Der Werwolf. Alexis Willibald

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Der Werwolf - Alexis Willibald

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mehrere Stimmen; die Dirnen schienen von der Sache wohl unterrichtet.

      „Johannes Tezel, Dominikanerorden,“ setzte der Meier hinzu. „Itzo fährt er mit seinem Ablasslasten nach der Oder gen Frankfurt, wo ihm große Ehren geschehen sollen, wie man wissen will. Der Tezel hat guten Absatz und nimmt schmähliches Geld ein, dem Wittenberger zum Trotz. Kann man sich für jede große Sünde loskaufen, der Brief kostet Gulden und Taler, je nach dem; ist aber auch für alle kleine Sünden gesorgt, und die Briefe sind gar nicht teuer und das bringt das meiste ein, denn die Leute stürzen nur so, dass sie ihre Groschen und Pfennige in den Kasten werfen, an dem geschrieben steht –“,

      Zwei oder drei von den Spinnerinnen fielen dem Meier in die Rede:

      „Sobald der Pfennig im Kasten klingt.

       Die Seele aus dem Fegfeuer springt.“

      „Und darüber ist's, dass die Pfarrer so erbost sind. Gestrenge, denn die Knechte und Mägde zumal und was geringeres Volk, wollen gar nicht mehr bei ihrem Priester beichten; mit ein paar Pfennigen können sie beim Dominikaner alles abtun und der zieht dann weiter, und die Beichtstühle stehen weit und breit leer.“

      „Und darum“, sagte die Burgfrau, „ist der Augustinermönch auch in Feuer und Flamme! Es gönnt keiner dem anderen, und keiner ist um ein Haar besser als der andere.“

      „Doch meinen sie in Lehnin, nämlich die gegen ihn sind, dem Augustiner könnte die Suppe versalzen werden, denn er hat, was sie sagen, über die Schnur gehauen, und der Tezel verkauft den Ablass für den Papst; nämlich eigentlich für den Erzbischof Albrecht von Mainz, unseres allergnädigsten Kurfürsten Bruder, von dem er die Einnahme gepachtet hat, der aber teilt den Erlös mit dem Papst zu Rom, und dafür wird die neue große Kirche in Rom gebaut. Also hat der Augustinermönch sich unterstanden, gegen den allerheiligsten Papst selbst zu reden, da das Geld in dessen Säckel fließt; aber sagen, sie von der andern Seite, weil das Geld so aus dem Land geht, werden die großen Herren und Fürsten, die's im Grund nicht gern sehen, wohl ein Auge zudrücken, und der Wittenberger wird wohl noch mit 'nem blauen Auge davonkommen, dass er das Maul so weit aufgerissen. Daher erklären sie's auch, dass der allergnädigste Kurfürst den hochwürdigsten Bischof zu ihm geschickt. Der soll ihm zureden, dass er widerruft, und dann bleibt alles beim Alten.“

      „Beim Alten!“, sagte nachdenklich die Edelfrau. „Was wird denn aus dem Tezel?“

      „Wird auch schon zu uns kommen.“

      „Zu uns!“, rief die Burgfrau und ihr Auge blickte wieder so scharf und hell, als man's nur sah in ihren kräftigen Jahren. „Wer den Dominikaner sieht, tut ihm wohl den Dienst und sagt ihm, hierher möcht er nicht kommen. Die alte Bredow rät's ihm. Mein Haus steht jedem guten Mann offen, aber mit seinem Kasten soll er nicht über meine Schwelle: Mir graute davor. Er hat zu viel Sünde ausgekauft, die stinkt schmutzig, und will's rein bei mir haben, rein bis zu meinem seligen Ende. Und will's rein halten, das merkt Euch, unter Euch allen, grad' wie's Not tut für Hohenziatz, und dazu brauch ich Wasser, Seife, Besen, und was sonst, aber keine Ablassbriefe, und wären sie noch weiter her als Rom.“

      Die Spinnstube war aufgehoben.

      Da stand der Meier mit der großen Hauslaterne vor der Frau, und wie sie den Schlüsselbund aus Ruprechts Hand nahm, schien, es wieder die Frau von Bredow, die auch dem Alter kein Recht gönnen wollte, wenn es in ihre Rechte eingriff.

      „Gnädige Frau, heute?“, sagte der Meier mit fragender Miene.

      „Es stürmt und heult,“ setzte Knecht Ruprecht hinzu. „Lasst mich den Umgang tun und den Meier; wir sehen schon scharf zu, dass keine Tür aufsteht, und kein Funken glimmt.“

      „Die Anne Liese hat Euer Stüblein oben tüchtig geheizt, auch warme Becken zu Füßen ins Bett gelegt und einen Wolfspelz auf die Dielen, dass Ihr Euch nicht verkühlt beim Einsteigen.“

      Die Edelfrau antwortete nicht, was den Knechten Mut machte, fortzufahren.

      „Der Ritter hat's uns aufs gewissen gebunden letzthin, und die junge gnädige Frau noch mehr. Wie sehen sie's ungern, dass Ihr noch immer hier in dem öden Haus wirtschaftet, als wär's wie sonst. In ihrem warmen Hause in der Brüderstraße zu Köln möchten sie's Euch so gut machen, zumal in der bösen Winterzeit.“

      „Als wär's wie sonst!“ wiederholte Frau von Bredow mit einem leisen Seufzer. „Ja, ja, es ist wohl anders. Was hilft da all unser Arbeiten, das wir vorauswissen, wir werden einmal schwach.“

      Aber der Umgang unterblieb nicht, und wer sie so treppauf, treppab steigen sah und wie ihr Auge durchs Dunkel schaute, hätte nicht gemeint, dass sie schwach geworden.

      Nun saß sie wieder in ihrer warmen Stube, wo der große Ofen dampfte, und der Wolfspelz lag vorm Bett, und sie trank die Schale gewürzter Biersuppe, welche Anne Liese zum Schlaftrunk gebracht.

      Die Anne Liese wäre, dünkt uns, ziemlicher zur Gesellschaft gewesen bei der Burgfrau, als der Knecht Ruprecht um diese Stunde. Aber er ging nicht und sie hieß ihn nicht gehen. Die Anne Liese war eine treue Magd, aber plaudern konnte die Frau von Bredow nicht mit ihr, wie sie es liebte, und wenn sich manches in ihr und um sie geändert, das war nicht anders geworden, dass sie gern plauderte, und am liebsten mit solchen, die mit ihr zu plaudern verstanden.

      Aus dem Dampf der würzigen Suppe tauchten alte Bilder vor ihr auf.

      Zweites Kapitel

      Die späten Gäste

      Das Gespräch musste lebhaft gewesen sein, denn der Zeiger zeigte schon auf die elfte Stunde, und noch lag Frau Brigitte nicht im Bette, und noch saß der Knecht Ruprecht auf der Ofenbank.

      „Und darum bist Du nicht im Rechten“, sagte sie jetzt. „Denn als Gott den Menschen schuf, schuf er ihn nach seinem Ebenbilde, so steht's geschrieben, nicht nach den Tieren. Und wie soll's nun kommen, dass man des Menschen Zukunft und was ihn angeht, lesen soll in dem Geschnatter oder Geflatter von wilden Gänsen! Der Vogel weiß nicht mehr, als was er wusste, da der Herr ihn geschaffen hat; noch hat der Fisch was zu gelernt, seit die Welt steht. Sie tun, die Kreaturen, wie ihre Art ist. Aber mit der Menschenkreatur ist's ein anderes Wesen, Ruprecht; das ist nicht Abrichtung, als wie's ein guter Reiter mit 'nem guten Pferde macht. Der Reiter sitzt in der Kreatur, da sprosst's und treibt's, denk ich, und schlägt aus, und gar nicht dahin, wohin man denkt. Darum kann niemand voraussagen, wohin er kommt.“

      „In die Grube“, erwiderte der Knecht. „Sechs Bretter sind unser aller letztes Haus.“

      „Aus dem Haus geht man aber in ein anderes.“

      „Ich meine so, wenn der Sargdeckel fällt und die Erde darauf geschaufelt wird, ist's mit uns aus, nämlich hier auf der Erde. Was nachher kommt, ist Gottes Gnade, aber wenn durch Gottes Ungnade einer wiederkehrt, nämlich als Geist, der kann nun spuken, wie es ist, aber er hat kein Recht und Fug hier, und schafft und treibt so wenig was, als das Wasser von Silberschaum in den Krippeln die Mühlen treibt.“

      „Wenn einer ein schönes großes Auge hatte“, erwiderte nach einer Weile freundlich die Burgfrau, „und er sah Dir recht in Dein Auge, ich denke, Du siehst das noch immer, auch wenn er fort, auch wenn er längst Staub ist. Denk an den gottseligen Markgrafen. Wer den Johann Cicero einmal so recht anschaute, der vergisst's nicht. Ich meine, solch ein Auge kann auch gar nicht untergehen. Ein Reh hat auch schöne Augen, auch ein Ross kann furchtbar schön blicken, doch wenn sie gefallen sind, bleibt nichts zurück. Aber eines Menschen Blick, Ruprecht, kann wie der Zunder zünden, und die Flamme brennt noch lange fort, wenn

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