Farm der Tiere. George Orwell
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Die Sonne soll strahlen über Englands Feldern,
Sein Wasser wird klarer,
Und seine Luft reiner sein,
An dem süßen Tag unserer Befreiung.
Nach diesem Tag lasst uns streben,
Und wenn wir vorher sterben,
Kühe und Pferde, Gänse und Puten,
Ein jeder soll unsere Freiheit erkämpfen!
Tiere Englands, Tiere Irlands,
Tiere aller Länder und Staaten,
Verbreitet meine Kunde
Von der strahlenden Zukunft.
Das Singen dieses Liedes löste bei den Tieren große Begeisterung aus. Beinahe bevor Major das Ende erreicht hatte, hatten sie begonnen, miteinzustimmen. Selbst die Dümmsten unter ihnen hatten bereits die Melodie und ein paar Worte aufgenommen, und was die Schlauen wie die Schweine und Hunde betraf, so hatten sie das ganze Lied innerhalb weniger Minuten auswendig gelernt. Und dann, nach ein paar ersten Versuchen, begann der ganze Hof laut in "Tiere Englands" einzustimmen. Die Kühe muhten es, die Hunde bellten es, die Schafe blökten es, die Pferde wieherten es, die Enten quakten es. Sie waren so entzückt von dem Lied, dass sie es fünf Mal hintereinander durchsangen, und vielleicht hätten sie es die ganze Nacht weitergesungen, wenn sie nicht unterbrochen worden wären.
Doch leider weckte der Lärm Mr. Jones auf, der aus dem Bett sprang und dachte, dass ein Fuchs im Hof war. Er ergriff das Gewehr, das immer in der Ecke seines Schlafzimmers stand, und schoss eine Ladung Schrot in die Dunkelheit. Die Kugeln drangen in die Wand der Scheune ein, und die Versammlung war blitzartig beendet. Jeder floh zu seinem Schlafplatz. Die Vögel sprangen auf ihre Sitzstangen, das Vieh ließ sich im Stroh nieder, und der ganze Hof war im Nu eingeschlafen.
Kapitel II
Drei Nächte später verstarb der alte Major friedlich im Schlaf. Sein Leichnam wurde am Fuße des Obstgartens beigesetzt.
Das war Anfang März. Während der nächsten drei Monate fanden eine Menge subversiver Aktivitäten statt. Die Rede Majors hatte den intelligenteren Tieren auf dem Hof eine völlig neue Sicht auf das Leben gegeben. Sie wussten nicht, wann die von Major vorhergesagte Revolution stattfinden würde, sie hatten keinen Grund zu glauben, dass sie noch zu ihren Lebzeiten stattfinden würde, aber sie sahen klar, dass es ihre Pflicht war, sich darauf vorzubereiten. Die Aufgabe, die anderen zu unterrichten und zu organisieren fiel natürlich den Schweinen zu, die von allen Tieren als die Klügsten angesehen wurden. Unter den Schweinen stachen zwei junge Keiler namens Snowball und Napoleon heraus, die Mr. Jones zum Verkauf heranzog. Napoleon war ein großer, ziemlich grimmig aussehender Berkshire-Eber, der einzige Berkshire-Eber auf der Farm, kein großer Redner, aber er hatte den Ruf, seinen Willen durchzusetzen zu können. Snowball war ein lebhafteres Schwein als Napoleon, redegewandter und erfinderischer, aber ihm wurde nicht dieselbe Charaktertiefe zugeschrieben. Alle anderen männlichen Schweine auf der Farm waren Mastschweine. Das Bekannteste unter ihnen war ein kleines fettes Schwein namens Squealer, mit sehr runden Wangen, funkelnden Augen, flinken Bewegungen und einer schrillen Stimme. Er war ein brillanter Redner und wenn er sich über einen schwierigen Punkt stritt, hüpfte er von einer Seite zur anderen und wedelte mit dem Schwanz, was irgendwie sehr überzeugend wirkte. Die anderen sagten über Squealer, dass er einem Schwarz als Weiß vormachen konnte.
Die drei hatten die Lehren des alten Majors zu einem ganzheitlichen Gedankengebäude ausgearbeitet, dem sie den Namen Animalismus gaben. Mehrmals die Woche, nachdem Mr. Jones eingeschlafen war, hielten sie in der Scheune geheime Versammlungen ab und brachten den anderen die Prinzipien des Animalismus näher. Am Anfang hatten sie mit viel Dummheit und Ignoranz zu kämpfen. Einige der Tiere sprachen von der Treuepflicht gegenüber Mr. Jones, den sie "Meister" nannten, oder legten ganz grundlegende Einwände vor, wie "Mr. Jones füttert uns - wenn er weg wäre, würden wir verhungern". Andere stellten Fragen wie "Warum sollte es uns kümmern, was passiert, wenn wir tot sind?" oder "Wenn diese Rebellion sowieso geschehen soll, was macht es dann für einen Unterschied, ob wir für sie kämpfen oder nicht?" und die Schweine hatten große Schwierigkeiten, ihnen klarzumachen, dass dies dem Geist des Animalismus widersprach. Die dümmsten Fragen von allen stellte Mollie, die weiße Stute. Die allererste Frage, die sie Snowball stellte, war: "Wird es nach der Revolution noch Zucker geben?"
"Nein", sagte Snowball entschieden. "Wir haben keine Möglichkeit, auf dieser Farm Zucker herzustellen. Außerdem braucht ihr keinen Zucker. Ihr werdet so viel Hafer und Heu haben, wie ihr wollt."
"Und werde ich immer noch Bänder in meiner Mähne tragen dürfen?" fragte Mollie.
"Genossin", sagte Snowball, "diese Bänder, an denen du so sehr hängst, sind ein Abzeichen der Sklaverei. Kannst du nicht verstehen, dass die Freiheit mehr wert ist als Bänder?"
Mollie stimmte zu, aber sie klang nicht sehr überzeugt.
Noch schwerer hatten es die Schweine, den Lügen, die Moses, der zahme Rabe, verbreitete, entgegenzuwirken. Moses, der das besondere Haustier von Mr. Jones war, war ein Spion und ein Märchenerzähler, aber er war auch ein gerissener Redner. Er behauptete, von der Existenz eines geheimnisvollen Landes namens Sugarcandy Mountain zu wissen, in das alle Tiere gingen, wenn sie starben. Er befand sich irgendwo oben am Himmel, ein Stück weit jenseits der Wolken, sagte Moses. In Sugarcandy Mountain war an sieben Tagen der Woche Sonntag, Klee blühte das ganze Jahr über und an den Hecken wuchsen Würfelzucker und Leinsamenkuchen. Die Tiere hassten Moses, weil er nur Geschichten erzählte und keine Arbeit verrichtete, aber einige von ihnen glaubten an Sugarcandy Mountain, und die Schweine mussten sehr gekonnt argumentieren, um sie davon zu überzeugen, dass es diesen Ort nicht gab.
Ihre treuesten Anhänger waren die beiden Zugpferde, Boxer und Clover. Die zwei hatten große Schwierigkeiten, selbst Entschlüsse zu treffen, aber nachdem sie einmal die Schweine als ihre Lehrer akzeptiert hatten, sogen sie alles auf, was sie ihnen sagten, und gaben es in einfacheren Worten an die anderen Tiere weiter. Sie nahmen zuverlässig an den geheimen Treffen in der Scheune teil und sangen das Lied "Tiere Englands", mit dem die Treffen immer endeten.
Nun, wie sich herausstellte, kam es viel früher und unkomplizierter zur Revolution, als alle erwartet hatten. In früheren Jahren war Mr. Jones, obwohl ein harter Meister, ein fähiger Landwirt gewesen, aber in letzter Zeit hatte er schlechte Tage durchlebt. Dass er in einem Rechtsstreit Geld verloren hatte, hatte ihn schwer getroffen und er hatte angefangen, mehr zu trinken, als gut für ihn war. Ganze Tage lang saß er in seinem Windsor-Stuhl in der Küche, las Zeitung, trank und fütterte gelegentlich Moses mit in Bier getränkten Brotresten. Seine Männer waren untätig und stahlen, die Felder waren voller Unkraut, die Dächer der Farmgebäude wurden immer undichter, die Hecken waren verwahrlost und den Tieren fehlte es an genügend Futter.
Der Juni kam und das Heu war beinahe erntereif. Am Mittsommerabend, der ein Samstag war, ging Mr. Jones nach Willingdon und betrank sich im Red Lion so sehr, dass er am Sonntag erst zu Mittag nach Hause kam. Die Männer hatten die Kühe am frühen Morgen gemolken und waren dann zur Kaninchenjagd hinausgegangen, ohne sich die Mühe zu machen, die Tiere zu füttern. Als Mr. Jones zurückkam, schlief er sofort auf dem Sofa im Salon ein, mit den "News of the World" auf dem Gesicht, so dass die Tiere am Abend immer noch nicht gefüttert waren. Schließlich hielten sie es nicht mehr aus. Eine der Kühe brach mit ihren Hörnern die Stalltür auf, und die Tiere begannen, sich aus den Mülltonnen zu bedienen. Genau in diesem Moment wachte Mr. Jones auf. Im nächsten Moment waren er und seine vier Männer mit Peitschen in der Hand im