chance für das Buch, seine „Würde als Monument“zurückzubekommen.7 „Zeitung, Funk, Fernsehen und Film werden das Buch zwingen, immer ,schöner‘, immer ,dichter‘ zu werden.“8, postuliert er. In diesem Sinne widmet sich das dritte Analysekapitel dem Buch als Artefakt. Um sich dieser Thematik anzunähern, muss in einem ersten Schritt geklärt werden, was ein Buch ausmacht und wie sich die Begriffe „Buch“ und „Text“ auseinanderhalten lassen. Diesbezüglich sind etwa folgende Arbeiten relevant: Jürgen Nelles Bücher über Bücher. Das Medium Buch in Romanen des 18. und 19. Jahrhunderts (2002), Bill Brown A sense of things. The object matter of American literature (2003), Erika Fischer-Lichte Ästhetik des Performativen (2004). Grundlegend für die Analyse ist jedoch das Konzept des Paratexts nach Gérard Genette. Denn durch den Paratext, so Genette, wird ein Buch erst zum Buch.9 Genauer wird erörtert, welche paratextuellen Elemente eingesetzt werden, um das Buch als solches in Szene zu setzen. Mit anderen Worten, es geht um eine fundamentale Rahmung des Textes, sodass dieser als Buch wahrgenommen wird, und nicht in erster Linie um physische Merkmale des Buchs.

      Die Thematik des vorherigen Kapitels weiterführend, steht im vierten und letzten Analysekapitel die Buchgestaltung im Mittelpunkt. Untersucht werden klassische paratextuelle Elemente wie etwa das Cover oder die Titelseiten. Dabei steht jedoch deren visuelles Erscheinungsbild im Vordergrund. Ebenfalls analysiert wird das Seitenlayout, genauer die Relation von Text und Bild, Typografie und Farbgebung. Wohl attestiert Genette dem Visuellen ebenfalls eine Bedeutung, wie folgendes Zitat beweist:

      Doch muss man zumindest den paratextuellen Wert bedenken, den andere Erscheinungsformen annehmen können: bildliche (Illustrationen), materielle (alles, was zu den typographischen Entscheidungen gehört, die bei der Herstellung eines Buches mitunter sehr bedeutsam sind) […].10

      Trotzdem bezieht er diese Aspekte nicht in seine Untersuchung mit ein. Ferner wird in der Untersuchung ein besonderes Augenmerk auf die dritte Dimension des Buchs, auf dessen Physis gelegt, um deren Bedeutung im Gestaltungskonzept zu beleuchten. Carlos Spoerhase liefert für diese Überlegung mit Linie, Fläche, Raum. Die dritte Dimension des Buches in der Diskussion der Gegenwart und der Moderne (2016) einen Grundlagentext. Das Kapitel widmet sich also dem Buch als gestalterisches Kunstwerk und somit auch Tove Jansson nicht als Malerin oder Autorin, sondern Buchkünstlerin.

      Den grössten Teil des Korpus’ stellen die Muminbücher. Im Gegensatz zu den meisten früheren Arbeiten werden darunter nachfolgend nicht die Originalausgaben verstanden, sondern in Anlehnung an Agneta Rehal-Johansson die acht Muminbücher, die zwischen 1968 und 1970 in schwedischer Sprache erschienen. Das Debüt Småtrollen och den stora översvämningen (1945) ist nicht Teil dieser Reihe, da es im Unterschied zu den übrigen Muminbüchern von den Umarbeitungen ausgeschlossen war. Nicht berücksichtigt in der vorliegenden Arbeit wird weiter die Novellensammlung Det osynliga barnet (1969). Lediglich im Falle von Kometen kommer werden zwecks einer Detailanalyse alle drei edierten Versionen in die Untersuchung miteinbezogen. Da die Grundlage der Analyse die schwedischen Ausgaben der Muminreihe bilden, werden entsprechend die schwedischen Titel wie auch die schwedischen Figurennamen verwendet. Zusammenfassend ergibt sich folgende Liste: Kometen kommer (1968) (dt. Titel „Komet im Mumintal“), dazu gehören die früheren Versionen Kometjakten (1946) und Mumintrollet på kometjakt (1956), Trollkarlens hatt (1968) (dt. Titel „Die Mumins. Eine drollige Gesellschaft“), Muminpappans memoarer (1968) (dt. Titel „Muminvaters wildbewegte Jugend“), Farlig midsommar (1969) (dt. Titel „Sturm im Mumintal“), Trollvinter (1970) (dt. Titel „Winter im Mumintal“), Pappan och havet (1969) (dt. Titel „Mumins wundersame Inselabenteuer“) sowie Sent i november (1970) (dt. Titel „Herbst im Mumintal“).

      Neben den erwähnten Muminbüchern umfasst das Korpus ebenfalls folgende Bilderbücher Janssons: Hur gick det sen? (1952) (dt. Titel „Mumin, wie wird’s weiter gehen?) Ein Buch mit Mymla, Mumin und der kleinen My”), Vem ska trösta knyttet? (1960) (dt. Titel „Wer tröstet Toffel?“) und Den farliga resan (1977) (dt. Titel „Die gefährliche Reise“). Die Muminbücher und die Bilderbücher wurden noch kaum gemeinsam in einer Arbeit untersucht. In der geplanten Diskussion der Materialitätsaspekte scheint dies jedoch fruchtbar, da so auch ein eventuelles gattungsspezifisches Arbeiten festgestellt werden kann.

      Schliesslich ist auch das ungedruckte Material, welches in der Åbo Akademi in Finnland der Öffentlichkeit zugänglich ist, wesentlicher Bestandteil des Korpus’. Bei den Transkriptionen wird keine diplomatische, sondern eine linearisierte Transkription angestrebt. Die diplomatische Transkription bewahrt den materiell-visuellen Aspekt. Bei einer linearisierten Umschrift wird dieser zum Vorteil einer besseren Lesbarkeit teilweise aufgegeben.11

      2. Zur Inszenierung des „Machens“

      „Ein Gedicht entsteht überhaupt nur selten – ein Gedicht wird gemacht.“1

      In diesem Zitat zementiert Gottfried Benn die Lyrik als Kunstprodukt und die Relevanz der Verfertigung derselben. Dabei geht er auf Autoren ein, denen er gar ein weitaus grösseres Interesse an der Gestaltung eines Werks unterstellt als am Werk selbst. Mehr noch, Benn konstatiert: „Die modernen Lyriker bieten uns geradezu eine Philosophie der Komposition und eine Systematik des Schöpferischen.“2

      In Bezug auf Tove Janssons Schaffen scheint ein solcher Ausgangspunkt vor allem aus zwei Gründen vielversprechend. Erstens lenkt die Tatsache, dass Janssons Bilderbücher von der Forschung unisono als Artefakte gelobt werden, den Blick unweigerlich ebenfalls auf deren Genese.

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