Mirgorod. Nikolai Gogol

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etwas saure Milch oder ein paar geschmorte Birnen?«

      »Ja, so etwas — das wäre noch das Einzige,« murmelte Afanassji Iwanowitsch; die schläfrige Magd mußte alle Schränke durchsuchen, und Afanassji Iwanowitsch aß einen Teller Milch oder Birnen, wonach er gewöhnlich erklärte: »Mir scheint, es ist mir schon wieder besser.«

      Mitunter, wenn es schon heller war und eine angenehme Wärme im Zimmer herrschte, wurde Afanassji Iwanowitsch ganz munter; dann liebte er es wohl, ein wenig mit Pulcheria Iwanowna zu scherzen.

      »Was würden wir machen, Pulcheria Iwanowna, wenn plötzlich Feuer im Hause ausbräche? Wohin würden wir uns flüchten?« fragte er.

      »Gott behüte uns davor!« sagte Pulcheria Iwanowna und schlug ein Kreuz.

      »Gewiß — aber nehmen wir einmal an, unser Haus würde niederbrennen? Wohin würden wir dann ziehen?«

      »Gott weiß, was Sie da schwatzen, Afanassji Iwanowitsch! Wie kann denn unser Haus abbrennen! Das wird Gott nie zulassen!«

      »Hm — und wenn es doch abbrennt?«

      »Nun dann werden wir in die Küche übersiedeln. Sie müßten dann für einige Zeit in dem Zimmer wohnen, wo jetzt die Wirtschafterin haust.«

      »Und wenn die Küche mit abbrennt?«

      »Auch das noch! Das würde Gott nie zulassen, daß Haus und Küche so plötzlich niederbrennen. Dann müßten wir ja in den Speicher ziehen, bis das neue Haus fertig ist.«

      »Hm — wenn nun aber auch der Speicher mit abbrennt?«

      »Herrgott, was Sie nur reden! Ich will nichts davon hören, es ist eine Sünde, so zu sprechen. Gott straft einen für solche Reden!«

      Aber Afanassji Iwanowitsch saß zufrieden lächelnd auf seinem Stuhl und freute sich, daß er Pulcheria Iwanowna ein wenig geneckt hatte.

      Am allerinteressantesten erschienen mir jedoch die alten Leutchen, wenn sie Besuch hatten. Dann nahm in ihrem Hause alles einen andern Anstrich an. Man kann wohl sagen, diese prächtigen Menschen lebten ganz für ihre Gäste. Das Beste, was sie hatten, wurde herausgesucht, und sie wetteiferten miteinander, dem Gast die schönsten Erzeugnisse der ganzen Wirtschaft vorzusetzen. Und was dabei das Angenehmste war: in all ihrer Liebenswürdigkeit lag auch nicht eine Spur von Aufdringlichkeit. Die Treuherzigkeit, Gefälligkeit und Güte leuchtete ihnen aus den Augen und stand ihnen so gut, daß man unwillkürlich ihren Einladungen Folge leistete. Diese Güte und Freundlichkeit quoll aus der schlichten Einfalt ihrer braven und ehrlichen Seelen, und ihre Liebenswürdigkeit hatte nichts mit der eines Staatsbeamten gemein, der es mit Ihrer Hilfe zu etwas gebracht hat, Sie seinen Wohltäter nennt und vor Ihnen kriecht. Der Gast durfte nie am selben Tag wieder gehen: er mußte durchaus bei den Alten übernachten.

      »Wie kann man bloß zu so später Stunde noch einen so weiten Weg antreten?« pflegte Pulcheria Iwanowna zu sagen. (Gewöhnlich wohnte der Gast drei oder vier Werst weit von ihnen.)

      »Natürlich,« sagte Afanassji Iwanowitsch, »wer weiß, was einem alles passieren kann: es gibt doch Räuber und andres Gesindel, die einen überfallen können!«

      »Gott möge Sie vor Räubern bewahren,« sagte Pulcheria Iwanowna, »warum sprichst du zur Nacht von solchen Dingen. Ich sage es nicht der Räuber wegen, — man sollte überhaupt nicht in solch einer Dunkelheit fahren! Ja, und Ihr Kutscher — ich kenne doch Ihren Kutscher, er ist so ein dürftiger, kleiner Kerl, den wirft jede Stute um — und dann ist er jetzt sicherlich schon betrunken und schläft irgendwo.«

      Und dem Gast blieb nichts anderes übrig: er mußte bleiben. Übrigens waren der Abend in dem niedrigen, warmen Zimmer, die treuherzige, erwärmende und zugleich einschläfernde Unterhaltung, und der Geruch, der von den nahrhaften und meisterhaft zubereiteten Gerichten, die den Tisch besetzten, aufstieg, eine entsprechende Belohnung. Ich sehe Afanassji Iwanowitsch noch ganz deutlich vor mir, wie er gebeugt im Lehnstuhl sitzt und dem Gaste voller Aufmerksamkeit, ja mit Entzücken zuhört. Zuweilen war auch von Politik die Rede. Der Gast, der meist auch nur selten aus dem Dorf herauskam, teilte dann wohl mit wichtiger und geheimnisvoller Miene seine Vermutungen mit und erzählte, daß die Franzosen sich heimlich mit den Engländern verbündet hätten, um

      Bonaparte wieder einmal auf Russland loszulassen; oder er erzählte einfach von dem bevorstehenden Kriege. Dann pflegte Afanassji Iwanowitsch wohl zu antworten, indem er Pulcheria Iwanowna scheinbar gar nicht beachtete:

      »Ich denke auch daran, in den Krieg zu gehen —: warum sollte ich auch nicht in den Krieg gehen?«

      »Was er da wieder redet — das fehlt gerade noch,« unterbrach ihn Pulcheria Iwanowna. »Glauben Sie ihm nicht,« wandte sie sich an den Gast, »wie kann er in seinem Alter noch in den Krieg ziehen — der erste beste Soldat schießt ihn ja gleich tot; bei Gott, er schießt ihn tot. Ja, er wird auf ihn anlegen, zielen und ihn niederschießen.«

      »Nun und was ist dabei?« erwiderte Afanassji Iwanowitsch, »ich werde ihn auch niederschießen!«

      »Hören Sie nur, was er wieder spricht,« fiel ihm Pulcheria Iwanowna ins Wort, »wie kann er denn in den Krieg gehen! Seine Pistolen sind ja längst verrostet und liegen schon lange in der Rumpelkammer. Sie sollten sie nur ansehen: das sind ganz gräßliche Dinger, bevor man abdrückt, sprengt einem das Pulver das ganze Zeug auseinander. Er wird sich die Hände verstümmeln, und das Gesicht verunstalten, er wird sich noch für ewige Zeiten unglücklich machen!«

      »Und wenn schon,« sagte Afanassji Iwanowitsch, »ich werde mir eben ein neues Gewehr kaufen — und mir einen Säbel und einen Kosakenspieß anlegen.«

      »Dummheiten, Dummheiten! Plötzlich fällt ihm etwas ein, und dann geht es los!« sagte Pulcheria Iwanowna ganz ärgerlich. »Ich weiß ja, daß er spaßt, aber es ist doch unangenehm, so etwas anhören zu müssen. Sehen Sie, so spricht er immer, mitunter wird einem ganz bange, wenn man ihn so reden hört.«

      Aber Afanassji Iwanowitsch saß höchst befriedigt darüber, daß er Pulcheria Iwanowna etwas geängstigt hatte, ganz zusammengebeugt in seinem Stuhl und lachte vergnügt.

      Pulcheria Iwanowna war immer am interessantesten für mich, wenn sie einen Gast zu Tische führte. »Dies hier«, — sagte sie, indem sie den Verschluss einer Karaffe entfernte, »ist ein Schnaps, der auf Holz oder Salbei abgesetzt ist, der ist besonders gut gegen Schmerzen im Schulterblatt oder im Kreuz — oder der hier ist aus Tausendgüldenkraut und sehr nützlich gegen Ohrensausen und Flechten im Gesicht; und der da ist aus Pfirsichkernen destilliert, nehmen Sie doch ein Gläschen — ein herrlicher Duft nicht wahr? Wenn man beim Aufstehen zufällig gegen eine Tisch- oder Schrankecke stößt und sich eine Beule auf der Stirn holt, dann hat man nur nötig, vor dem Mittag-Essen ein Gläschen davon zu nehmen — und die Beule ist wie weggeblasen; in einer Minute ist alles spurlos verschwunden.« Hierauf folgte eine Lobrede auf die übrigen Karaffen, und fast alle hatten irgend eine heilkräftige Wirkung. Wenn sie den Gast in diese vollständige Apotheke eingeführt hatte, so geleitete sie ihn vor eine ganze Sammlung von Tellern. »Das hier sind Pilze mit Pfefferkraut, und da das mit Nelken und Walnüssen. Eine Türkin hat mich gelehrt, sie einzusalzen — das war damals, als noch die Türken bei uns in der Gefangenschaft lebten. Eine so brave Türkin, man merkte es ihr garnicht an, daß sie Mohammed anbetete; sie betrug sich ganz unauffällig, ganz wie unsereiner und wollte nur kein Schweinefleisch essen: »unser Gesetz verbietet uns das«, pflegte sie zu sagen. Diese Pilze da sind mit Johannisbeerblättern und Muskatnüssen angerichtet, und das da sind große Feldnelken, es ist das erste Mal daß ich es versuche, sie mit Essig aufzukochen, ich weiß nicht, ob sie

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