Der Werwolf. Alexis Willibald

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Der Werwolf - Alexis Willibald

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so. Es sollte aber nicht so sein, sagte er. Ich sagte: 's sind doch nun nicht alle drauf zugekommen, nämlich einen hat Gott so gemacht und den anderen so, das sagte ich, damit er sich zur Ruhe gäbe und die Kinder in Ruhe ließe. Der Hans Jochem hat immer was gedacht, sagte ich, und was ist aus ihm worden, und wer hat's an der Eva gespürt und wie ist sie angesehen bei Hofe, sie nennen sie 'ne kluge Frau, und der Kurfürst selber unterhält sich gern mit ihr. Es half nichts. Hatte ich ihn ein bisschen zur Ruhe, dann kam er wieder auf die Wüste zu sprechen – nämlich als es schon zum Schlimmen ging, – und wenn er darauf zu sprechen kam, und auf den verschütteten Brunnen, da war ihm nicht beizukommen. Da meinte er, wir alle hätten eine Wüste hinter uns, Menschen und Tiere und Länder und Reiche, und was hätten wir da zu arbeiten, dass wir's wieder gut machten, und aller Sonnenschein, den die Tagediebe einschlucken, der möchte kaum ausreichen, so man ihn zusammenfasste, dass die Wüste hinter uns wieder grün würde. Manches Mal fand ich ihn auch, da weinte er wie ein Kind. Sagte: wenn der Tod ihn holte, was denn von ihm über bleibe? Ja, ich hatte gut reden: Mann, bleiben denn nicht Deine Kinder und Deiner Kinder Kinder? Die wachsen so hübsch auf, und Dein guter Name! Da sah er mich ganz eigen an und schüttelte den Kopf: Wer weiß davon noch, wenn das Gras über mir wächst? Ich, sagte ich, nach hundert Jahren sprechen sie wohl noch von Dir, aber nach dreihundert?, fragte er. Wer weiß, sagte ich, 's ist doch wohl noch einer, der von Dir erzählt. Und was könnt' er von mir erzählen, hat er gelächelt. Du lieber Gott, sagte ich, wenn man von allen noch reden sollte, die mal gelebt haben, dann risse es ja gar nicht ab. Das wäre just, als wenn alle Toten wieder lebendig würden. Wir hätten keinen Platz hier. Da ward er denn still und lächelte“.

      „Und ist gottselig gestorben“, sagte der Bischof, sehr zufrieden, dass er still geworden.

      „Gottselig. Es war, als ob die Englein durchs Fenster flogen, es war Frühjahr, die Schwalben kamen zurück, eine pickte an die Scheibe, da sah er hin, und lächelte, und da“.

      Die gute Frau verhüllte ihre Augen, und das war für den Bischof gut, denn wenn sie nicht die Schürze vorm Gesicht gehalten, hätte er nicht mit Ehren den Ehren- und Abschiedstrunk, der jetzt herumgereicht ward, leeren können. Vor einem Morgenritt im Winter ist das für jedermann gut; ob geistlich ober weltlich.

      Der Bischof drückte der Wirtin die Hand: „Wie Euer Herr in Frieden von dannen schied und drüben in Frieden ruht, so schenke er uns allen seinen Frieden hier. Aber“ setzte er hinzu, ihre Hände klopfend „von dem Ritter Gottfried wird auch auf dieser Erde noch etwas übrig bleiben.“

      Da glänzte wieder helle Röte auf dem Gesicht der Burgfrau, und sich ehrerbietig verneigend, lächelte sie: „Ja, hochwürdigster Herr, ich habe ihn aushauen lassen in Stein. Im Kreuzgang zu Kloster Lehnin wird er an der Ecke vor der Mutter Gottes knieen, just wo die Morgensonne durchs große Fenster scheint. Die wird alle Morgen ihn zuerst ansehen und vielleicht spricht die Sonne zu meinem Herrn: Sieh, Dein Wunsch ist erfüllt; wer so gelebt hat, wie Du auf Erden, wird nicht untergehen. Vielleicht lächelt dann auch das fromme Gesicht und nickt der Sonne zu: „Ich weiß schon, wer's getan hat!“

      „Ist in unsern schlechten Zeiten eine seltene Ehre“, sagte der Abt.

      „Weil sie nicht jedem gebührt,“ setzte der Bischof hinzu.

      „Nun sollen sie doch nach hundert und dreihundert Jahren, und wer weiß wie vielen noch, meinen Götz nicht vergessen haben!“ sprach mit triumphierender Miene Frau Brigitte. „Solange das Bild steht, werden die Kirchgänger es sehen, und wenn sie's nicht wissen, fragen, wer ist der fromme Ritter? Und solange ein Mönch im Kloster ist, wird's doch einer wissen und ihnen sagen können: Das war mein Götz!“

      „Wer wird dann von uns sagen: Wir waren es?“ sprach der Abt, nachdem die Reiter eine Weile durch den beschneiten Wald geritten. „Wer wird uns steinerne Bilder aufrichten?!“

      „Der Stein verwittert auch einmal“, sagte der Bischof. „Der Regen wischt die Züge aus, und statt des Bildes sieht der späte Nachkomme eine Fratze.“

      „Ihr freilich, Hochwürdigster, werdet in Erz gegossen und in die Reihe der Tafeln Eurer Vorfahren an die Chorwände einge –“,

      „Gehängt, gemauert, geschmiedet, wollt Ihr sagen. Kann man das Eingeschmiedete nicht auch herausreißen? Unser Dom ward oft zerstört. Wer bürgt mir, dass die Heiden nicht einmal wieder nach Brandenburg kommen!“

      „Sankt Johannes, was Ihr sprecht!“

      „Schaut Ihr doch wieder aus, als da die Wölfe hinter Euch waren.“

      „Wenn nun die Wölfe die Türken bedeuteten!“

      „Die hätten weit bis zu uns“.

      „Von wo es komme, es kommt etwas; ob von der Natur oder den Menschen. Der Zeichen sind zu viele, die auf einen Umschwung deuten. Die Klügsten können sich des nicht mehr erwehren. Denn so auch der Komet, die Pest, die Türkenkriege keine Warnungen gewesen, so weiß mein gelehrter Bruder besser denn ich, was sie in der Provence durch Rechnungen herausgebracht. Die Konstellation der Gestirne stimmt wie noch nie zuvor mit der Apokalypse, und die Gelehrtesten in allen Ländern sind jetzt damit beschäftigt, auszurechnen“.

      „Ob die Welt durch Feuer oder Wasser untergehen wird.“

      „Die meisten deuten auf eine Sündflut.“

      „Einmal wird die Welt untergehen. Es fragt sich nur, wann?“

      „Des alten Kaisers Maximilian Tod deucht vielen sehr bedeutungsvoll.“

      „Eine Überschwemmung sehe ich auch voraus, teuerster Abt, nämlich mit hispanischem und welschem Wesen, das der junge König Karl ins Reich bringen wird. Schlimm genug, aber in Wasser werden wir nicht ersaufen. Aus Hispanien kommt feuriger Wein. – Herr Bruder, was ist's mit Euch“ – fuhr der Bischof nach einer Weile fort. „In der Nacht dort ließ ich's passieren; aber es ist lichter Tag, wir haben festen Boden unter uns, hier sind keine Berge, aus denen Quellen niederrauschen können. Glaubt mir, die Erd' wird noch ein wenig zusammenhalten, der Türk' sich besinnen. Schüttelt das Fieber ab, oder bei allen Heiligen, ich glaub', 's ist noch immer der Augustiner, der Euch in den Gliedern sitzt. Gestern, ich will's Euch gestehen, als ich den Wolf hinter mir sah, nämlich im Traume, waren's die Augen und der Rachen des Mönches. Ihr hattet mich angesteckt. Dank dem heiligen Antonius, dieses Viehfieber ist mit einem gesunden Schweiß vorüber. Den Spuk schaff' ich Euch vom Hals. Ehe denn, dass ich selig zum Grabe gehe, soll der Augustiner, wenn er nicht peccavi stammelt, mit der Ketzermütze auf den Holzstoß“.

      Er konnte es nicht ausreden; sein Pferd strauchelte über eine Wurzel, bäumte sich, und wenn der Abt ihn nicht gehalten, möchte er aus dem Sattel gerutscht sein. Die Prälaten saßen beide nicht fest, man sah, der Ritt von gestern lag ihnen noch in den Gliedern.

      „Wozu wären Zeichen, wenn wir nicht drauf achten wollten, so frage ich mich oft“, fuhr der Abt fort. „Und dass Gott durch Zeichen zu den Menschen geredet hat, wer wagte es zu bestreiten! An einem der ersten Tage, da ich beim Augustiner war, und er sich in Eifer geredet, gegen, was er Unwesen und Unzucht der Klöster nannte, schlug er an eine Ecke des Ofens, darin das Feuer gegen die Kacheln prasselte, und rief: „Wenn ihr Sündenmaß voll ist, wahrlich ich sage Euch, Herr Abt, ihre Dächer werden reißen, ihre Türme springen, ihre Glocken stöhnen, und dann kommt die Zeit, da die Disteln im Schutt auf ihren Höfen wachsen.“ Ich meinte nicht anders, der Ofen werde unter der Hand zusammenbrechen, und die Flammen hinausstürzen.“

      „Und –“,

      „Zwei Tage darauf bringt mir ein Laienbruder, den sie aus Lehnin an mich geschickt, die Nachricht, auf was Weise die Brüder sehr erschreckt worden.

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