"Icke" fährt als Nautiker zur See. Jürgen Emmrich

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anzusehen. So bin ich von Livorno nach Pisa gefahren, um mir den berühmten schiefen Turm von Pisa anzusehen.

       Ich nahm mir auch einen Tag frei, um von Neapel nach Pompeji zu fahren und verbrachte dort staunend einen ganzen Tag. Pompeji, eine ehemalige kleine Stadt wohlhabender Römer, wurde 79 n. Chr. nach Ausbruch des Vesuvs mit Lava und Asche verschüttet. Im 18. Jahrhundert begann man mit den ersten Ausgrabungen, die bis heute noch andauern. Ich bewunderte gut erhaltene Wohnhäuser, Straßenzüge und auch versteinerte Tiere und Menschen…

       Auf dem nächsten Schiff, der „SOLINGEN“, nahm ich Abschied von der „Großen Fahrt“ und vom Matrosenleben, also „vor dem Mast“.

       Es war auch ein Abschied von der Karibik, denn ich hatte keine Hoffnung, später einmal als Steuermann oder sogar als Kapitän, zu meinem Lieblingsfahrtgebiet zurückzukommen.

       * * *

      Der schlechte Ruf des Seemannes

       Der schlechte Ruf des Seemannes

       (oder: Wer noch nie getaugt auf Erden, kann noch immer Seemann werden)

       Bevor ich über meine Fahrzeit als Steuermann erzähle, möchte ich auch einmal über das Ansehen der damaligen Seeleute schreiben. Woher kam ihr schlechter Ruf? Überwiegend kam dieser schlechte Ruf noch aus der Segelschiffszeit. Da wurden zum großen Teil einfache Männer, die schon an Land nicht unbedingt zu den „besseren Menschen“ gehörten, angeheuert. Und wenn die dann nach langem Seetörn an Land gingen, dann bebte die Kneipe. Und wir waren auch nicht immer Engel, wenn wir nach langer Zeit auf See, endlich mit „dicker Heuer“, an Land gingen. Aber der Unterschied zu den gleichaltrigen Jugendlichen an Land war nicht viel größer.

       Warum wir an Land mal „die Sau rausließen“, ist eigentlich leicht zu erklären.

       Der Landmensch damals hatte ja immer noch die Vorstellung, ein Seemann ist ein muskelbepackter, tätowierter, halbkrimineller Mensch, der, weil er ein von der Polizei oder von dem Vater eines geschwängerten Mädchens Gesuchter ist, dann schnell auf einem Schiff angemustert hatte. Das galt nur für die Decksleute. Die Offiziere oder Kapitäne waren natürlich in den Augen der Landratten Ehrenmänner. Ich habe in der gesamten Seefahrtzeit selten solche tätowierten, halbkriminellen Kollegen kennen gelernt. Wenn ein Seemann etwas durchgeknallt war, kam er meist vom Fischdampfer. Und das waren Jungs von einem ganz anderen Schlag. Da gab es schon mal üble Burschen, die mit uns Seeleuten von der „Christlichen Seefahrt“ nichts Gemeinsames hatten.

       Überall gab es natürlich Ausnahmen, auch an Land, in sogenannten soliden Berufen. Kaum einer meiner Kollegen war tätowiert, und alle waren von durchschnittlicher Statur. Sie waren zwar trinkfest, aber auch sensibel und eher ruhig. Sie hatten alle nur ein Anliegen, nämlich die Welt kennen zu lernen, die Freiheit auf und mit einem Schiff zu genießen. Freiheit, frei sein, das war das Anliegen der meisten Maaten. Obwohl die Bewegungsfreiheit auf einem Schiff doch erheblich eingeschränkt war, war der Seemann doch freier, als der Landmensch. Denn wenn er in einem Hafen irgendwo zwischen Amerika und Asien an Land gehen konnte, fühlte er sich frei.

       Er konnte damals auch entscheiden, mit welchem Schiff er wohin fahren wollte.

       Er konnte an Land bleiben, bis das Geld alle war, oder fahren bis das Portemonnaie platzte. Wir waren Weltenbummler, Abenteurer und Entdecker, aber niemals die Menschen, für die uns damals die Landratten hielten.

       Und ohne uns Seemänner hätten die Leute an Land keinen Kaffee, Kakao, Gewürze und die vielen anderen Dinge, die für das schöne Leben an Land wichtig waren. Und egal, welches Wetter herrschte, ob Orkan, Bullenhitze, Eisfahrt, Nebel oder herrlicher Sonnenschein auf ruhiger See, tat mit eisernem Gesicht stets der Seemann seine Pflicht.

       Nun, der Alltag auf See wurde ja ausreichend geschildert. Pennen, arbeiten, pennen usw. Gutes Wetter, schlechtes Wetter. Gute Kollegen, schlechte Kollegen. Guter Bootsmann, schlechter Bootsmann. Gutes Essen, schlechtes Essen. Und so könnte es immer weiter gehen. Anders als an Land, konnte aber der Seemann nach Feierabend nicht weg.

       Mit anderen Worten, er war ständig an seinem Arbeitsplatz, immer dicht zusammen mit der Mannschaft, seinen Vorgesetzten und Kollegen, ob er sie mochte oder nicht.

       Auch seine Kammer musste er mit einem anderen teilen. Ob der nun beim Schlafen schnarchte, pupste oder streng roch, hatte einem egal zu sein. Man musste miteinander auskommen.

       Erst nach der Reise, zurück im Heimathafen, konnte er abmustern und sich ein anders Schiff suchen, in der Hoffnung, es dort besser zu haben.

       Anders der Landmensch. Er geht nach der Arbeit nach Hause, vielleicht zu seiner Frau, bekommt sein Lieblingsessen, kann sich ausnörgeln über seinen Chef, trinkt sein Bier in der Kneipe, mit seinen Freunden, geht vielleicht kegeln oder Skat spielen oder auch „fremd“. Am Wochenende ist dann Tanzen oder Fußball angesagt. Er hat die Freiheit, sich in der Freizeit frei bewegen zu können.

       Der Seemann konnte nur warten, bis das Schiff im Hafen lag und konnte dann nur die Angebote annehmen, die sich dort boten. Kneipe oder Kultur. Je nachdem, wo wir uns gerade befanden.

       In den USA zum Beispiel, konnte man einiges unternehmen. Man konnte in das Landesinnere fahren, Stadtrundfahrten oder ähnliches machen. In der Karibik oder in Indonesien war so etwas kaum möglich. Die Häfen bestanden zum Teil nur aus einer kleinen Pier, ein paar Schuppen, einer Hauptstraße mit einigen Kneipen, in denen sehnsüchtig die Mädchen auf einen spendierfreudigen Seemann warteten.

       Also ging „Hein Seemann“ an Land, genehmigte sich endlich mal einen schönen „Cuba Libre“, gebracht von einer Latina, sah andere Menschen, vor allem fröhliche, gut aussehende Mädchen, die dem Seemann ein paar schöne Stunden bereiten wollte. Der Seemann „verliebte“ sich schnell und die Mädels „verliebten“ sich auch schnell in ihn. Doch eines war klar, war das Schiff weg, war die Liebe weg. Doch das war im Moment egal, es tat eben gut. Das galt für beide Seiten. Mancher Seemann ist irgendwo in Südamerika hängen geblieben, hat eine Kneipe oder einen Laden aufgemacht, und ob er glücklich wurde, weiß keiner. Auch manches Mädchen wurde nach Europa geholt, aber das ging wahrscheinlich auch selten gut. Denn aus einer Hure kann man keine Hausfrau machen. So jedenfalls die Meinung alter Fahrensleute. Ich schwankte in meinem jugendlichen Leichtsinn auch immer zwischen Liebe und Leichtsinn. Oft wollte auch ich an Land bleiben, bei irgendeiner Maria oder Juanita. Doch es siegte immer die Vernunft. Oder ich wurde rechtzeitig nüchtern. Die Gefahr und Versuchung war immer sehr groß, denn die Gastfreundschaft der Südländer war verlockend. Sicher hätte ich zuerst ein paradiesisches Leben gehabt, aber wie sollte ich denn mein Lebensunterhalt finanzieren? Was hätte ich denn dort machen sollen? Beschützer brauchten die Mädchen nicht. Wenn ich z. B. Zimmermann gewesen wäre, dann hätte ich in manch Ländern etwas aufbauen können. Aber mit Kenntnissen über Rostkloppen oder Anstreichen wird man in den Tropen auch kein reicher Mann.

       Heute ist mir natürlich klar, dass man als junger Mensch immer sehr schnell ins Schwärmen geraten kann, sich von einer Sache immer schnell begeistern lässt und daher auch leicht zu verführen ist.

       So habe ich damals instinktiv immer das Richtige gemacht, mich nie verleiten lassen, den Verlockungen an Land nachgegeben.

       Und: Ich tat stets mit eisernem Gesicht, als deutscher

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