Heinrich von Ofterdingen. Ein Roman. Novalis (d. i. Friedrich von Hardenberg)

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Heinrich von Ofterdingen. Ein Roman - Novalis (d. i. Friedrich von Hardenberg) Reclams Universal-Bibliothek

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Kämpfen mit jenen wohltätigen Göttinnen, und endlich von dem zukünftigen Triumph der letztern, dem Ende der Trübsale, der Verjüngung der Natur und der Wiederkehr eines ewigen goldenen Zeitalters. Die alten Dichter traten selbst von Begeisterung hingerissen, während des Gesanges näher um den seltsamen Fremdling her. Ein nie gefühltes Entzücken ergriff die Zuschauer, und der König selbst fühlte sich wie auf einem Strom des Himmels weggetragen. Ein solcher Gesang war nie vernommen worden, und alle glaubten, ein himmlisches Wesen sei unter ihnen erschienen, besonders da der Jüngling unterm Singen immer schöner, immer herrlicher, und seine Stimme immer gewaltiger zu werden schien. Die Luft spielte mit seinen goldenen Locken. Die Laute schien sich unter seinen Händen zu beseelen, und sein Blick schien trunken in eine geheimere Welt hinüberzuschauen. Auch die Kinderunschuld und Einfalt seines Gesichts schien allen übernatürlich. Nun war der herrliche Gesang geendigt. Die bejahrten Dichter drückten den Jüngling mit Freudentränen an ihre Brust. Ein stilles inniges Jauchzen ging durch die Versammlung. Der König kam gerührt auf ihn zu. Der Jüngling warf sich ihm bescheiden zu Füßen. Der König hob ihn auf, umarmte ihn herzlich, und hieß ihn sich eine Gabe ausbitten. Da bat er mit glühenden Wangen den König, noch ein Lied gnädig anzuhören, und dann über seine Bitte zu entscheiden. Der König trat einige Schritte zurück und der Fremdling fing an:

      [53]Der Sänger geht auf rauen Pfaden,

      Zerreißt in Dornen sein Gewand;

      Er muss durch Fluss und Sümpfe baden,

      Und keins reicht hülfreich ihm die Hand.

      Einsam und pfadlos fließt in Klagen

      Jetzt über sein ermattet Herz;

      Er kann die Laute kaum noch tragen,

      Ihn übermannt ein tiefer Schmerz.

      ›Ein traurig Los ward mir beschieden,

      Ich irre ganz verlassen hier,

      Ich brachte allen Lust und Frieden,

      Doch keiner teilte sie mit mir.

      Es wird ein jeder seiner Habe

      Und seines Lebens froh durch mich;

      Doch weisen sie mit karger Gabe

      Des Herzens Forderung von sich.

      Man lässt mich ruhig Abschied nehmen,

      Wie man den Frühling wandern sieht;

      Es wird sich keiner um ihn grämen,

      Wenn er betrübt von dannen zieht.

      Verlangend sehn sie nach den Früchten,

      Und wissen nicht, dass er sie sät;

      Ich kann den Himmel für sie dichten,

      Doch meiner denkt nicht Ein Gebet.

      Ich fühle dankbar Zaubermächte

      An diese Lippen festgebannt.

      Ο! knüpfte nur an meine Rechte

      Sich auch der Liebe Zauberband.

      [54]Es kümmert keine sich des Armen,

      Der dürftig aus der Ferne kam;

      Welch Herz wird Sein sich noch erbarmen

      Und lösen seinen tiefen Gram?‹

      Er sinkt im hohen Grase nieder,

      Und schläft mit nassen Wangen ein;

      Da schwebt der hohe Geist der Lieder

      In die beklemmte Brust hinein:

      ›Vergiss anjetzt, was du gelitten,

      In kurzem schwindet deine Last,

      Was du umsonst gesucht in Hütten,

      Das wirst du finden im Palast.

      Du nahst dem höchsten Erdenlohne,

      Bald endigt der verschlungne Lauf;

      Der Myrtenkranz wird eine Krone,

      Dir setzt die treuste Hand sie auf.

      Ein Herz voll Einklang ist berufen

      Zur Glorie um einen Thron;

      Der Dichter steigt auf rauen Stufen

      Hinan, und wird des Königs Sohn.‹

      So weit war er in seinem Gesange gekommen, und ein sonderbares Erstaunen hatte sich der Versammlung bemächtigt, als während dieser Strophen ein alter Mann mit einer verschleierten weiblichen Gestalt von edlem Wuchse, die ein wunderschönes Kind auf dem Arme trug, das freundlich in der fremden Versammlung umhersah, und lächelnd nach dem blitzenden Diadem des Königs die kleinen Händchen streckte, zum Vorschein kamen, und sich hinter den [55]Sänger stellten; aber das Staunen wuchs, als plötzlich aus den Gipfeln der alten Bäume, der Lieblingsadler des Königs, den er immer um sich hatte, mit einer goldenen Stirnbinde, die er aus seinen Zimmern entwandt haben musste, herabflog, und sich auf das Haupt des Jünglings niederließ, so dass die Binde sich um seine Locken schlug. Der Fremdling erschrak einen Augenblick; der Adler flog an die Seite des Königs, und ließ die Binde zurück. Der Jüngling reichte sie dem Kinde, das darnach verlangte, ließ sich auf ein Knie gegen den König nieder, und fuhr in seinem Gesange mit bewegter Stimme fort:

      Der Sänger fährt aus schönen Träumen

      Mit froher Ungeduld empor;

      Er wandelt unter hohen Bäumen

      Zu des Palastes ehrnem Tor.

      Die Mauern sind wie Stahl geschliffen,

      Doch sie erklimmt sein Lied geschwind,

      Es steigt von Lieb und Weh ergriffen

      Zu ihm hinab des Königs Kind.

      Die Liebe drückt sie fest zusammen

      Der Klang der Panzer treibt sie fort;

      Sie lodern auf in süßen Flammen,

      Im nächtlich stillen Zufluchtsort.

      Sie halten furchtsam sich verborgen,

      Weil sie der Zorn des Königs schreckt;

      Und werden nun von jedem Morgen

      Zu Schmerz und Lust zugleich erweckt.

      [56]Der Sänger spricht mit sanften Klängen

      Der neuen Mutter Hoffnung ein;

      Da tritt, gelockt von den Gesängen

      Der König in die Kluft

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