De Profundis. Oscar Wilde

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De Profundis - Oscar Wilde

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      LUNATA

De Profundis

      De Profundis

      © 1916 by Oscar Wilde

      Originaltitel De Profundis

      Aus dem Englischen von Max Meyerfeld

      © Lunata Berlin 2020

      Inhalt

       Vorbemerkung

       Geleitwort

       Brief aus dem Gefängnis

       Widmung an den deutschen Herausgeber

       Vier Briefe aus dem Zuchthaus Reading an Robert Ross

      Vorbemerkung

      Seit dem Jahre 1891 war Oscar Wilde (16. Oktober 1854 – 30. November 1900) mit Lord Alfred Douglas (geb. 1870), dem jüngsten Sohne des Marquis of Queensberry, bekannt. Der Verkehr zwischen dem jungen Aristokraten und dem als Ästheten weidlich verspotteten, erst durch seine Gesellschaftskomödien kurz darauf populär gewordenen Dichter nahm bald freundschaftliche Formen an. Da Wilde, unbekümmert um landläufige Moralbegriffe, seinen Ruf aufs Spiel setzte, suchte der Marquis mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln diesem Umgang ein Ende zu bereiten. Hierbei begegnete er auf beiden Seiten hartnäckigem Widerstand, der schließlich zum offnen Bruch zwischen Vater und Sohn führte. Sehr wählerisch ging der Marquis nicht zu Werke: er provozierte einen heftigen Auftritt in Wildes Wohnung und plante bei der ersten Aufführung der Komödie »The Importance of being Earnest« im St. James's Theatre einen Skandal, der im letzten Augenblick noch verhindert werden konnte. Vierzehn Tage später (am 28. Februar 1895) ließ er durch den Portier des Albemarle-Club in London Oscar Wilde eine Visitenkarte überreichen, auf der ein unflätiges Schimpfwort stand. In den ersten Tagen des März strengte Wilde daraufhin eine Beleidigungsklage gegen den Vater seines Freundes an. Sie kam schon am 3. April zur Verhandlung. Der vom Marquis of Queensberry angebotene Beweis der Wahrheit wurde durch die dreitägige Verhandlung als erbracht angesehn, der Beklagte freigesprochen und der Kläger zur Tragung der Kosten verurteilt. Noch am selben Abend des 5. April wurde Oscar Wilde verhaftet. Die Hauptverhandlung gegen ihn begann am 30. April und wurde am 1. Mai vertagt, weil sich die Geschworenen über die Schuldfrage nicht zu einigen vermochten. Gegen eine Kaution von zweitausendfünfhundert Pfund Sterling wurde der Angeklagte aus der Haft entlassen, worin er einen Wink hätte sehn können, daß den Behörden seine Flucht erwünscht sei. Aber er blieb, weil es sich nicht mit seinem Ideal vom Gentleman vertrug, unter solchen Umständen zu fliehn, und wohl auch, weil er bis zuletzt glaubte, daß ihm nichts geschehn könne – er blieb, ›to face the music‹, wie sich sein Bruder Willy ausdrückte. Das Ergebnis war, daß er am 25. Mai 1895 von dem Central Criminal Court zu zwei Jahren ›hard labour‹ verurteilt wurde.

      Auch bei Oscar Wilde kamen die Leiden »wie einzelne Späher nicht, nein, in Geschwadern«. Seine Verhaftung, die einen Ausbruch der Volkswut in ganz England entfachte, war das Signal dazu, daß seine erfolgreichen Theaterstücke schleunigst vom Spielplan abgesetzt, seine Bücher aus dem Handel zurückgezogen wurden. So versiegten alsbald seine Einnahmequellen, und zu allem andern Unglück brach auch noch der Bankrott über ihn herein. Während seiner Gefängniszeit mußte er zweimal vor dem Konkursgericht erscheinen.

      Am 19. Mai 1897 wurde Wilde aus der Haft entlassen. Gesundheitlich schwer angeschlagen floh er nach Paris, um der gesellschaftlichen Ächtung zu entgehen. Bald nach seiner Ankunft in Frankreich schrieb er den Brief über den »Fall des Wärters Martin«, der am 28. Mai 1897 in der Londoner Zeitung »The Daily Chronicle« erschien. Im Sommer und Herbst dieses Jahres war er mit der Vollendung der »Ballad of Reading Gaol« beschäftigt, die zu Anfang des folgenden Jahres bei Leonard Smithers in London erschien. Im Oktober 1897 siedelte er dann, weil er die Einsamkeit nicht länger ertragen konnte, zu Lord Alfred Douglas nach Neapel über, wo er bis Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres blieb. In sehr reduzierten Verhältnissen kehrte er nach Paris zurück, schrieb dort einen zweiten Brief an die »Daily Chronicle« über die Zustände in englischen Gefängnissen, der am 24. März unter dem Titel »Don't read this if you want to be happy to-day« erschien. Im Frühling 1899 ging er nach Südfrankreich (Nizza) und machte im selben Jahre noch eine Schweizer Reise. Die Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 entzückte ihn; besonders Rodins Skulpturen. Er starb am 30. November 1900 im Hôtel d'Alsace zu Paris, 13 Rue des Beaux-Arts, nachdem er kurz vor dem Ende noch zum Katholizismus übergetreten war. Sein Grab ist in Bagneux.

      Geleitwort

      »Bist Du also mein Testamentsvollstrecker – schrieb Oscar Wilde aus Reading in einem Briefe vom 1. April 1897 an seinen Freund Robert Ross –, so mußt Du im Besitze des einzigen Dokuments sein, das über mein außergewöhnliches Verhalten Aufschluß gibt ... Wenn Du den Brief gelesen hast, wirst Du die psychologische Erklärung für ein Betragen finden, das dem Außenstehenden eine Verbindung von absolutem Blödsinn und vulgärer Renommisterei scheint. Eines Tages muß die Wahrheit bekannt werden – es braucht ja nicht bei meinen Lebzeiten zu sein ... Aber ich habe keine Lust, für alle Zeit an dem lächerlichen Pranger zu stehn, an den man mich gestellt hat; aus dem einfachen Grunde, weil ich von meinem Vater und meiner Mutter einen in der Literatur und der Kunst hochgeehrten Namen geerbt habe, und ich kann nicht in alle Ewigkeit dulden, daß dieser Name geschändet sein soll. Ich verteidige meine Handlungsweise nicht. Ich erkläre sie. In meinem Briefe finden sich auch etliche Stellen, die von meiner geistigen Entwicklung im Zuchthaus handeln und der unausbleiblichen Wandlung meines Charakters und meiner intellektuellen Stellung zum Leben, die sich vollzogen hat ...

      Wird die Abschrift in Hornton-Street hergestellt, so läßt man die Schreibdame vielleicht durch einen Schieber in der Tür füttern, wie die Kardinäle, wenn sie zur Papstwahl schreiten, bis sie auf den Balkon hinaustritt und der Welt verkünden kann: ›Habet Mundus Epistolam‹; denn tatsächlich ist es eine Enzyklika, und wie die Bullen des Heiligen Vaters nach den einleitenden Worten heißen, mag man von ihr als der ›Epistola: In Carcere et Vinculis‹ sprechen ...

      Nahezu zwei Jahre habe ich die immer schwerer werdende Bürde der Verbitterung in mir getragen; viel davon habe ich jetzt abgeschüttelt.«

      Zu Oscar Wildes Lebzeiten ist, gemäß der Weisung, nichts von dieser Epistel bekannt geworden. Bruchstücke daraus habe ich als erster in der ›Neuen Rundschau‹ (Januar- und Februar-Heft 1905) mitgeteilt; die deutsche Buchausgabe folgte kurz darauf. Sie zog die Veröffentlichung in der Ursprache nach sich. Hier waren die Stellen, die von der geistigen Entwicklung des Briefschreibers im Zuchthaus handelten, mit großem Geschick aneinandergereiht, alles, was den Briefempfänger betraf, mit größerer Kühnheit ausgeschaltet. Für seine – milde gesagt – Umredigierung erfand Robert Ross den Titel ›De Profundis‹. »Mag Ross dem Ideal eines philologischen Herausgebers nicht entsprechen, die Beteiligten werden ihn als das Ideal eines taktvollen Menschen rühmen.«

      In meiner etwas erweiterten Ausgabe des Jahres 1909 bin ich dann zu dem vom Verfasser vorgeschlagenen Titel zurückgekehrt, wenn er ursprünglich auch halb im Scherz gemeint war.

      »Erst jetzt rückt das Werk in die rechte Beleuchtung, wo es als Brief kenntlich wird. ›De Profundis‹ oder das, was wir ›De Profundis‹ zu nennen pflegen, ist ... ein Brief Oscar Wildes aus dem Zuchthaus in Reading an seinen Freund

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