Ironische Geschichten. Walter Rupp

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Ironische Geschichten - Walter Rupp

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alles mit. Besser ist, man holt sie aus ihrem Versteck und zerrt sie ans Licht. Dann wird man sehen, dass sie keine übermächtigen Gestalten sind, sondern schwache Wesen, die dankbar dafür sind, wenn ihnen jemand Mut zuspricht.

      2. Tage kann man nicht verlängern, indem man die Nächte kürzt. Wenn die Zeit am Tage knapp geworden ist, sollte man nicht versuchen, sich Zeit von der Nacht zu holen, denn die Nächte brauchen ihre Zeit für sich. In den Nächten muss viel Aufräumarbeit geschehen: Bis zum Morgen sollen die durcheinander geratenen Gedanken und der nervös gewordene Puls wieder zur Ruhe kommen, und trübe Erinnerungen oder aufgestauter Ärger beiseite geräumt sein.

      3. Es ist nicht gut, seine Probleme zu gesellschaftlichen Veranstaltungen, ins Wochenen­de oder zu Gruppengesprächen mitzunehmen, um sie vor anderen auszubreiten. So wird man sie nicht los. Wer seine Probleme mit den Problemen anderer vergleicht, macht sie nicht kleiner, son­dern gerät in Gefahr, dass er auch noch die Probleme der anderen mit­nimmt.

      4. Allen, die sich schwer tun, ihr Verlangen, überall mitzureden, zu beherrschen, lege ich nahe, sich eine Sammlung der interessantesten und beliebtesten Meinungen anzulegen, damit sie für jedes Thema plausible Meinungen vorrätig haben, auf die sie jederzeit zurückgreifen können. Bei der Auswahl sollte man auf jeden Fall Meinungen, für die man komplizierte Überle­gungen anstellen müsste, aussortieren und nur die auswählen, für die man keine Argumente braucht. Man kann von Stammtischen oder Parlamentsdebatten ausreichend Meinungen mit­nehmen, die nur mehrmals lautstark wiederholt werden müssen, um jeden Widerstand zu bre­chen. Man kann sich auch an die Überschriften der Tageszeitungen halten, die mit großen Let­tern auf das Wesentliche aufmerksam machen, und vom Fernsehen lernen, wie man aus den widersprüchlichsten Meinungen eine Meinung zusammenmixt, die von Tatsachen, Vermutun­gen und Unterstellungen ein bisschen was enthält. In gebildeten Kreisen kann man mit unausgereiften Hypothesen, die ein Wichtigtuer bei einem Kongress vertrat, immer Eindruck hinter­lassen. Meinungen müssen nicht richtig sein, sondern in langweilige Diskussionen Abwechslung bringen.

      5. Zweifel sind kein Grund, nervös zu werden. Sie lassen sich nur mit Menschen ein, die kritisch sind und etwas gern in Frage stellen. Man sollte sie gewähren lassen. Sie zwingen dazu, über andere Möglichkeiten nachzudenken. Sie kratzen an Fassaden, damit der Putz abfällt und das, was sich dahinter versteckt, sichtbar wird.

      6. Hinterbliebene brauchen Geduld. Sie sollten sich nicht enttäuscht zeigen, wenn ihnen ein Verstorbener nicht gleich nach seinem Ableben eine Bestätigung zukommen lässt, dass er im Jenseits wohlbehalten an­gekommen ist. Neuankömmlinge, die durch die zahlreichen Neueindrücke und Ablenkungen in der neuen Welt sehr in Anspruch genommen werden, brauchen eine längere Eingewöhnungsphase. Bei Nachrufen ist es ratsam, mit der Würdigung der Verdienste eines Ver­storbenen so lange zurückhaltend zu sein, bis eine Einsichtnahme in die Prozessakten des Jüngsten Gerichtes möglich ist.

      Mancher

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      Nicht jeder handelt nach seinem Gewissen.

      Mancher handelt nach Vorschrift

      Und mancher handelt mit Kopf- oder Heizkissen.

      Jeder macht sich so seine Gedanken,

      Mancher vorher und mancher danach

      Oder nach den Kontoauszügen der Banken.

      Nicht jeder spielt Flöte oder Theater

      Mancher spielt den Beleidigten oder auf Zeit,

      Und mancher spielt den fürsorglichen Vater.

      Nicht jeder dichtet für die Nachwelt.

      Mancher dichtet undichte Rohre

      Und mancher erdichtet den Helden, für den er sich hält.

      Mancher verliert die Orientierung und die Geduld.

      Mancher verliert sein ganzes Vermögen,

      Und viele verlieren bald ihre Unschuld.

      Die Reiseleiter führen querdurch und herum.

      Die Studenten führen sich auf

      Und die Dozenten führen gern ad absurdum.

      Die Lehrer lehren die Klassen,

      Die Trinker leeren die Flaschen

      Und Diebe leeren Tresore und Kassen.

      Keiner sieht den Kern, jeder die Hülle.

      Viele sehen schwarz oder fern,

      Aber alle sehen durch ihre Brille.

      Der neue Knigge

      Der zivilisierte Mensch hat Lebensgewohnheiten angenommen, an die er sich nur schwer gewöhnen kann. Es ist darum an der Zeit, einen überarbeiteten und für jede Situation des Lebens gebrauchsfähigen Knigge herauszugeben, vor allem für die vielen verunsicherten Erwachsenen, die nicht mehr wissen, wie sie sich benehmen sollen, und die vielen Jugendlichen, die noch nicht in die Zivilisation eingegliedert werden konnten. Die guten Sitten, die Jahrhunderte hoch angesehen waren, und heute nur noch bei den primitiven Völkern geachtet werden, sind in Vergessenheit geraten. Es hat sich der anstandslose Umgang durchsetzt. Es wurde üblich, so mit jedem umzugehen, wie er es sich gefallen lässt. Wenn der Anstand für die heutige Generation nicht mehr zu retten ist, sollte er wenigstens für die Nachwelt gerettet werden.

      In U- und Straßen-Bahnen oder überfüllten Zügen ist es angebracht, seinen Platz nie spontan oder gar aus Mitleid anzubieten, weil es durchaus rüstige Rentner oder Invaliden gibt, die auch eine längere Strecke stehen können. Für Kinder, die sich nach einem stundenlangen, ermüdenden Sitzen in den Schulbänken auf dem Nachhauseweg befinden, sollte der Erwachsene allerdings - bevor sie lästig werden - seinen Platz freiwillig räumen. So trägt er zur Beendigung des noch immer nicht aus der Welt geschafften Generationskonfliktes bei.

      Auf Einladungen sollte man immer freudig reagieren, auch wenn es sich um Partys handelt. Jene, die Gottesdienste nicht besuchen, haben dabei dann Gelegenheit, bei Kerzenlicht und Ab-brennen von Weihrauchstäbchen aus Kelchen zu trinken und beim Gastgeber einen Gegen-stand, der zuhause nur unnütz herum lag, als Geschenk loszuwerden. Die Furcht, man könnte mit jemand in Kontakt kommen, der so vernünftig ist und nichts sagt, weil er nichts zu sagen hat, ist unbegründet. Man kann ja diese Chance nützen, wieder einmal ausführlich nur von sich zu reden.

      Heute braucht niemand mehr eine Liebeserklärung an seine Freundin, Ehefrau oder Lebens-abschnittspartnerin verschämt in einem geschlossenen Couvert verschicken, sondern kann das per Handy in voll besetzten U-Bahnen und Gaststätten tun, oder im Gedränge einer Fußgängerzone jederzeit und nebenbei erledigen. Jeder der Umstehenden wird dankbar sein, dass er wieder einmal ein Gespräch anhören durfte, in dem nur liebevolle Worte ausgetauscht wurden.

      Während der moderne Mensch Haustiere wie Hunde, Katzen oder Papageien sehr liebevoll behandelt, und sich sehr einfühlsam mit ihnen unterhält - ja nicht einmal den Kontakt mit Dickhäutern oder Giftschlangen scheut - bereitet ihm der Umgang mit seinesgleichen große Mühe. Das menschliche Zusammenleben würde sehr erleichtert, wenn jeder sich bemühen würde, seinen Mitmenschen gleich liebevoll Bananen

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