vatts.on läuft vorweg. Alice M. Krins

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vatts.on läuft vorweg - Alice M. Krins

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recht mit jeder gemeinschaftlichen Gegenwehr. Bemerkenswert, dass jedes aufrechte Standhalten von vorgesetzten Stellen wahlweise mit Zornesbeben oder ängstlichem Zittern zur Kenntnis genommen wird. Beides offenbart die tatsächliche Schwäche der Macht.

       Aber zahllos sind die Verletzungen, groß ist die Angst, weit verbreitet ist das Wegducken. Es hat mit der selbstherrlichen Macht der Unternehmen zu tun, die an zahlreichen Arbeitsplätzen die Arbeitsbedingungen bereits wieder auf ein frühkapitalistisches oder Dritteweltniveau abgesenkt haben – als habe es die Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung und ihre Erfolge nie gegeben. Der seit Jahren massenhafte Fall von Millionen Beschäftigten ins nahezu Bodenlose sind die menschlichen Kosten des Wachstumswahns und der Globalisierung.

       Mittlerweile arbeitet fast jeder vierte Beschäftigte für einen Niedriglohn, die Zahl der Leiharbeiter, die in den Unternehmen Unterklasse sind, schnellt nach oben, ebenso wie die Zahl der befristeten Stellen. Die Zerstörung gesicherter und dauerhafter Arbeitsverhältnisse bei gleichzeitiger Zunahme prekärer Beschäftigungsformen, die Zerschlagung des öffentlichen Rentensystems – die Politik hat all diese Vorschläge der Wirtschaft Eins zu Eins umgesetzt. Und obwohl die Folgen brutal zutage treten - wachsende Kinderarmut, höhere Bildungshürden, mehr Menschen ohne Kranken- und Rentenversicherung, dauerhafte Abkopplung der unteren Schichten von kultureller und sozialer Teilhabe, Altersarmut - lassen die sogenannten Volksparteien nicht ab von ihrer neoliberalen Politik des sozialen Kahlschlags. Wenn Sie in Deutschlands Städten freundliche ältere Herren, aber auch Damen abends verschämt in einem Mülleimer an der Straße wühlen sehen, ist das keine Filmszene. Das heißt Altersarmt. Und wenn Sie morgen ein Zwanzigjähriger mit großer Zahllücke anlächelt, dann sehen Sie der Gesundheitsreform ins Gesicht. Die Betroffenen zahlen mit ihrer Würde und ihrer Lebenszeit.

       Geheilt werden solche Wunden nicht mit mehr Wachstum, sondern mit mehr Verteilungsgerechtigkeit. Darüber informiert allerdings kein Callcenter. Im noch immer unverschämt reichen Europa kann es nicht darum gehen, das Heil in immer mehr Effektivität, Leistung, Produktivitätssteigerung und Profit zu suchen. Das Wachstum frisst unsere natürlichen Überlebensmöglichkeiten und uns selber auf, die Gier verschlingt die Menschenwürde – in den Ländern des globalen Südens haben wir sie bereits aufgefressen, gemeinsam mit den dortigen Potentaten. Wir brauchen statt solcher einseitigen und zerstörerischen Wachstumspolitik Verteilungsgerechtigkeit und Entschleunigung, eine Rückbesinnung auf das Soziale, das gemeinsame Nachdenken darüber - das solche Bücher wie das von Alice Krins voraussetzt - und auch die Aufwertung von unterbezahlten und unterbewerteten Tätigkeiten, die doch immerhin den Zusammenhalt und die Grundlage einer Gesellschaft sichern. Der Wachstumswahn wird uns sonst das Ende einer sozialen Kultur bescheren.

       Doch die rabiaten Vertreter dieser Politik kehren längst noch nicht um, sie verlieren vielmehr jede Beißhemmung. Moral ist etwas für den Feierabend. Und Feierabend hat man in den Chefetagen nicht. Ein Beispiel dafür sind die ausufernden Callcenter auf Billigniveau, hier wie in der sogenannten Welt und die Mobbing- und Schikanemethoden von Personalabteilungen, die Duckmäuser erziehen und die unbequeme und kritische Arbeitnehmer entfernen.

      Alice Krins hat erlebt und schildert auf spannende und witzige, teils ironische Weise, wie solches Mobbing von oben typischerweise abläuft. So übel schmecken die Kosten des Wachstumswahns, der Profite nur noch durch die Misshandlung derjenigen steigern kann, die sie in den Unternehmen herstellen. In den Billiglohnländern läuft das mit nackter Gewalt, bei uns oft mit sektenähnlichem Kalkül und Methoden der psychologischen Kriegsführung. Gegenwehr tut not und funktioniert gemeinsam auch. In diesem Sinne freue ich mich über das vorliegende Werk.

       Vorwort der Autorin

      Ich bin ein Outlaw. Entgegen der Unterschrift, die ich unter den Passus meines Arbeitgebers setzte, nichts von den Firmeninternas nach außen dringen zu lassen, erzähle ich Ihnen meine Geschichte, die ich während meiner Zeit in einem Callcenter eines der größten Energieunternehmen Europas erlebt habe. Sie erfahren, was mit mir passierte, meinen Kollegen und Kolleginnen und mit Ihnen selbst, meine Kunden. Ich habe mich entschieden einen fiktiven Firmennamen zu wählen, weil ich davon ausgehe, dass es in vielen anderen Unternehmen nicht anders zugeht. Außerdem ist es nicht meine primäre Motivation eine Firma in die Pfanne zu hauen, sondern ich möchte Sie, meine sehr verehrten Leserinnen und Leser bewegen. Sie mögen denken: „Oh Gott, ein weiteres Buch über ein Callcenter. Ist das denn nötig?“ „Ja“, sage ich, „es ist nötig.“ Denn kaum eine andere Technik wird unter dem Stichwort Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und unter der Regie vieler Großkonzerne und staatlichen Verwaltungseinheiten dermaßen missbraucht, dass wir in Lichtgeschwindigkeit zurück ins neunzehnte Jahrhundert katapultiert werden. Da möchte ich nicht hin und vermutlich Sie auch nicht. Unsere junge Generation kennt kaum noch eine andere Servicebearbeitung als die durch Callcenter. Sie weiß zum Teil gar nicht mehr, dass Serviceleistungen etwas mit Respekt gegenüber den Kunden zu tun haben sollen. Respektlosigkeit und schleichende Entrechtung von Kunden und Mitarbeitern, das ist vielerorts die moderne Callcenter-Bearbeitung, bei der in der Regel Großkonzerne und sei es nur als preisdiktierende Auftraggeber, den Taktstock in der Hand halten und auf diese Weise eine derart schrille Melodie kreieren, dass Kunden und Callcenter-Agenten die Ohren schmerzen.

      Die Namen, Eigenschaften, Altersangaben und Hobbys, meiner ehemaligen Kolleginnen und Kollegen sowie Kunden, habe ich nach bestem Wissen und Gewissen zu deren persönlichen Schutz verändert. Die Politiker im Text sind echt.

      Auch wenn die Lage noch so hoffnungslos aussieht, lohnt es sich, immer wieder aufzustehen

      (frei nach Robin Hood)

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