Felix Morak / Meschkas Enkel. Helmut H. Schulz
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»Ich sage ja nichts«, fuhr Isolde leicht außer Atem fort, »gut, meine Schwester hat dir unser Haus zu Lebzeiten vermacht, daran ist nichts zu ändern, aber schließlich ist es mein Vaterhaus, viel mehr war es das. Sag wenigstens, wohin wir jetzt gehen, du Satan!«
»Wir gehen ins Hotel«, sagte Morak. »Ins Hotel? Und wozu? Bist du bei Troste? Wo wir bei meiner Schwester um die Ecke wohnen könnten? Für wie lange sollen wir dort bleiben? Denkst du, ich habe ewig Zeit? Übrigens, hast du den Anwalt ins Hotel bestellt?«
Da er schwieg: »Ich muss sowieso zu meiner Schwester, wir haben uns seit der Beerdigung unserer Maria nicht gesehen. Greta wird natürlich wissen wollen, was denn nun aus unserem Haus wird. Ihr wird die Spucke wegbleiben, wenn sie hört, daß du es verkaufen willst oder schon verkauft hast! Wozu du gar nicht berechtigt bist. Na, du kannst einen zur Verzweiflung treiben, Felix.«
Morak, der sie gut kannte und für weniger habgierig hielt, als sie sich gab, schob seine freie Hand unter ihren Arm, und sie winkelte sofort versöhnt den Unterarm an, in der Hoffnung, daß ihre Neugierde gestillt werde und daß sie ihren Willen bekam. Es sah aus, als wandelten da zwei friedliche Leute, ein älteres Ehepaar, ihren Weg, gefolgt von einer jungen zu dicken Tochter. Er führte sie untergehakt bis an das Ende des Platzes. Sie ahnte, wo der Stadtgang enden sollte.
»In den Adler?« Und als er nickte: »Du bist wirklich verrückt! Weißt du, was die hier für ein Zimmer nehmen? Ich bin außerdem nicht darauf eingerichtet, in einem noblen Hotel zu nächtigen, habe nicht mal genug Wäsche dabei, ich wollte zu meiner Schwester. Ach, ja, du hast ein schönes Leben, Felix, ein freier Mann mit einem Wagen, Hotels sind für dich an jeder Ecke gebaut. Du kümmerst dich nicht darum, daß die Leute mit Fingern nach dir zeigen.«
»Das möchte ich keinem geraten haben«, erwiderte er gleichmütig. »Also ich mach mir ein schönes Leben? Jeder Sack Kohlen wiegt einen Zentner, probier es mal, vierzig an einem Tag auf dem Buckel herumzuschleppen, mein Herz. Manchmal denke ich, daß die Leute Kohle geradezu fressen.«
»Ach, nein, doch nicht so, das habe ich nicht gemeint, du hast natürlich deine Arbeit«, sagte sie kleinlaut. Sie entzog ihm den Arm. »Seit meine arme Schwester tot ist, hast du dir übrigens einen Ton mir gegenüber angewöhnt!« Dann, wie um zu beweisen, daß sie mit beiden Beinen auf der Erde stand: »Was heißt herumschleppen? Ihr schüttet den Leuten die Kohlen ja doch bloß vor die Tür, für teures Geld.«
Sie hatten eine Kreuzung erreicht. Obwohl die Stadt nicht groß war, sperrte eine Ampel den Verkehr bald in die eine, bald in die andere Richtung, zum Zeichen, daß es voranging. Unsicher setzte Hanna mehrmals den Fuß vom Gehsteig auf den Damm, wagte es aber nicht, weiterzugehen. Dann wurde grün geschaltet und Morak sagte: »Jetzt kannst du, es ist frei.«
»Dieses Trampel kommt nicht einmal ohne dich über den Damm«, grollte die Frau an seiner Seite empört.
Erst als sie alle drei den Damm überquert hatten und auf der sicheren anderen Seite standen, gab er eine kurze Antwort. »Na, Trampel! Hanna sieht keine Farben, und ich habe sie nun mal. Deine Schwester hat sie geholt. Soll ich sie jetzt wie Katze ersäufen?«
Da er sich endlich zu stellen schien, lebte seine Schwägerin auf.
»Wer redet davon? Du kennst immer nur heiß oder kalt.
Ich meine es ehrlich mit dir; du bist nicht dumm, Ingenieur immerhin, das ist doch was, du siehst noch ganz gut aus «, log sie, und weil er abwehrte, »lass mich ausreden! Die ist nicht bloß farbenblind! Hättest du Hanna nicht wieder dahin zurückbringen können, von wo sie herkam? In diesem Heim war sie gut aufgehoben, nicht?«
»Deine Schwester hat das so gewollt, Isolde«, sagte er trocken, »und so muss es erst mal bleiben.«
Sie errötete. »Ja, ich ahne so etwas. Obwohl ich einer Toten nichts Schlechtes nachsagen will, schon gar nicht meiner Schwester, muss ich leider feststellen, daß sie sich oft genug wie ein Kind aufführen konnte, eigensinnig, ein bisschen überkandidelt und, wie soll ich sagen, wehleidig. Vielleicht hättet ihr Kinder haben sollen, Felix. Natürlich hängt sich solch ein Ding an Menschen, die es gut mit ihr meinen, aber in einem Pflegeheim wäre sie jedenfalls besser aufgehoben, hätte fachliche Betreuung. Das ist wenigstens meine feste Meinung.«
Sie seufzte. »Aber du hast sicher ein gutes Stück Geld für das Haus herausgeschlagen, was?«
»Damit du endlich Ruhe gibst«, sagte er verärgert, »ich habe gar nichts herausgeschlagen, konnte ich auch nicht. Maria und ich haben in Gütertrennung gelebt, und heute gehört das Haus Hanna. Deine Schwester hat ihr alles hinterlassen, ich bin nur der Vormund. Wenn das Haus verkauft ist, kommt alles Geld zu ihren Gunsten auf ein Sperrkonto, viel mehr, es wird überwiesen, sobald der Verkauf genehmigt und rechtskräftig ist, falls es überhaupt dazu kommt. Da ihr beide Schwestern keine gesetzlichen Erben seid, wird es wohl so kommen! Das ist die ganze Geschichte, und der Notar wird dir das nachher alles erklären!«
Nach einer Weile sagte sie verdrossen: »Wie denn? Es gibt ein Testament, das uns alle enterbt?« Und als er nickte: »Und du kennst es? Das sieht ihr ähnlich. Das sieht meiner Schwester ähnlich, diese Hinterhältigkeit kenne ich noch aus unseren Kindertagen, dann wieder konnte sie lieb und selbstlos sein. Jetzt hat sie uns also doch noch einen letzten Tritt versetzt!«
Daß die beiden, Schwager und Schwester in keiner Gütergemeinschaft gelebt hatten, war ihr nicht nur unbekannt, sie fühlte sich auch hintergangen, wäre zu Lebzeiten ihrer Schwester allerdings nicht auf den Gedanken gekommen, der Mann dieser Schwester habe nicht das gleiche Recht an ihrem gemeinsamen ehelichen Besitz besessen. Es war durchaus nicht üblich; und die beiden hatten nach außen hin einträchtig gelebt. Nach Gründen suchend, weshalb die beiden ihr Habe getrennt hatten, fiel ihr ein, daß es im Leben ihres Schwagers eine dunkle Stelle gab, er war vorbestraft, hatte also gesessen, und zwar wegen eines Totschlages, wie gemunkelt wurde. Jedenfalls war aus der Verstorbenen damals nichts darüber herauszubringen gewesen, und die Neugier hielt sich unter den Geschwistern in Grenzen, bis alles in Vergessenheit geraten war. Nach einiger Zeit war der Zuchthäusler auch wieder aufgetaucht, und hatte ein Fuhrgeschäft eröffnet. Mit den Jahren hatte sich alles verwachsen.
Jetzt aber schien es ihr nötig, sich nach seinem Verbrechen zu erkundigen. Die Schwester hatte wie gesagt jedes Gespräch darüber abgebrochen. Daß Schwager Felix eine Untat, einen Mord begangen haben könnte, rückte in den Erwägungen wieder näher. Daß er zur Gewalttätigkeit neigte, wusste sie. Auf ihre vorsichtige Frage, wann sie denn diese Gütertrennung verabredet hatten, gab Morak bereitwillig Antwort: »Kurz danach.«
»So? Kurz nach, also nach deiner Entlassung aus dem Knast?«
Das passte nun wiederum nicht zu ihrer toten Schwester, die ihre Fehler gehabt hatte, aber nicht berechnend oder habgierig gewesen war und sich auch nicht von ihrem Mann damals trennen wollte, obschon sich genug Ohrenbläser fanden, die ihr dazu geraten hatten.
»Das verstehe ich nicht«, erklärte sie. »Und du hast diesem Testament zugestimmt? Du bist ein Narr, Felix, nein, manchmal bist du zu gut. Also, eines kann ich dir jetzt schon versichern, daß wir dieses Testament nicht anerkennen werden, Greta und ich, und uns allen, also auch dir, den Teil am Erbe sichern werden, der uns beiden Mädchen und auch dir als Witwer zusteht.«
Das klang kämpferisch. Morak kannte seine Schwägerin; er erinnerte sich daran, daß die drei Schwestern zu Lebzeiten Marias, seiner Frau, viel und gern geredet, geschnattert und geklatscht, und daß sie sich bisweilen heftig gestritten hatten. Er gab nicht viel auf die Ankündigung gegen das Testament vorzugehen. Die Energie der drei Schwestern hatte sich meist im Klatsch