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der diese Eigenschaft auskostete und das am anderen Ende Gesagte mit charmant vorgetragenen Komplimenten erwiderte, was die Vermutung einer intimen Beziehung nur bekräftigte. Das Gespräch war beendet, und die Freude strahlte aus seinem Gesicht. Da war das Glück im Spiel. Nach dem Telefonat ging er nicht zurück ins Bad, sondern zu den Platten, aus denen er „Figaros Hochzeit“ herauszog und auflegte. „Jetzt öffnen wir eine Flasche Wein!“ Er holte sie irgendwoher, stellte zwei Gläser auf den Tisch und öffnete den „Nederburg“, Jahrgang 1983. Er war in bester Laune und leerte ein volles Glas stehend mit dem Badetuch umwickelt. Die Arie des Figaro singend verschwand er aus dem Wohnraum, und mit derselben Arie kehrte er angekleidet zurück. Dr. Ferdinand blätterte im „Woordeboek“, denn sein Afrikaans war noch wackelig auf den Füßen, wenn er auch seine letzten zwei deutschen Wochen dazu benutzt hatte, sich in diese Mundartsprache einzulernen, deren Wurzeln ins Flämisch-Holländische gehen.

      Medizin inmitten des Krieges

      Das Telefon läutete das zweite Mal. Diesmal war es das Hospital. Da ging es um Blutkonserven, die für die Patienten gebraucht wurden, die in der vergangenen Nacht mit schweren Verletzungen gebracht worden waren. Bei dem einen wurde das Bein amputiert, bei dem anderen wurden die Milz und vier Finger der rechten Hand entfernt. Die Konserven waren in Windhoek vorrätig und konnten geholt werden. Für die Tagesfahrt von hin und zurück eintausendfünfhundert Kilometern musste der Fahrer mit einem offiziellen Schreiben der höchsten Dringlichkeit versehen sein, das nur der Superintendent ausstellen konnte. Der Fahrer hatte dieses Schreiben beim Passieren der zahlreichen Straßenkontrollen vorzuzeigen. „Schicken Sie den Fahrer“, sagte Dr. Witthuhn und legte den Hörer wieder auf. Der Fahrer kam nach zehn Minuten mit einem alten, völlig verbrauchten Ambulanzwagen, der vorn, hinten und an den Seiten verbeult war. Er öffnete die eingedellte Fahrertür von außen, schlug sie ins Schloss zurück und kam ins Haus. Er setzte sich und unterrichtete den Superintendenten, dass er einen Patienten, der nach einer Schädelverletzung noch im Koma liege, mit nach Windhoek zu nehmen habe. Eine Schwester sollte den Patienten auf der Fahrt begleiten. Dr. Witthuhn schrieb die besondere Dringlichkeit der Fahrt auf ein Blatt seines Rezeptblockes. Die großen Schriftzüge füllten mit zwei Sätzen das ganze Blatt. Der Fahrer erwähnte, dass die Fahrzeuge in einem schlechten Zustand seien; von den drei Ambulanzen war nur eine noch einsatzfähig. Er wies mit dem rechten Zeigefinger auf das ramponierte Fahrzeug, das besser verschrottet als gefahren werden sollte. Die anderen lagen mit gebrochenen Achsen, Motorschäden oder als komplette Unfallwracks seit Monaten gebrauchsunfähig auf dem verödeten Parkgelände hinter dem Hospital herum. Neue Fahrzeuge mussten dringend beschafft werden, das war auch der „Administration for Ovambos“ in Ondangwa seit über einem Jahr bekannt. „Warum reagieren die nicht? Sind die taub?“, fragte der Fahrer. Dr. Witthuhn versprach, dieses Problem mit dem „Sekretaris“ zu besprechen und entließ den Fahrer mit dem erforderlichen Dokument. Dr. Ferdinand konnte nur einzelne Worte der in Afrikaans geführten Unterredung verstehen, deshalb bat er Dr. Witthuhn, ihm das noch einmal auf Deutsch zu sagen. In diesem Moment knallte der Fahrer die Wagentür zu und versuchte den Motor zu starten, was ihm beim sechsten Versuch gelang. Er ließ den Motor aufheulen, das Fahrzeug setzte sich in Bewegung, drehte auf der Straße und hinterließ eine schwarze Wolke. Dr. Ferdinand machte sich bei der Übersetzung Notizen auf einem Blatt, die er dann Wort für Wort im Wörterbuch nachschlug, um sein Afrikaans zu verbessern. „Die Hochzeit des Figaro“, die erfreulich und musikalisch immer wieder erstaunlich mit einem Happy End endete, war längst vorüber, als Wolken aufzogen, die, wenn man von den politischen Wolken einmal absah, nach Wochen der unerträglichen Hitze von den Menschen der verschiedenen Hautfarben gleichermaßen herbeigesehnt wurden.

      Eine Rundfahrt durchs Dorf stand auf dem Nachmittagsprogramm, um zu sehen, wo die Granaten in der vergangenen Nacht eingeschlagen waren und was sie angerichtet hatten. Als Dr. Ferdinand zum Außentor ging, sah er, wie der Kollegenfreund und Gönner bei laufendem Motor im Rückspiegel sein Gesicht betrachtete und die Haare mit Sorgfalt kämmte. Das breite Einfahrtstor war geöffnet, und Dr. Ferdinand wartete vor dem rechten Torpfosten auf das Zurücksetzen des Wagens, das erst erfolgte, als der Freund mit Form und Aussehen seines Kopfes und der Anordnung des schwarzen, zurückgekämmten, von grau melierten Strähnen des mittleren Alters durchzogenen, leicht gewellten Haares einverstanden war. Eine dünne kurze Locke hatte dabei schräg über die rechte Stirnseite zu fallen. Die zweite Kopf- und Haarinspektion erfolgte, nachdem er den Wagen aus der Einfahrt heraus auf die Straße zurückgesetzt hatte und auf Dr. Ferdinand wartete, der das Tor zurückschob und den Riegel ins Schloss fallen ließ. Der Wagen unterschied sich von den vorbeifahrenden und in Einfahrten abgestellten Autos weniger durch sein deutsches Markenzeichen, als vielmehr dadurch, dass eine Wagenwäsche seit Langem überfällig war. Dr. Witthuhn stellte das Radio ein, dessen Sender auf Afrikaans gesungene Lieder brachte, deren Vortrag, weil Dr. Ferdinand der Text weitgehend verborgen blieb, ihm wie eine Mischung aus Kirche, Cape und Nederburg vorkam. Der Wagen rollte sonntäglich im Prozessionstempo durchs Dorf, wobei der Fahrer den Schalthebel im zweiten Gang beließ, das Gaspedal leicht antippte und die laufenden Zylinder bis in den unteren Drehzahlbereich hineinwürgte. Sie fuhren in Richtung „Military camp“ und fanden in der Tat zwei riesige Trichter unweit vom Camp mit abgeschlagenen Bäumen in der nächsten Umgebung. Die Zugangsstraße zum Camp war gesperrt, da eine dritte Granate diese mit einem so großen Trichter durchbohrt hatte, dass der Wagen in großem Abstand davon abgestellt werden musste. Sie stiegen aus, um sich den Trichter aus nächster Nähe anzusehen, was ihnen von den Militärs jedoch nicht gestattet wurde. Ein paar uniformierte Männer stiegen in den Trichter herab und suchten nach der Granate. Andere Soldaten kamen aus dem Trichter mit Metallstücken heraus, die offensichtlich Teile der Granate waren. Ein Offizier im Range eines Majors kam auf Dr. Witthuhn zu, sie kannten einander, und sagte, dass es Granaten sowjetischer Herkunft waren, die eine ungewöhnlich hohe Sprengkraft hatten und aus großer Entfernung abgeschossen wurden. Im weiten Umkreis um den Trichter schlugen Soldaten Eisenstäbe in den Boden und verbanden sie am oberen Ende und in Stabmitte mit roten Bändern. Militärfahrzeuge fuhren in weiten Bögen um den Trichter herum. Die Fensterscheiben an den zugewandten Seiten der anliegenden Baracken waren zerschmettert, und die Jüngsten der Wehrdienstleistenden harkten die Scherben zusammen und schaufelten das Bruchglas in große, eiserne Tonnen. Der Major sagte, dass erfreulicherweise keiner der Soldaten ernsthaft verletzt worden war. Einige von ihnen hätten lediglich Schnittwunden erlitten, und die seien hier mit Verbänden versorgt worden, während drei mit Gesichtsverletzungen ins Militärlazarett nach Ondangwa gebracht worden sind. Auf die Frage, wo denn die übrigen Granaten eingeschlagen seien, machte der Major eine Skizze auf einem abgerissenen Stück Papier und beschrieb die Einschusstrichter am gegenüberliegenden Dorfende, wobei ein Geschoss das Postamt, das in unmittelbarer Nähe hinter dem Hospital lag, nur um wenige hundert Meter verfehlt hatte. Er erläuterte anhand der Skizze die Abschussstrategie, indem er die gekreuzten Punkte, wovon jeder einen Einschuss markierte, mit einem durchgezogenen Strich verband, der fast einer Geraden gleichkam, wobei die Außenpunkte an den Dorfenden die ersten Einschüsse und die Innenpunkte zum Dorfzentrum hin die letzten gewesen waren. Wo der siebente Einschuss war, denn sie hatten insgesamt sieben Explosionen gezählt, konnte der Major allerdings nicht auf dem Papier markieren, seiner Schätzung nach war dieses Geschoss mehr nord- oder nordwestwärts niedergegangen. Dr. Witthuhn, der sich in der Gegend auskannte, drückte seine Befürchtung aus, dass die siebente Granate entweder die „Lokasie“, wie die Weißen das Wohngebiet der Schwarzen nannten, getroffen hatte oder in der Nähe der katholischen Mission in Okatana eingeschlagen war. Die Befürchtung wurde vom Major dahingehend entkräftet, dass drei „Casspirs“, jene dickbestahlten und dickbereiften Kolosse, mit aufgesessener Mannschaft das Missionsgelände abgesucht und nichts Auffälliges gefunden hätten, durch die „Lokasie“ waren sie nicht gefahren. Damit wurde Dr. Witthuhns Befürchtung nur zum Teil entkräftet. Die Doktoren dankten dem Major für die ballistische Unterweisung und gingen zum Auto zurück. Auf dem Wege zum Postamt kamen sie an dem Haus vorbei, wo die Druckwelle das Dach abgehoben hatte, das in der Mitte geknickt mit aufgebogenen Rändern wie eine umgekippte Wanne an der nächsten Hauswand lehnte und dort alle Fenster verstellt hatte. Eine Dachkante zog sich an der Hauswand hoch und hatte sich zur Trompete eingerollt, die zum Himmel blies. Sie kamen am Postamt an. Da lagen die Glasscherben über den ganzen

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