Zur Geschichte der Wirtschaftstheorie. Joachim Stiller
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Lohntheorie
Aus Ricardos Grundrententheorie ergeben sich bestimmte Konsequenzen für die Höhe der übrigen Einkommensarten, des Lohnes und des Kapitalprofits. Für den Lohn ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage entscheidend. Sein natürlicher Preis „ist jener Preis, der nötig ist, die Arbeiter instand zu setzen, sich zu erhalten und ihr Geschlecht fortzupflanzen... .“ Der Reallohn muss nach Ricardo auf die Dauer unverändert bleiben. Einen Arbeitsmarkt im Sinne von Smith und Ricardo gibt es natürlich heute nicht mehr, da die Gewerkschaften diesen mit ihren Streiks und Tarifverträgen ausgehebelt haben.
Die Lehre vom Kapitalprofit
Der Profit ist nach Ricardo ein reines Residualeinkommen. Der Kapitalist erhält das, was von der Produktion nach Abzug der Grundrente und des Arbeitslohns übrigbleibt. Dabei weist der Kapitalprofit nach Ricardo, genau so wie bei Smith, eine sinkende Tendenz auf. Dieser These werden wir später bei Karl Marx wieder begegnen. Wir wissen aber heute, dass sich sowohl Ricardo, als auch Smith, in diesem Punkt getäuscht haben.
Ricardos theoretische Untersuchungen erstrecken sich jedoch nicht nur Auf die Problemkreise der Wert- und Verteilungslehre, sondern setzen sich auch mit Fragen der Außenhandelslehre, der Geldtheorie und mit dem Krisenproblem auseinander. Große und bleibende Bedeutung haben die Theorie der komparativen Kosten und seine geldtheoretischen Untersuchungen erlangt.
Malthus‘ Kritik an Ricardo
Unter den Schriftstellern, die sich mit Ricardo kritisch auseinandergesetzt haben, kommt den Anschauungen von Thomas Robert Malthus (1766 – 1834) eine besondere Bedeutung zu. Malthus hat seine Einstellung zu den Aufgaben, den Zielen und der Arbeitsweise der theoretischen Forschung u.a. in seinen „Principles of Political Economy“ dargestellt, die auch heute noch lesenswert sind, da in ihnen das Verhältnis von theoretischer Erkenntnis und wirklicher Wirtschaft ausführlich erörtert wird. Dabei fällt das erste Mal der Begriff der „politischen Ökonomie“, wie er dann später von Karl Marx gebraucht wird.
Die ökonomischen Theorien
Malthus‘ Bestreben, die theoretische Analyse so zu gestalten, dass sie imstande ist möglichst wirklichkeitsnahe Erkenntnisse zu erbringen, ist auch bei der Auseinandersetzung mit ihren einzelnen Problemen erkennbar. In der Wert- und Preislehre lehnt Malthus die Ansicht Ricardos ab, dass die aufgewendete Arbeit den relativen Wert der Güter bestimme, und räumt den Produktionskosten bei der Preisbildung daher nur eine beschränkte Wirkung ein. Ricardos Wertlehre lasse so viele Ausnahmen zu, dass das Wertgesetz praktisch keine Gültigkeit habe. Diese Argumentation hat sich aber nie durchgesetzt.
Eben so wenig überzeugend war Malthus‘ Polemik gegen Ricardos Produktionskostentheorie. Diese bestimmen, so Malthus, nicht die Veränderung des Tauschwertes, sondern allein das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Dies gelte sowohl für den natürlichen Preis, als auch für den Marktpreis.
In der Verteilungslehre kommt Malthus ebenfalls infolge seines Bemühens, die Vorgänge des Wirtschaftslebens aus einer realistischen Sicht zu erfassen, zu Ergebnissen, die häufig von Ricardo abweichen. Ricardo selber hat die Lehren von Malthus auf das entschiedenste bekämpft.
Malthus ist aber der breiten Öffentlichkeit durch seine Bevölkerungslehre in bleibender Erinnerung geblieben. Und hier liegt vielleicht sein größter Verdienst. Im Gegensatz zu den Auffassungen des englischen Sozialphilosophen William Godwin (1756 – 1836) glaubt Malthus nicht, dass die Bevölkerung unbegrenzt wachsen könne. Die Möglichkeiten auf der Erde haben natürliche Grenzen, so dass auch die Möglichkeit der Bevölkerungszunahme begrenzt ist. Dieser Gedanke ist heute allgemein anerkannt.
Die Vollendung des klassischen Systems durch Mill
Die dritte Phase in der Entwicklung der klassischen Lehre ist durch das Werk von John Stuart Mill (1806 – 1873) gekennzeichnet, der die theoretischen Ansichten seiner Vorgänger in systematischer Weise zusammenfasste. Die Ausgestaltung des gesamten Systms erreichte er vor allem durch eine grundlegende Klarstellung der Prinzipien und der Methode der Lehre. Seine methodologischen Einsichten sind deshalb bemerkenswert, weil sie den Versuch darstellen, in umfassender Weise Wesen und Ziel der theoretischen Forschung in der Wirtschaftswissenschaft zu bestimmen.
Die ökonomischen Theorien
Besonders deutlich zeigt sich Mills methodologische Vorgehensweise in der Ausgestaltung der ökonomischen Lehre.
In der Preislehre unterscheidet Mill nach der Beschränkung des Angebots drei Kategorien von Gütern: 1. Güter, bei denen es physisch unmöglich ist, die Quantität über eine bestimmte Grenze hinaus zu vermehren, 2. Güter, die man in beliebiger Menge produzieren kann und 3. Güter, die zwar in beliebiger Menge vermehrbar sind, deren Hervorbringung jedoch über eine bestimmte Quantität hinaus Kosten verursacht. Die ersteren, die Seltenheitsgüter, sind durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Das gleiche trifft bei allen Waren zu, sobald das Angebot sich einer stetigen Nachfrage nicht anpassen kann. Bei den Gütern, die mit gleichbleibendem Aufwand in beliebiger Menge erzeugt werden können, entspricht der Preis dem „notwendigen Preis“, der wiederum den Produktionskosten einschließlich dem Kapitalzins gleich ist.
Auch in der Verteilungslehre führt Mill verschiedene Modifikationen an. Hinsichtlich der Bestimmungsgründe des Lohnes hat Mill die von seinem Vater entwickelte Lohnfondtheorie übernommen, wobei Mill alle Versuche, die soziale Lage der Arbeiter zu verbessern, pessimistisch beurteilt.
Nicht einheitlich sind seine Anschauungen über den Kapitalzins. Mill spricht einerseits dem Kapital als Produktionsfaktor eine besondere Produktivität zu, er ist aber auch der Ansicht, dass der Zins als Vergütung für die Enthaltsamkeit des Kapitalisten, der darauf verzichtet hat, das Kapital für seine eigene Person zu vermehren gezahlt werden müsse.
Schließlich tritt in Mills Darstellung auch die Meinung auf, dass der Arbeiter mehr produziert, als er zu seinem Lebensunterhalt benötigt, und dass der auf diese Weise sich ergebende Überschuss dem Kapitalisten als Mehrwert zufalle. Diese Auffassung berührt sich bereits auf das Engste mit der sozialistischen Ausbeutungstheorie.
Der Sozialismus
Es gab eine ganze Reihe von Sozialreformern, die im Gegensatz zu den bestehenden Verhältnissen standen. Ausschlaggebend war die Erfahrung der allgemeinen Proletarisierung und Verelendung weiter Teile der Bevölkerung während der zunehmenden Industrialisierung. Diese Sozialreformer wollten den natürlichen Zustand der Ordnung der Gesellschaft wieder herstellen und die Lage der Arbeiter verbessern. Dies war das Ziel aller sozialistischen Lehren.
Die älteste Richtung war der utopische Sozialismus. Diese Richtung wollte ihre Ziele mittels der Vernunft entwickeln und unmittelbar umsetzen. Ihre bedeutendsten Vertreter waren Sismondis (1773 – 1842), Saint-Simon (1760 – 1825), Fourier, Owen und Blanc mit ihren Genossenschaftsmodellen