Das Licht auf der anderen Seite des Flusses. Sergio Bambarén

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Das Licht auf der anderen Seite des Flusses - Sergio Bambarén

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Sie vorsichtig, Sir!«, sagte da ein junger Mann, der in dem Gasthaus arbeitete und der bemerkt hatte, dass einer seiner Gäste nicht in seinem Zimmer war, wie all die anderen Gäste, denen gesagt wurde, dass sie, wenn die Nacht einfiel, in ihren Zimmern bleiben sollten.

      »Wissen Sie, was das für ein Licht ist, auf der anderen Seite des Flusses?«

      Doch der junge Wirt war mehr daran interessiert, seinen Gast in dessen Zimmer zu führen, als zu antworten, damit auch er selbst in sein eigenes Zimmer gehen konnte, um vor all den Gefahren geschützt zu sein, die im Dschungel des Amazonasgebietes des Nachts auf der Lauer liegen.

      »Wissen Sie, was das für ein Licht ist, auf der anderen Seite des Flusses?«

      »Welches Licht, Sir?«, fragte der Wirt mit seiner großen Machete in der Hand – nur für alle Fälle.

      »Das Licht nahe des Ufers auf der anderen Seite des Flusses, das zu erscheinen und wieder zu verschwinden scheint.«

      »Ich sehe kein Licht«, antwortete der.

      Jetzt begann es, in Strömen zu regnen, so, als ob jemand Eimer voll Wasser über beide ergießen würde, womit er sie nötigen wollte zu gehen, während die Blitze des Gewitters den Himmel erleuchteten.

      »Sir, ich bitte Sie! Lassen Sie uns zu Ihrem Zimmer zurückgehen. Der Fluss kann jetzt jeden Moment über die Ufer treten.«

      Dann sah der Träumer das Licht zum letzten Mal und drehte sich um. Doch plötzlich war der Himmel durch einen Blitzeinschlag wieder hell erleuchtet. Er wandte sich noch einmal dem Fluss zu und sah etwas, wenn auch nur für eine Sekunde, das eine menschliche Silhouette zu sein schien. Dann war alles wieder stockdunkel. Und als sie die Räume des Gasthauses schließlich erreichten, war es, als ob der ganze Himmel herabfallen würde.

      Die Reise

      In dieser Nacht konnte der Träumer nicht schlafen. Das Donnern des Gewitters und der stärker und stärker werdende Regen hielten ihn wach.

      Aber nicht nur das. Es waren auch das Licht und die Silhouette auf der anderen Seite des Flusses, die er gesehen hatte. Er sah sie nur einen Augenblick lang. Doch er wusste, dass das ein Zeichen war, die Art von Zeichen, die er schon sein ganzes Leben lang kannte. Es ging um Einzelheiten, die vielen Menschen unwichtig erscheinen, die letztendlich jedoch unsere Verschiedenheit ausmachen. Er wusste, was ihm sein Herz sagte. Er musste den Fluss überqueren.

      Aber wie?

      Die Stimme des Herzens verlässt sich niemals auf die Logik oder auf Informationen, die der Verstand zu vermitteln versucht. Sie spricht zu jedem, so ist es schon immer gewesen. Durch diesen »Instinkt«, wenn man das einmal so nennen darf, unterscheiden sich viele Menschen, wie sie dem Leben begegnen, manchmal sogar dem Tod.

      Einen so breiten Fluss gegen die Strömung zu überqueren, der womöglich von Piranhas und weiß Gott von welchen anderen gefährlichen Kreaturen besiedelt ist, würde sich für viele Menschen vermutlich wie ein Todesurteil anhören. Aber nicht für den Träumer. Er hatte bemerkt, dass die Piranhas, die in diesem speziellen Fluss leben, anders waren als die, von denen Legenden und andere Horrorgeschichten erzählen. Es gibt im Dschungel des Amazonasgebietes nur eine Spezies von gefährlichen Piranhas. Und um ihr mörderisches Verhalten zu provozieren, muss Blut vorhanden sein. Alles Übrige gehört in die Welt des Kintopps, nach Hollywood und zu der Angst vor der Angst selbst. Es beruht auf Unwissenheit und sonst nichts.

      Geplant war, dass er das Gasthaus am nächsten Tag verlassen würde. Also schmiedete er einen Plan.

      Jetzt, dachte er, er wird das Gasthaus verlassen, ohne irgendjemandem von seinen Plänen zu erzählen. Man würde vermuten, dass er nur einer von vielen Touristen war, die den Regenwald verlassen haben, um in die Sicherheit des städtischen Lebens zurückzukehren. Also packte er seine Taschen, bezahlte die Rechnung und gab Carlos, der guten Seele des Gasthauses, ein üppiges Trinkgeld. Dann bat er ihn sehr freundlich, seine Taschen für ihn im Gasthaus aufzubewahren, denn er würde in einer Woche zurückkommen.

      Und Carlos tat, worum der Gast ihn gebeten hatte.

      Entgegen der wohl allgemein verbreiteten Annahme ist es sicherer, einen Fluss im Dschungel des Nachts zu durchqueren als am Tag. Die meisten gefährlichen Tiere leben im Regenwald und würden es nicht wagen, den Fluss in der Nacht zu durchqueren. Das gilt auch für die elektrischen Aale. Sie jagen während des Tages und nicht in der Nacht. Der Träumer wusste, dass er ein guter Schwimmer war.

      Er hatte sich vor Jahren mit den größten Wellen des Ozeans konfrontiert und seine Tauchübungen, die Luft unter Wasser lange Zeit anzuhalten, hatten ihm die Stärke gegeben, sich selbst zu vertrauen. Er hatte nicht das Gefühl, dass er ein Supermann war, doch dieses Risiko würde sich lohnen. Jedenfalls für ihn.

      Die Strömungen des Flusses verhalten sich den unterschiedlichen Phasen des Mondes entsprechend. Es war kein Neumond und kein Vollmond, also würden die Strömungen nicht zu stark sein.

      In dieser Nacht war der Himmel kristallklar mit Zigtausenden von Sternen am Himmelszelt. »Das ist gut!«, sagte er zu sich selbst. Und nachdem er so viele frische Früchte gegessen hatte wie er konnte und literweise Wasser getrunken hatte, ging er in seiner kompletten Taucherausrüstung zum Fluss. Er hatte sie mitgebracht, um mit den Delphinen des Amazonasdschungels zu schwimmen, hatte seinen Neoprenanzug übergezogen und einen Schnorchel angelegt. Sein verlässliches Schweizer Messer und zwei besonders starke, wasserdichte Taschenlampen hatte er fest an sich gebunden. Das war alles, was er brauchte, und eine riesige Portion Mut, absolut ohne Angstgefühle.

       Denn wenn jemand so viele wunderbare Erinnerungen aus seinem Leben hat, das sich anfühlt wie hundert Leben und jedes neue Abenteuer ein Geschenk des Universums ist, dann ist das Wort »Tod« nur eines von vielen, das in dem Herzen eines Menschen, der schon mehr erreicht hat, als er sich je erträumte, keine Rolle mehr spielt.

      Die Ströme des Amazonasdschungels sind trübe und braun. Sie bringen immer viel Schlamm mit sich, der in ihren Gewässern endet. Der Schlamm wird vom Regen in die Flüsse gespült.

      Der Träumer ging in seinen zur Taucherausrüstung gehörenden Stiefeln etwa zweihundert Meter stromaufwärts am Ufer des Flusses entlang, in der Hoffnung, dass er die Durchquerung des Flusses bis zum gegenüberliegenden Ufer schaffen würde. Er wollte in der Nähe der Stelle ankommen, wo er das Licht gesehen hatte.

      Trotz seiner vollständigen Taucherausrüstung mit Schwimmflossen, Neoprenhandschuhen und Maske wusste er, dass er schnell handeln musste, bevor ein Tier des Dschungels das Fleisch unter dem Anzug riechen würde.

      Halt inne, meditiere! Sei hellwach und überlebe.

      Es dauerte nur ein paar Minuten, sein Herz und seine Seele von den falschen Gefühlen zu befreien, die versucht hatten, seinen Geist zu vernebeln: die Angst vor der Angst selbst. Dann tauchte er unmittelbar in den Fluss ein und hoffte das Beste.

      Der starke Fluss

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